Der 1933 nach der NS-Übernahme einsetzende Ausschluss von Juden aus dem Kulturleben führte zur Gründung des Kulturbundes Deutscher Juden, unter dessen Dach in Berlin und Frankfurt auch jeweils ein Symphonieorchester aufgebaut wurde. Die Konzerte und anderen Veranstaltungen durften auf Befehl des NS-Regimes nur von Mitgliedern des Kulturbundes besucht werden. 1935 wurde aus dem „Kulturbund deutscher Juden“ der „Jüdische Kulturbund“ und die Organisationsstruktur unter der Aufsicht des Regimes weiter konzentriert. In Frankfurt löste sich der Bund nach dem Novemberpogrom 1938 auf, in Berlin 1941.
Im April 1933 gab es in Berlin erste Vorbereitungen zur Gründung einer jüdischen Selbsthilfeorganisation, innerhalb derer entlassene jüdische Künstler eine feste Anstellung erhalten und für ein ausschließlich jüdisches Abonnentenpublikum auftreten sollten. Am 6. Juli 1933 erteilte der Staatskommissar Hans Hinkel (Preußisches Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung) die Genehmigung zur Gründung des „Kulturbundes Deutscher Juden“. Der Arzt, Dirigent und Musikwissenschaftler Kurt Singer war die treibende Kraft und bis 1938 der Intendant dieser Unternehmung, die im Oktober 1933 in Berlin ihre erste Spielzeit eröffnete.
Auch in Frankfurt gab es seit Mai 1933 Überlegungen, zur wirtschaftlichen Selbsthilfe Konzerte jüdischer Musiker für ein jüdisches Publikum, Unterrichtsvermittlung, Kurse und kulturelle Jugendarbeit anzubieten. Im Oktober 1933 übernahm zunächst die Gesellschaft für Jüdische Volksbildung die organisatorische Bündelung dieser Aktivitäten und verfolgte „in naturgemäß kleinerem Rahmen ganz ähnliche Ziele, wie sie sich der ‚Kulturbund Deutscher Juden‘ in Berlin gesetzt hat“. Offenbar befand man aber diese Maßnahmen in Frankfurt nicht für ausreichend, um entlassenen jüdischen Musikern einen neuen, ihre Existenz sichernden Wirkungskreis zu bieten und gleichzeitig ein anspruchsvolles jüdisches Publikum zu erreichen. Am 6. Februar 1934 wurde bei Staatskommissar Hinkel ein Antrag auf Gründung eines „Kulturbundes Deutscher Juden für Frankfurt/M. und den Rhein-Main-Bezirk, Sitz Frankfurt/M.“ eingereicht, unterzeichnet unter anderem von Martin Buber, dem Kaufmann und Musikbibliophilen Paul Hirsch und Hans Wilhelm (William) Steinberg, dem 1933 entlassenen Generalmusikdirektor des Frankfurter Opernhauses. Hinkel genehmigte diese Gründung, woraufhin im Frankfurter Israelitischen Gemeindeblatt am 17. April 1934 ein Aufruf erschien, der für die Mitgliedschaft in der neu gegründeten Organisation warb. Es wurden zweierlei Gründe für die Errichtung des Kulturbundes angesprochen: Zum einen Arbeitsbeschaffung, Fortbildung und Ausbildung jüdischer Kulturschaffender, zum anderen die Belange des jüdischen Publikums: „Wir Alle bedürfen der Erhebung, des Trostes, der Freude!“ Wie sich an der weiteren Entwicklung der jüdischen Kulturbünde aber zeigen sollte, gingen Selbsthilfe und kulturelle Selbstbehauptung der verfolgten und entrechteten jüdischen Künstler und ihres Publikums immer auch parallel mit dem innenpolitisch höchst erwünschten Effekt der Konzentration jüdischen kulturellen Engagements zum Zwecke seiner leichteren Kontrolle und – im letzten Schritt – seiner Ausmerzung. Neben dem Vorstand gab es im Kulturbund Deutscher Juden Rhein-Main/Frankfurt am Main vier Arbeitskommissionen, die für die Öffentlichkeitsarbeit sowie für die Programmgestaltung in den Sparten Musik, Theater und Bildende Kunst zuständig waren. Im Zentrum des Engagements stand die Gründung und der Unterhalt eines professionellen Symphonieorchesters.
Bei seinem ersten Konzert im Mai 1934 stand das Orchester vor einem Raumproblem, das auf behördlich verordnete Sabotagemaßnahmen zurückzuführen war: Dem Saalbau war von der örtlichen Kreisleitung der NSDAP nicht gestattet worden, an den Kulturbund zu vermieten. Dieser musste in die deutlich kleineren Räumlichkeiten der Frankfurt-Loge ausweichen, was herbe finanzielle Einbußen bedeutete. Dieses anfängliche Misstrauen lokaler Behörden gegenüber den Aktivitäten regionaler Kulturbünde fand erst mit der Gründung des „Reichsverbandes Jüdischer Kulturbünde“ im Mai 1935 ein Ende, wodurch die Zuständigkeit Hans Hinkels auch für die regionalen Kulturbünde eindeutig geregelt wurde. Hinkel erhielt im Juli 1935 von Joseph Goebbels offiziell als „Sonderbeauftragter“ die Oberaufsicht über alle kulturellen Aktivitäten der Juden im Reich.
Die Gründung dieses „Reichsverbandes Jüdischer Kulturbünde“ – die Namensänderung von „Kulturbund deutscher Juden“ in „Jüdischer Kulturbund“ war von der Gestapo bereits im April 1935 veranlasst worden, da es keine deutschen Juden, sondern nur „Juden schlechthin“ gebe – brachte neben organisatorischen Erleichterungen jedoch auch einige einschneidende Veränderungen im bisher allen Schwierigkeiten zum Trotz sehr pluralistisch gestalteten jüdischen Kulturleben mit sich – auch in Frankfurt. So wurden nicht nur alle reichsweit bestehenden, nach dem Mitglieder- und Abonnement-Prinzip arbeitenden Kulturbünde unter dem Dach der neuen Organisation zusammengefasst, sondern alle jüdischen kulturellen Vereinigungen wie Chor-, Orchester- und Theatervereine.
In Frankfurt betraf dies zum Beispiel die Vereinigung der „Jüdischen Tonkünstler Frankfurts“, die bisher unabhängig vom Kulturbund zahlreiche Veranstaltungen („Mittwochs-Konzerte“) für ein breites jüdisches Publikum organisiert sowie die Vermittlung von Musiklehrern und Hausmusikpartnern angeboten hatte. Jeder Künstler, jeder Besucher – gleich welcher Veranstaltung innerhalb des jüdischen Kulturbetriebs – musste nun Mitglied im „Reichsverband Jüdischer Kulturbünde“ sein. Der Dachverband entwickelte sich so zu einer der Reichskulturkammer vergleichbaren Zwangsorganisation, die die vollständige Kontrolle der jüdischen Kulturaktivitäten und der daran beteiligten Personen ermöglichte. Die beiden widersprüchlichen Aspekte des Jüdischen Kulturbundes – seine Funktion als „kulturelle und physische Insel“ im Sinne eines Zufluchtortes, der geistiges Überleben sichern sollte, und sein Charakter eines kulturellen Ghettos, aus dem für viele seiner Mitglieder der Weg nach Westerbork, Theresienstadt und Auschwitz führte – wird hier einmal mehr deutlich.
Im September 1937 wurde der Jüdische Kulturbund Rhein-Main mit dem Kulturbund Rhein-Ruhr zusammengelegt, um organisatorische Ressourcen zu bündeln. Die Auflösung erfolgte im November oder Dezember 1938 in der Folge der Pogromnacht. Antijüdische Maßnahmen und Mitgliederschwund machten die Weiterarbeit in Frankfurt unmöglich. Zwar wurden vom Berliner Jüdischen Kulturbund weiterhin Veranstaltungen in anderen Städten organisiert, aber die Aktivitäten konzentrierten sich fortan auf Berlin, bis der „Jüdische Kulturbund in Deutschland“ am 11. September 1941 endgültig aufgelöst wurde.
Literatur und Quellen::
Akademie der Künste (Hg.): Geschlossene Vorstellung. Der Jüdische Kulturbund in Deutschland 1933-1941, Berlin 1992.
Judith Freise/Joachim Martini, Jüdische Musikerinnen und Musiker in Frankfurt 1933-1942, Frankfurt 1990.
Eike Geisel/Henryk M. Broder, Premiere und Pogrom. Der jüdische Kulturbund 1933-1941, Texte und Bilder, Berlin 1992.
Eva Hanau, Musikinstitutionen in Frankfurt am Main 1933 bis 1939, Köln 1994.
Bernd Sponheuer, Musik auf einer „kulturellen und physischen Insel“. Musik als Überlebensmittel im Jüdischen Kulturbund 1933-1941, in: Horst Weber (Hg.), Musik in der Emigration 1933-1945, Stuttgart 1994, S. 108-135.
Stephan Stompor, Jüdisches Musik- und Theaterleben unter dem NS-Staat, Hannover 2001.
Monatsblätter des jüdischen Kulturbundes Bezirk Rhein-Main, Frankfurt am Main
Der 1933 nach der NS-Übernahme einsetzende Ausschluss von Juden aus dem Kulturleben führte zur Gründung des Kulturbundes Deutscher Juden, unter dessen Dach in Berlin und Frankfurt auch jeweils ein Symphonieorchester aufgebaut wurde. Die Konzerte und anderen Veranstaltungen durften auf Befehl des NS-Regimes nur von Mitgliedern des Kulturbundes besucht werden. 1935 wurde aus dem „Kulturbund deutscher Juden“ der „Jüdische Kulturbund“ und die Organisationsstruktur unter der Aufsicht des Regimes weiter konzentriert. In Frankfurt löste sich der Bund nach dem Novemberpogrom 1938 auf, in Berlin 1941.