Eva Höhn: Stadtverordnete und Widerstandskämpferin

Porträtaufnahme von Eva Höhn, 1946

Eva Höhn wurde als zweites Kind einer achtköpfigen Familie in einer kleinen Gemeinde in der Rhön geboren. Da die geringen Einkünfte ihres Vaters als Holzarbeiter die Familie nicht ernähren konnten, musste sie bereits im Alter von zehn Jahren ihr Elternhaus verlassen, um bei Bauern in der Nähe von Gersfeld ihren Unterhalt zu verdienen. Nach ihrer Schulentlassung übersiedelte sie als Fünfzehnjährige nach Frankfurt am Main, wo sie in verschiedenen Haushalten als Dienstmädchen tätig war. Im März 1915 heiratete sie den Schuhmacher Wilhelm Höhn, der wie sie selbst aus einer kinderreichen Kleinbauern- bzw. Tagelöhnerfamilie stammte und in den 1920er Jahren zu den Spitzenfunktionären der Frankfurter KPD zählte.

 

1923 trat Eva Höhn der KPD bei und entwickelte sich bald zu einer der bekanntesten Rednerinnen ihres Bezirks. Sie gehörte zu den Gründerinnen des „Roten Frauen und Mädchenbundes“ (RFMB) und war lange Zeit in dessen Leitung tätig. Ab dem Jahr 1930 war sie Mitglied der Bezirksleitung der KPD Hessen-Frankfurt und reiste im Jahr 1931 im Auftrag der Partei für zwei Monate zu Schulungszwecken in die Sowjetunion. Nach den preußischen Kommunalwahlen im Mai 1928 zog sie als Stadtverordnete für die KPD-Fraktion in das Frankfurter Stadtparlament ein. Dort widmete sie sich der sozialen Fürsorge und war Mitglied im Schulausschuss, in der Ernährungsdeputation und der Jugend- und Wohlfahrtsdeputation.

 

Nachdem der kommissarische preußische Innenminister Hermann Göring zum 8. Februar 1933 die Zwangsauflösung sämtlicher Gemeindevertretungen in Preußen verfügt hatte, verlor auch Höhn ihr Stadtverordnetenmandat. Bei den preußischen Kommunalwahlen vom 12. März 1933 kandidierte sie nicht mehr für das Frankfurter Stadtparlament. Im Frühjahr 1933 arbeitete Eva Höhn als leitende Funktionärin der kommunistischen Emigranten-Kommission für den Bezirk Frankfurt am Main. Sie nahm verfolgte Kommunisten in ihrer Wohnung auf und organisierte für diese die Flucht ins Saargebiet. Auch ihrem 18jährigen Sohn Willi, der im April 1933 von der Gestapo verhaftet und im Mai 1933 von einem Sondergericht zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt worden war, verhalf sie nach seiner Haftentlassung zur Flucht nach Frankreich.

 

Nachdem im Herbst 1933 eine große Anzahl Frankfurter Kommunisten von der Gestapo verhaftet worden waren, verdächtigte Höhn die „illegale“ Frankfurter KPD-Bezirksleitung unter Karl Jakobi (Deckname „Fritz“), von Gestapo-Spitzeln unterwandert zu sein. Aus diesem Grund brach sie im Sommer 1934 die bisherige Zusammenarbeit mit der Frankfurter KPD-Bezirksleitung ab und gründete im Frankfurter Stadtteil Ostend eine „Nebenbezirksleitung“ bzw. „zweite Bezirksleitung“ der KPD, die ihre „illegale“ Widerstandsarbeit unabhängig vom ZK der KPD und in Opposition zur Frankfurter KPD-Bezirksleitung weiterführte. Die von Eva Höhn geführte „Nebenbezirksleitung“ wurde vom offiziell eingesetzten KPD-Bezirksleiter Kassner (Deckname „Bruno“), dem Nachfolger des 1933 verhafteten Bezirksleiters Karl Jakobi, vehement bekämpft, da er diese verdächtigte, von „trotzkistischen Elementen“ unterwandert zu sein.

 

Am 15. März 1935 wurde Eva Höhn wegen des Verdachts „hochverräterischer Betätigung“ von der Gestapo festgenommen und im Polizeigefängnis in der Klapperfeldstraße inhaftiert. Vom 23. März 1935 bis zum 8. Mai 1935 befand sie sich im Strafgefängnis Preungesheim in Untersuchungshaft und wurde am 9. Mai 1935 ins Gerichtsgefängnis Kassel überführt. Das Oberlandesgericht Kassel sprach sie am 17. Mai 1935 aufgrund mangelnder Beweise frei, so dass sie einen Tag später aus der Haft entlassen wurde.

 

Nach ihrer Haftentlassung setzte Höhn ihre Widerstandsarbeit gegen das NS-Regime fort. Vom Frankfurter Arbeitsamt wurde sie aufgrund „politischer Unzuverlässigkeit“ zunächst nicht mehr in Arbeit vermittelt. Erst ab dem 13. Oktober 1937 fand sie eine Beschäftigung bei den Frankfurter Asbestwerken Paul Kind KG. Am 15. September 1939 wurde sie auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz erneut von der Gestapo festgenommen und am 27. September 1939 in die Untersuchungshaftanstalt Frankfurt am Main-Höchst eingeliefert. Sie wurde beschuldigt, nach 1933 als leitende Funktionärin der Frankfurter „Emigranten-Kommission“ gesuchte Kommunisten bei ihrer Flucht ins Ausland unterstützt und gemeinsam mit Else Fey eine „illegale“ kommunistische Nebenbezirksleitung im Frankfurter Ostend geleitet zu haben. Am 12. Oktober 1940 verurteilte sie der Strafsenat des Oberlandesgerichts Kassel wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ zu sechs Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrverlust. Am 23. Oktober 1940 wurde Höhn in die Frauenstrafanstalt Aichach in Oberbayern und von dort am 20. Mai 1941 ins Frauenzuchthaus Anrath im Rheinland überstellt. Während der Haft musste sie Schwerstarbeit in einer Zuckerfabrik verrichten. Am 12. August 1944 verlegte man sie kurzfristig in die Strafvollzugsanstalt Bautzen und im September 1944 ins Landesgerichtsgefängnis Hof in Oberfranken. Von dort wurde sie am 15. April 1945 ins Zuchthaus Waldheim in Sachsen eingeliefert und dort am 7. Mai 1945, nach der Befreiung des Lagers durch die Rote Armee, entlassen.

 

Von September 1945 bis Mai 1946 war Eva Höhn trotz ihrer durch die Haft angegriffenen Gesundheit Mitglied des Frankfurter Bürgerrates, des ersten kommunalpolitischen Gremiums der Stadt nach dem Zusammenbruch des NS-Regimes. Nach 1945 war sie als Bezirksreferentin Mitglied der KPD-Landesleitung in Hessen sowie Mitglied der Frauenkommission der Partei. Außerdem gehörte sie zu den führenden Mitgliedern des KPD-nahen „Demokratischen Frauenbundes Deutschlands“ (DFD). Am 14. Oktober 1966 verstarb Eva Höhn im Alter von 73 Jahren in Frankfurt am Main.

 

 

Quellen

Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Sammelmappe S2/6189; Akten der Stadtverordnetenversammlung 92 u. 97; Protokolle der Stadtverordnetenversammlung P 156 u. P 977; Magistratsakten Nr. 4301 und Nr. 4309, Bl. 27ff.; Städtische Anzeigeblätter 1928, 1929,1933;

Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945: AN 2594; AN 2681; TN 39; BN 707;

Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: G 12 B (SD/Gestapo) Nr. 25/3

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Datenbank Widerstand und Verfolgung; Abt. 518/2608; 518/2617; 518/2184 (Entschädigungsakten)

Bundesarchiv Berlin: RY1/I 2/3/323; R 58/3815; R 58/3255; R 58/3232 (Reichssicherheitshauptamt); Dy 30/IV 2/11/v. 4935; NJ 499; NJ 8419 Bd. 1 u. 2; NJ 2195; NJ 13561; NJ 2809 Bd. 3; NJ 8296;

 

Literatur

Bermejo, Michael: Die Opfer der Diktatur. Frankfurter Stadtverordnete und Magistratsmitglieder als Verfolgte des NS-Staates, Frankfurt am Main 2006, S. 160-163

Mausbach-Bromberger, Barbara: Arbeiterwiderstand in Frankfurt am Main. Gegen den Faschismus 1933-1945, Frankfurt am Main 1976, S. 21, 49 und 235

Schüller, Elke: Neue, andere Menschen, andere Frauen? Kommunalpolitikerinnen in Hessen 1945-1956. Ein biographisches Handbuch, Frankfurt am Main 1995, S. 74 ff.



Autor/in: Michael Bermejo-Wenzel
erstellt am 17.06.2023
 

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