Der braune Magistrat: Rudolf Keller

Rudolf Keller

Schulrat Rudolf Keller gehörte zu den Stadträten, die bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten dem Magistrat angehörten. Keller war scharfen Angriffen seitens des Gauleiters Sprenger ausgesetzt, Rückendeckung erhielt er durch Oberbürgermeister Krebs.

Der Frankfurter Schuldezernent Rudolf Keller war 1878 als Pfarrerssohn in Lövenich bei Aachen geboren worden, hatte in Gütersloh das humanistische Gymnasium besucht und anschließend bis 1901 Geschichte, Deutsch, Philosophie und Französisch an den Universitäten Heidelberg, Berlin und Bonn studiert. Seine Promotion absolvierte er mit „multa cum laude“, die 1903 abgelegte Staatsprüfung mit „gut“. Damit durfte er die Fächer Deutsch, Philosophie, Propädeutik und Geschichte unterrichten. Nach einem einjährigen Vorbereitungsdienst und dem Militärdienst lehrte er bis 1912 am staatlichen Friedrich-Wilhelm-Gymnasium in Köln und wurde anschließend für vier Jahre dessen Direktor. Nach einer weiteren Unterbrechung durch die Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Hauptmann der Reserve und Abteilungsdirigent einer Kriegsgefangenenabteilung arbeitete er als Oberstudiendirektor des städtischen Reformrealgymnasiums in Essen-Bredeney und seit April 1926 als Oberschulrat im Provinzialschulkollegium in Berlin-Lichterfelde.

Als die Stadt Frankfurt 1927 einen neuen Schuldezernenten suchte, fiel das Augenmerk auf ihn, obwohl er keine Erfahrung in der Kommunalverwaltung vorweisen konnte. Sein Name war „außer der Reihe“ erwähnt worden, und man erkundigte sich, ob er an der Stelle interessiert sei. Keller signalisierte bereits wenige Tage nach Erhalt des Briefs seine Bereitschaft zu einer Kandidatur und wurde am 4. Oktober 1927 mit absoluter Mehrheit von der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zum hauptamtlichen Stadtrat gewählt.

Er passte nicht nur in fachlicher Hinsicht in den Magistrat, auch politisch entsprach er mit seiner eher linksliberalen Ausrichtung den Wünschen der Stadtväter: Von 1901 an für ein Jahr Mitglied der nationalsozialen Partei Friedrich Naumanns, hatte er sich von November 1918 bis 1926 der Deutschen Demokratischen Volkspartei angeschlossen; von 1930 bis März 1933 gehörte er deren Nachfolgeorganisation, der Deutschen Staatspartei, an. Gleichzeitig war er von 1929 bis 1931 Mitglied im Republikanischen Beamtenbund.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 begann für Keller eine rund einjährige, durch die Frankfurter Akten außergewöhnlich gut dokumentierte scharfe Auseinandersetzung mit dem hessen-nassauischen Gauleiter Jakob Sprenger um sein Amt. Sprenger hielt Keller wegen seiner liberalen politischen Haltung für nicht tragbar und forderte seine Abberufung. Dabei war Keller durchaus zu weitgehenden Konzessionen an die neuen Machthaber bereit: Ende April 1933 stellte er einen Aufnahmeantrag für die NSDAP, der jedoch abgelehnt worden zu sein scheint. Ende August 1933 berichteten die Frankfurter Zeitungen übereinstimmend „Stadtrat Keller geht“. Man sei bereits auf der Suche nach einem Nachfolger, Keller bleibe lediglich noch so lange im Amt, bis ein neuer Dezernent gefunden sei. Im Oktober 1933 fasste der Magistrat den Beschluss, Keller als Direktor an das altsprachliche Frankfurter Lessing-Gymnasium zu versetzen, dessen bisherigen Leiter man ebenfalls entlassen wollte. Auch eine Stelle als Bibliothekar war im Gespräch. Letztlich scheiterten diese Pläne aber am Einspruch des Preußischen Innenministers. Der sah die Frist, innerhalb deren Keller nach den Bestimmungen des Berufsbeamtengesetzes hätte entlassen werden können, als verstrichen an, und weigerte sich deshalb, den Forderungen des Gauleiters zu entsprechen. Doch erst im Juni des darauffolgenden Jahres konnte Keller einigermaßen sicher sein, seinen Posten zu behalten. Ein letzter Versuch Sprengers im Oktober 1934, Keller doch noch zu entlassen, scheiterte.

Bis 1945 blieb Keller Schul- und Kulturdezernent der Stadt. Angesichts des Misstrauens und der offenen Feindschaft des Gauleiters war das nur möglich, weil Oberbürgermeister Krebs ihm Rückendeckung gewährte, wie er es auch bei den anderen Stadträten tat, die bereits während der Weimarer Republik berufen worden waren.

Zu einem Spruchkammerverfahren kam es nach Kriegsende nicht. Keller hatte zwar den obligatorischen Meldebogen ausgefüllt, da er aber kein NSDAP-Mitglied gewesen war, lag keine formelle Belastung vor, und allein sie war ausschlaggebend für die Eröffnung eines Verfahrens. Auch der Hauptuntersuchungsausschuss der Stadt sah aus diesem Grund keinen Anlass für eine Überprüfung Kellers. Keller war genau wie seine beiden Kollegen Lehmann und Lingnau mit Erlaubnis der amerikanischen Militärverwaltung im September 1945 für weitere zwölf Jahre zum hauptamtlichen Stadtrat ernannt worden. Bei der im Juli des folgenden Jahres angesetzten Magistratswahl wurde er jedoch nicht mehr gewählt und musste das Amt an seinen Nachfolger abgeben.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Frankfurter Magistrat war er in der Verwaltung der Musikhochschule tätig, fungierte als Rats- und Kuratoriumsmitglied der Universität, und als Vorsitzender der Städeladministration und des Rundfunkrats. 1953 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande und im folgenden Jahr die Goetheplakette des Landes Hessen. Keller starb 1960 im Alter von 82 Jahren.

 

 

Literatur::

Bettina Tüffers: Der Braune Magistrat. Personalstruktur und Machtverhältnisse in der Frankfurter Stadtregierung 1933-1945 (Studien zur Frankfurter Geschichte 54), Frankfurt am Main 2004

Schulrat Rudolf Keller gehörte zu den Stadträten, die bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten dem Magistrat angehörten. Keller war scharfen Angriffen seitens des Gauleiters Sprenger ausgesetzt, Rückendeckung erhielt er durch Oberbürgermeister Krebs.



Autor/in: Bettina Tüffers
erstellt am 01.01.2005
 

Verwandte Personen

Keller, Rudolf


Krebs, Friedrich


Sprenger, Jakob

Verwandte Beiträge

Der braune Magistrat – ein Überblick


Die „Gleichschaltung“ des Magistrats

Verwandte Orte

Magistrat

Top