Sportvereine waren keine politischen Nischen. Schon bald nach dem Machtantritt versuchten die Nationalsozialisten ihren Einfluss in den Vereinen geltend zu machen. Selbst wenn das nicht immer auf Anhieb gelang, litt das Vereinsleben durch die Abwanderung jüdischer und enttäuschter „arischer“ Mitglieder.
Im Nationalsozialismus zerbrach die heile Welt des Sports. Da mehr als ein Drittel seiner Mitglieder Juden waren, geriet der Sport-Club „Frankfurt 1880“ e. V., nachdem die NSDAP im März 1933 auch im Frankfurter Römer ans Ruder gekommen war, ins Visier der neuen Machthaber. Obwohl die „Achtziger“ definitiv nicht zu den Sportverbänden gezählt haben, die schon im April 1933 den ausgrenzenden „Arierparagraphen“ in ihre Satzungen aufnahmen, blieben die meisten jüdischen Mitglieder dem Club mit Beginn des Dritten Reichs von sich aus fern. Der in den „goldenen“ Zwanzigerjahren bis zu 1.500 Mitglieder starke Club schrumpfte auf knapp 400 zusammen. Ob ehemalige SCler zu einem der bis 1938 zumindest geduldeten jüdischen Sportvereine Bar Kochba, Schild und Turnerbund gewechselt sind, ist mangels Mitgliederlisten nicht bekannt.
Der Sport-Club konnte sich dem Zugriff des NS-Staates nicht entziehen. Im Club gab es eine aktive Gruppe von „Parteigenossen“, die sich zum Beispiel am 1. Mai 1933 an den Aufmärschen der NSDAP zum „Tag der nationalen Arbeit“ beteiligten oder im Clubhaus lauthals das Horst-Wessel-Lied anstimmten. Zwei Tage vor einem an der Adickesallee für Clubmitglieder, die gleichzeitig in der SS, der SA oder dem antidemokratischen Stahlhelm-Verband waren, vorbereiteten Wehrsportfest gab der bisherige engere Vorstand auf und trat am 24. August 1933 zurück. Sowohl der seit 1918 amtierende Vorsitzende Moritz von Bissing als auch sein Stellvertreter Theo Haag, die beide mit Jüdinnen verheiratet waren, hielten sich fortan im Hintergrund. Der Club blieb aber auch unter dem neuen „Vereinsführer“ Carl Ackermann, einem „Achtziger“ Urgestein, seinen alten Grundsätzen treu, verhielt sich gegenüber den noch vorhandenen „nichtarischen“ Mitgliedern korrekt und beschäftigte zum Beispiel den langjährigen SC-Sekretär Georg Oppenheimer trotz seiner jüdischen Herkunft bis 1937 weiter. Anfeindungen der Nazis und Beschimpfungen als „Juden-Club“ nahm der SC ’80 in Kauf.
Das Ehrenmitglied des Sport-Clubs, der abgesetzte Vorstandsvorsitzende der Metallgesellschaft, Richard Merton, emigrierte 1939, von einer dreiwöchigen Internierung im Konzentrationslager Buchenwald gezeichnet, nach England. Merton hatte das Unglück kommen sehen und bereits Mitte der Dreißigerjahre damit begonnen, seinen gesamten Besitz zu Geld zu machen. Dabei kündigte Merton gezwungenermaßen auch dem SC die seit 1924 auf dem Clubgelände lastende Hypothek. Der infolge des Mitgliederschwunds finanziell angeschlagene Sport-Club konnte die Merton zustehenden 105.000 Reichsmark nicht aufbringen und sah schließlich keinen anderen Ausweg, als die clubeigene Sportanlage zu veräußern. Der 26. Mai 1937 wurde somit zu einem der schwärzesten Tage in der Geschichte des Clubs, denn unter diesem Datum musste „Vereinsführer“ Ackermann die Sportplatzanlage an der Adickesallee für 145.000 Reichsmark an die Stadt Frankfurt verkaufen. Anschließend mietete der SC das Gelände zu günstigen Konditionen.
Bevor die Clubzeitung im Zweiten Weltkrieg ihr Erscheinen einstellte, wurden in der Februar-Ausgabe 1940 die Namen von 132 zur Wehrmacht eingezogener „Achtziger“ aufgelistet. Über die Anzahl der gefallenen Clubmitglieder liegen keine Angaben vor. Mehrfach wurde der Sport-Club im Verlauf des Krieges mit Fliegerbomben belegt. Dem Mut und der Geistesgegenwart des SC-Geschäftsführers und Sportlehrers Josef Holler, der mit Frau und Tochter im Clubhaus wohnte, war es zu verdanken, dass die Zentrale der „Achtziger“ in der Schreckensnacht vom 22. auf den 23. März 1944 gerettet werden konnte. Als britische Bomberverbände zwischen 21:40 und 22:30 Uhr in mehreren Wellen ihre tödliche Fracht über Frankfurt entluden, sanken nicht nur große Teile der Altstadt mitsamt dem Goethehaus oder dem Römer in Schutt und Asche, sondern wurde auch das Clubhaus an der Adickesallee in Brand gesetzt. Mit Hilfe seines Bruders Karl und unter Einsatz der auf den Tennisplätzen bereitliegenden Wasserschläuchen gelang es Holler, die Flammen unter Kontrolle zu bringen. Anfang Mai bilanzierte Holler die dem SC bei den Großangriffen im März 1944 entstandenen Schäden: „Durch die in der Nähe gefallenen Luftminen, Sprengbomben sowie Brandbomben ist das Haus in seinem Mauerwerk gerissen. Türe- u. Fensterrahmen heraus gerissen. Dach vollkommen abgebrannt. Ein Zimmer, Dachtreppe, Badeinrichtung ausgebrannt.“
Das kriegszerstörte Dach wurde im Frühjahr 1945 von der US-Armee wieder instand gesetzt. Die Amerikaner hatten die nicht weit vom US-Hauptquartier im IG-Farbenhaus entfernt gelegene Sportplatzanlage des SC 1880 beschlagnahmt. Erst nach mehrjährigen Verhandlungen gelang es dem Clubvorsitzenden Fritz Dietz, die US-Armee zur Freigabe des Clubgeländes zu bewegen. Ab Neujahr 1956 hatte der SC auf dem von der Stadt Frankfurt gemieteten Sportplatzgelände an der Adickesallee wieder das Sagen.
Literatur::
Jürgen Brundert: Der Sportclub „Frankfurt 1880“ e. V. Eine Frankfurter Jahrhundertgeschichte, Frankfurt a. M. 2002
Sportvereine waren keine politischen Nischen. Schon bald nach dem Machtantritt versuchten die Nationalsozialisten ihren Einfluss in den Vereinen geltend zu machen. Selbst wenn das nicht immer auf Anhieb gelang, litt das Vereinsleben durch die Abwanderung jüdischer und enttäuschter „arischer“ Mitglieder.