Das Kulturamt der Stadt Frankfurt am Main

Beantragung von zusätzlichen Geldern für Kunstankäufe im Ausland, 17. September 1941, Rückseite

Beantragung von zusätzlichen Geldern für Kunstankäufe im Ausland, 17. September 1941, Vorderseite

Aufstellung zur Geschäftsverteilung, 1939

Gliederung der Frankfurter Stadtverwaltung, 1933/34

Der 1921 als Amt für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung eingerichteten und 1933 in Kulturamt umbenannten Institution unterstanden zahlreiche städtische Bibliotheken, Museen und Bühnen. Es wurde von 1932 bis 1946 von Rudolf Keller geleitet, der der NSDAP nicht angehörte. In die Gleichschaltungs- und Arisierungspolitik des Regimes waren die Aktivitäten des Amts gleichwohl eingebunden.

Ein Kulturamt war vor 1933 eine vergleichsweise neue Erscheinung – ebenso neu wie die Vorstellung, dass „Kultur“ durch eine verwaltungsorganisatorische Einheit gelenkt, begleitet, gestaltet, mithin: verwaltet werden müsse. Die Anfänge einer Kulturverwaltung im eigentlichen Sinne lagen denn auch nicht lange zurück. Als nach dem Ende des Ersten Weltkrieges aufgrund der wirtschaftlich veränderten Verhältnisse zahlreiche bisher privat finanzierte Kultur- und Forschungsinstitute in ihrer Existenz bedroht waren, übernahmen auf lokaler Ebene die Kommunen viele dieser Aufgaben. Gleichzeitig entdeckten sie den Kultursektor als Feld für eine gestaltende Politik, Kultur wurde „Bildungs- und Wirtschaftspolitik“.1 Neben der bereits bestehenden Deputation für Schul- und Kulturangelegenheiten wurde 1921 in Frankfurt am Main das Amt für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung eingerichtet. Das zunächst noch der Stadtkanzlei unterstellte Amt erhielt im Zuge der Verwaltungsreform 1927 Eigenständigkeit und übernahm die Leitung aller Kulturinstitute. Leiter des Amtes beziehungsweise Deputationsvorsitzender wurde der SPD-Stadtverordnete Max Michel. Ihm folgte 1932 Rudolf Keller, der seit 1927 bereits das Amt des Schuldezernenten bekleidete. Keller fungierte damit gleichzeitig als Dezernatsleiter für Schule und Kultur; beide Ämter übte er bis nach 1945 aus.

1933/34 überstand Keller nur knapp die Versuche des Gauleiters Jakob Sprenger, ihn aus seinen Ämtern zu entfernen. Als Vertreter des bürgerlich-liberalen Lagers war Keller vielen Nationalsozialisten ein Dorn im Auge. So sprach Sprenger ihm die Fähigkeit ab, „die nationalsozialistische Weltanschauung in sich aufzunehmen, noch viel weniger der Jugend zu vermitteln oder die Stadtverwaltung und die kulturellen Einrichtungen der Stadt so zu verwalten, dass sie ganz im Dienst der nationalsozialistischen Bewegung stehen“.2

Das Kulturamt, wie das Amt für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung seit 1933 hieß, hatte seine Hauptstelle in der Elbestraße 43 in wenig repräsentativen Geschäftsräumen. Auch personell war das Amt zunächst unterbesetzt. Unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise von 1929 war man der Meinung gewesen, „dass auf Jahrzehnte hinaus eine Kulturpolitik der Gemeinden überhaupt unmöglich sei“.3 So bestand das Amt 1933 nur aus drei Mitarbeitern (den Verwaltungsinspektoren Weishaupt und Jung sowie einer Schreibkraft), die ein umfangreiches Aufgabengebiet zu bewältigen hatten. Dazu gehörten die Planung und Durchführung kultureller Veranstaltungen, Stiftungsfragen aller Art, Personalangelegenheiten, Rechnungsführung sowie die Gestaltung und Überwachung des Haushaltsplanes.

Dem Kulturamt unterstanden folgende Dienststellen: das Stadtarchiv, die Gesamtverwaltung der Frankfurter Bibliotheken, Theater, Oper, Völkermuseum, Afrika-Archiv, Historisches Museum, Kunstgewerbemuseum, Museum für heimische Vor- und Frühgeschichte (ab 1937), Handwerker- und Städelschule (früher Kunstgewerbeschule), Städtisches Modeamt, Städtische Galerie, Liebieghaus.
Der Geschäftsordnung des Kulturamts zufolge hatte dieses „die Aufgabe, das Ansehen der Stadt Frankfurt a.M. als einer der führenden deutschen Pflegestätten wissenschaftlicher und technischer Forschung und Lehre, künstlerischer und kunsthandwerklicher Betätigung und Bildung sowie Theater- und Musikkultur nach innen und außen zu wahren und zu steigern. Es hat die auf diesen Gebieten bestehenden Einrichtungen und Anstalten in gleicher Weise der Berufsausbildung und der Hebung des allgemeinen Bildungsstandes dem deutschen Volke dienstbar zu machen und auszubauen. […] Mit der in Stück 1 angegebenen Zielsetzung obliegt dem Kulturamt: 1. die Verwaltung und bestmögliche Vervollkommnung der unmittelbar stadteigenen Einrichtungen, Sammlungen und Lehranstalten, die den in Stück 1 angegebenen Aufgaben dienen“.4

In seiner ersten Haushaltsrede zog der neue Oberbürgermeister Friedrich Krebs nach einem Jahr nationalsozialistischer Herrschaft programmatisch Bilanz: „Die erste Voraussetzung für die Neugestaltung des deutschen Kulturlebens innerhalb der Stadtverwaltung war die restlose Ausschaltung jedes undeutschen, liberalistischen und marxistischen Einflusses.“5
Laut Geschäftsordnung gehörte es zur vornehmlichen Aufgabe, „schöpferisch und gestaltend“, wie es Oberbürgermeister Krebs formulierte, auf das Kulturleben einzuwirken. Leider erschwert die mangelhafte Quellenlage zum Kulturamt eine genauere Analyse der inhaltlichen Arbeit und abschließende Bewertungen. Eine der größeren Aufgaben des Kulturamts bestand in der Ausarbeitung eines „Drei- bis Fünfjahresplanes für die Durchführung planmäßiger baulicher Verbesserungen (Umbau-Herstellungs-Arbeiten usw.) an den kulturellen Einrichtungen in Frankfurt am Main.“6 Bekam man so einen Einblick in Vorhaben und Planungen, scheint die Arbeit des Kulturamts andererseits durchaus kritisch bewertet worden zu sein. Magistratsrat Heun vom Hauptverwaltungsamt (HVA) monierte im April 1936: „Das Kulturamt spielt – soweit ich die Dinge von hier beobachten kann – vielfach die Rolle eines beflissenen Briefträgers, verdeckt dies aber dadurch, dass es die Berichte seiner Dienststellen säuberlich abschreibt und als seine eigenen Stellungnahmen weitergibt. Vielleicht empfiehlt es sich, das Kulturamt einmal grundsätzliche anzuweisen, die Berichte seiner Dienststellen unmittelbar dem Herrn Oberbürgermeister vorzulegen, falls die Stelllungnahme des Kulturamtes hierzu mit einigen Sätzen erfolgen kann.“7 Wenige Monate später notierte man beim HVA: „Die Pflege und Förderung der Kultur lässt bei uns noch zu wünschen übrig. […] Unzweifelhaft fehlt es uns an dem schöpferischen Träger der kulturellen Arbeit.“8

Diesen „schöpferischen Träger“ kultureller Aufbauarbeit glaubte man 1938 mit Karl Schlechta gefunden zu haben, der als Kulturreferent angestellt wurde. Er sollte den Amtsleiter „insbesondere durch eigene Anregungen und Vorschläge und durch Verfolgung der vom Amtsleiter und anderer Stellen gegebenen Anregungen und Wünsche“9 unterstützen. Die Anstellung wurde insbesondere von Oberbürgermeister Krebs befördert, der aber ein Jahr später anmerken musste: „Ich vermisse beim Kulturamt die Frische und Lebendigkeit, die für eine kulturelle Aufbauarbeit notwendig sind.“10
Darüber hinaus war der gewünschte positive Effekt der Einstellung Schlechtas nur von kurzer Dauer, denn bereits mit Kriegsbeginn ergaben sich größere Einschnitte. Mit der Umstellung auf Kriegsverwaltung kam es zu Versetzungen von Mitarbeitern zu anderen Ämtern oder Einberufungen zum Wehrdienst. Da nach dem Willen der Reichsregierung und auch des Stadtoberhaupts der Umfang der kulturellen Aktivitäten aber nicht verringert, sondern zur Stärkung der „Heimatfront“ eher ausgebaut werden sollte, ergaben sich größere Belastungen und Arbeitsrückstände. Keller berichtete 1940 an Oberbürgermeister Krebs, im Vergleich zu 1939 hätten Aufschwung und Belebung „auf vielen Gebieten des kulturellen Lebens […] eher zu einer Vermehrung der Geschäftsvorfälle geführt“.11

Die besonderen Herausforderungen der Kriegszeit beschrieb er folgendermaßen: „Die völlig neuartigen Formen des gegenwärtigen Krieges haben die Bedeutung der inneren Front in früher ungeahntem Masse erhöht. Demzufolge ergab sich die Notwendigkeit, die Widerstandskraft derselben durch Aufrechterhaltung des kulturellen Lebens zu erhalten und zu verstärken. Diese Forderung fand ihren Ausdruck in ministeriellen Anordnungen, denen zufolge die kulturellen Einrichtungen der Gemeinde als lebensnotwendige Bedürfnisse aufrechtzuerhalten sind. Der Geschäftsumfang des Kulturamts hat daher auch durch den Kriegszustand keine Einschränkung erfahren.“12

Die prekäre personelle Lage hielt bis 1945 an. Bei den Bombenangriffen des Jahres 1944 auf Frankfurt wurde auch die Geschäftsstelle in der Elbestraße 43 zerstört; bis Kriegsende kam das Kulturamt notdürftig in der Hauptverwaltung im Südbau des Rathauses unter. Rudolf Keller blieb auch nach 1945 im Amt, da er niemals der NSDAP oder einer anderen parteinahen Organisation angehört hatte. Bei den Neuwahlen zum Magistrat am 25. Juli 1946 wurde er jedoch nicht wiedergewählt und zum 1. August 1946 in den Ruhestand versetzt.

 

 

Anmerkungen

1 Siehe hierzu ausführlicher Schimpf, S. 442f.

2 Sprenger am 15. März 1934, ISG, Personalakte Keller, 73.674, Bl. 137.

3 Dienststellenleiterbesprechung am 22. Juni 1939, ISG, MA 7.825, vertraulicher Sonderbericht, Anlage 13, S. 2.

4 Geschäftsordnung für das Kulturamt, Städtisches Anzeigenblatt Nr. 16 vom 23. April 1937, ISG, MA 7.824.

5 Verwaltungsbericht der Stadt Frankfurt a.M. über das Haushaltsjahr 1933/34, S. 46, ISG, SD 1/96.

6 Verfügung des Oberbürgermeisters an Kulturamt, 14. Dezember 1935, ISG, MA 7.829.

7 Magistratsrat Heun am 25. April 1936, ISG, MA 7.824.

8 Schreiben des HVA vom 21. August 1936, ISG, MA 7.824.

9 Dienstanweisung Schlechtas, ISG, Personalakte Karl Schlechta 18.945, Bl. 35.

10 Schreiben des Oberbürgermeisters vom 8. und 18. Mai 1939, ISG, MA 7.824.

11 Verfügung des Oberbürgermeisters an Kulturamt, 14. Dezember 1935, ISG, MA 7.829.

12 Schreiben des Oberbürgermeisters vom 8 und 18. Mai 1939, ISG, MA 7.824.

13 Keller an Krebs, 26. Februar 1940, ISG, MA 7.827.

14 ebenda.

 

 

Literatur

Gudrun-Christine Schimpf, Geld Macht Kultur. Kulturpolitik in Frankfurt am Main zwischen Mäzenatentum und öffentlicher Finanzierung, 1866-1933, Frankfurt am Main 2007

Sebastian Farnung, Kulturpolitik im Dritten Reich am Beispiel Frankfurter Museen, Diss., Frankfurt am Main 2014, erscheint 2016

Der 1921 als Amt für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung eingerichteten und 1933 in Kulturamt umbenannten Institution unterstanden zahlreiche städtische Bibliotheken, Museen und Bühnen. Es wurde von 1932 bis 1946 von Rudolf Keller geleitet, der der NSDAP nicht angehörte. In die Gleichschaltungs- und Arisierungspolitik des Regimes waren die Aktivitäten des Amts gleichwohl eingebunden.



Autor/in: Sebastian Farnung
erstellt am 01.01.2015
 

Verwandte Personen

Keller, Rudolf


Krebs, Friedrich

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