Die Nationalsozialisten nutzten den Sport, um politischen und ideologischen Einfluss auf weite Bevölkerungskreise zu gewinnen. Selbst die scheinbar unverfängliche „Waldstadion“ genannte Sportanlage wurde in „Sportfeld“ arisiert.
Am frühen Abend des 11. Juni 1933 marschierten rund 9.000 SS-Leute im Gleichschritt über die Aschenbahn des Frankfurter Waldstadions, um in Reih und Glied vor dem Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, Aufstellung zu nehmen. Himmler schwor seine Gefolgsleute bei der ersten parteipolitischen Veranstaltung im Stadion darauf ein, „daß die nationale Erhebung noch nicht zu Ende sei und daß die SS [...] zum Kampf bereit sei, bis das deutsche Volk von allen seinen inneren Gegnern befreit werde.“ Die „Gleichschaltung“ erfasste auch den Aufsichtsrat der 1925 zur Verwaltung des Sportparks eingerichteten Stadion GmbH. Der sozialdemokratische Aufsichtsratsvorsitzende, Stadtrat Karl Schlosser, wurde am 13. März 1933 aus einer Magistrats-Sitzung heraus verhaftet und später auch formell aus dem Dienst der Stadt Frankfurt entlassen. Den Vorsitz im Stadion-Aufsichtsrat übernahm der parteilose Stadtrat August Lingnau, der dieses Amt bis zu seiner Pensionierung 1946 ausübte. Außer den beiden Stadträten Lingnau und Keller, dem Stadtverordneten der Zentrumspartei Richard Krah und dem Mitglied der NSDAP-Fraktion Adalbert Gimbel verloren alle anderen bisherigen Aufsichtsräte ihren Sitz in dem Organ der Stadion GmbH an überzeugte Nationalsozialisten.
Eine der ersten Entscheidungen des „braunen“ Aufsichtsrats betraf am 3. Juli 1933 die Entlassung der jüdischen Tennislehrerin Anna Hemp. Im Mai 1933 hatte der arbeitslose Tennistrainer und Parteigenosse Hans Bonnie Hemp beim Leiter der NSDAP-Ortsgruppe Dornbusch denunziert. Als der Aufsichtsrat von der Anzeige erfuhr, entließ er die seit 1928 im Stadion unterrichtende Anna Hemp und übertrug das Tennistraining dem Denunzianten Bonnie.
Bis heute ist eine im Rahmen des Gauparteitags der NSDAP in Hessen-Nassau am 23. September 1933 abgehaltene Massenkundgebung die zahlenmäßig größte Veranstaltung in der Geschichte des Stadions. An dem Samstagnachmittag im September versammelten sich zwischen 150.000 und 200.000 NSDAP-Mitglieder auf der Fest- und Spielwiese, um Reichspropagandaminister Joseph Goebbels zu huldigen. Goebbels gab sich als Wolf im Schafspelz und stellte seine Rede ganz unter das Motto des Gauparteitags: „Arbeit und Friede!“ Bei dem parallel zum Gauparteitag am 23./24. September 1933 im Stadion veranstalteten SA-Sportfest maßen sich die Teilnehmer derweil in paramilitärischen Disziplinen wie „Alarmlauf“ oder „Handgranatenweitwurf“.
Der Feldzug der Nationalsozialisten gegen alle undeutschen und jüdischen Spuren im öffentlichen Raum trieb bisweilen seltsame Blüten. Während ein Gremium die Frankfurter Straßennamen nach Juden und Exponenten der Weimarer Republik durchforstete, betrieb Oberbürgermeister Friedrich Krebs persönlich die „Germanisierung“ des Stadions. Krebs störte der griechische Ursprung des Wortes „Stadion“. Da sich die Namengebung schwieriger als erwartet gestaltete, zog das Stadtoberhaupt im Oktober 1934 den Deutschen Sprachverein zu Rate. In einem umfänglichen Gutachten bemühte sich der Verein zunächst um den Nachweis der gotischen Wurzeln des im 19. Jahrhundert aus dem Englischen übernommenen „Sport“-Begriffs und brachte unter Bezug auf die mittelalterlichen „März- und Maifelder“ die Wortschöpfung „Sportfeld“ ins Spiel. Krebs nahm den Vorschlag an und verfügte im Januar 1935 die Umbenennung des Stadions in „Sportfeld Frankfurt“. Die bis zum Fahrplanwechsel im Dezember 2005 gültige Stations-Bezeichnung „Bahnhof Sportfeld“ war ein Überbleibsel aus der NS-Zeit.
Aus sportlicher Perspektive betrachtet, bildet der am 12. August 1939 von Rudolf Harbig aufgestellte 400-Meter-Weltrekord die Sternstunde in der Geschichte des „Sportfelds“. Die Frankfurter Sportgemeinde Eintracht hatte zu einem international besetzten Leichtathletik-Sportfest in die 1936 und 1938 in zwei Schritten von 37.000 auf mehr als 54.300 Plätze erweiterte Hauptkampfbahn eingeladen. Dabei war es den Veranstaltern gelungen, den Italiener Mario Lanzi dazu zu bewegen, in einem hochkarätigen 400-Meter-Einladungslauf gegen den Dresdner Harbig anzutreten. Als der in Paris ansässige Internationale Leichtathletik-Verband im November 1939 Harbigs Weltrekordzeit von 46,0 Sekunden bestätigte, herrschte bereits Krieg.
Der Betrieb auf dem „Sportfeld Frankfurt“ wurde nach dem deutschen Angriff auf Polen umgehend eingestellt und im November 1939 in eingeschränkter Form wieder aufgenommen. Die Wintersporthalle des „Sportfelds“ diente im Zweiten Weltkrieg nacheinander als Getreidespeicher, Möbeldepot für Fliegergeschädigte und Feldpostsammelstelle. Während die Frankfurter Innenstadt bei den schweren Luftangriffen 1943/44 in Schutt und Asche sank, blieb das außerhalb gelegene „Sportfeld“ von den Bombenteppichen weitestgehend verschont. Im Chaos der letzten Kriegstage verwüsteten Plünderer den verwaisten Sportkomplex.
Literatur::
Thomas Bauer: Frankfurter Waldstadion. 75 Jahre Sportgeschichte 1925-2000, hrsg. von der Stadion GmbH, Frankfurt 2000
Die Nationalsozialisten nutzten den Sport, um politischen und ideologischen Einfluss auf weite Bevölkerungskreise zu gewinnen. Selbst die scheinbar unverfängliche „Waldstadion“ genannte Sportanlage wurde in „Sportfeld“ arisiert.