Die Frankfurter Universität war 1914 mit Mitteln aus der Frankfurter Bürgerschaft, darunter zahlreiche jüdische Stifter, gegründet worden. Das NS-Regime vertrieb zunächst die jüdischen Stiftungsvertreter aus den Universitätsgremien und fasste dann die jüdischen Stiftungen unter neutralem Namen zwangsweise in der Frankfurter Universitätsstiftung zusammen, die auch nach Ende der NS-Herrschaft bestehen blieb, bis sie 1983 zusammen mit anderen Stiftungen in eine neue Sammelstiftung überging.
„Die Erträge ... dienen damit ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken der Deutschen Volksgemeinschaft …“ (Satzung der Frankfurter Universitätsstiftung von 1939).
Hauptmerkmal der am 19. Oktober 1914 eröffneten „Königlichen Universität Frankfurt am Main“ waren großzügige Zuwendungen von über 80 Bürgerinnen und Bürgern, die die Stiftungsuniversität mit einem Startkapital von mehr als 14 Millionen Mark zur bestausgestatteten Hochschule des Reiches nach der Berliner Universität machten. Durch die Unabhängigkeit von städtischen wie staatlichen Zuschüssen und damit auch von inhaltlicher Einflussnahme stand sie „in dieser Hinsicht“ – so charakterisierte es der Kulturhistoriker Wolfgang Schivelbusch – „den amerikanischen Prestige-Universitäten à la Harvard, Princeton, Yale näher als Heidelberg, Göttingen oder auch Berlin“.
Unter den Geldgebern befanden sich viele jüdische Stifter, die an ihre Spenden die Hoffnung auf völlige Emanzipation knüpften; denn noch immer blieb damals Juden zum Beispiel das Ordinariat an deutschen Hochschulen verschlossen. Als ein Novum wurde deshalb für die Frankfurter Universität festgelegt, dass sie „in Beziehung auf Religions- und Konfessionsverhältnisse eine gemischte und paritätische“ sei. Die Ernennung Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und die folgende „Gleichschaltung“ hatten tiefgreifende Konsequenzen für die Frankfurter Universität, die seit 1932 den Namen Goethes trug. Etwa ein Drittel des Lehrpersonals wurde als Juden und aus politischen Gründen zwangsweise „beurlaubt“. Vertreter und Vertreterinnen jüdischer Stiftungen erhielten die Aufforderung, aus Großem Rat und Kuratorium auszutreten. Ab 1939 gingen viele der nach jüdischen Mäzenen benannten Stiftungen – angeblich „zur Vereinfachung der Verwaltung“ – unter neutralen Bezeichnungen in Sammeleinrichtungen wie der Frankfurter Hochschulstiftung oder der Frankfurter Universitätsstiftung auf. So entstand letztere durch zwangsweise Vereinigung der zwischen 1909 und 1918 begründeten Stiftungen von Robert-Flersheim-, zum Andenken an Lucie Beit von Speyer-, von Leo Gans- und Wilhelm Merton mit Wirkung zum 1. Januar 1940.
Lucie Beit von Speyer-(Gedächtnis)-Stiftung
Der Bankier Eduard Beit von Speyer (1860-1933) und seine Ehefrau Hannah Luise (1878-1918), genannt Lucie, schenkten 1911, mit Urkunde vom 18. September 1912, als unselbstständige Stiftung den Betrag von 1.250.000 Mark für die Gründung der Universität Frankfurt. Die Eheleute gehörten zum führenden Bürgertum der Mainmetropole. Der 1910 geadelte Eduard von Speyer war seit 1896 Teilhaber des Bankhauses Lazard-Speyer-Ellissen, das er von 1902 bis 1931 leitete – zuletzt als Aufsichtsratsvorsitzender. Außerdem engagierte er sich sozial und wissenschaftlich. Eduard Beit von Speyer stockte die Stiftungssumme zum Andenken an seine im Jahr zuvor verstorbene Ehefrau 1919 um weitere 250.000 Mark auf. Der Vater von Lucie Beit von Speyer, James Speyer in New York, und seine Ehefrau gaben zudem eine Million Mark für eine Gedächtnisstiftung zum Andenken an ihre Tochter. Doch kurz darauf schrumpfte das Kapital der Zuwendung durch die Inflation beträchtlich: 1928 beim Zusammenlegen der Beit von Speyer-Stiftungen belief es sich gerade noch auf 32.132 Mark.
In Anerkennung seiner Verdienste erhielt Eduard Beit von Speyer, der auch dem Großen Rat der Universität angehörte, 1930 die Ehrenplakette der Stadt, außerdem war er Ehrenbürger der Frankfurter Universität. Die Verdienste der jüdischen Stifter in Kaiserzeit und Weimarer Republik galten in der NS-Zeit nichts mehr und sollten zudem aus dem öffentlichen Gedächtnis getilgt werden. Auch die Lucie Beit von Speyer-Gedächtnisstiftung ging wohl 1941 mit einem Vermögen von damals 118.000 Mark auf die Frankfurter Universitätsstiftung über.
Robert Flersheim-Stiftung
Der Frankfurter Kaufmann und Bankier Robert Flersheim und seine Gattin, die in einer heute denkmalgeschützten Villa in Bad Homburg lebten, beteiligten sich ebenfalls an den Gründungsstiftungen zu Gunsten der hiesigen Universität. Sie stellten am 31. Mai 1912 zur Förderung wissenschaftlicher Forschung und Lehre „für die zu Frankfurt a. M. zu errichtende Universität“ 200.000 Mark zur Verfügung. Per Magistratsbeschluss vom 4. Oktober 1912 nahm die Stadt die Schenkung an. Weitere bedeutende Stiftungen der Eheleute für universitäre Zwecke folgten bis Ende des Ersten Weltkriegs, darunter gemäß Testament von Robert Flersheim eine Million Mark nach seinem Tode am 10. Januar 1915. In seinem Vermächtnis vom 15. April 1909 stellte Flersheim klar: „Bei satzungsgemässen Bestimmungen für die Verwendung dieses Legats ist der Grundsatz festzulegen, daß keine Bevorzugung von Bekennern irgendeiner Religion eintreten darf.“
Im Zusammenhang mit der „Arisierung“ jüdischer Stiftungen wurde die Robert Flersheim-Stiftung 1941 in die Frankfurter Universitätsstiftung überführt. Die Stiftungsmittel hatten sich 1933 auf 555.642,50 Mark und 1936 sogar auf 667.552,40 Mark belaufen. Die Tilgung seines Namens hatte Flersheim den Nationalsozialisten unbeabsichtigt leicht gemacht, da er es „vollständig dem Ermessen des Magistrats respektive der Universität“ überlassen hatte, „ob und eventuell in welcher Weise“ sein Name „mit dieser Zuwendung in dauernde Verbindung gebracht werde“.
Leo Gans-Stiftung
Leo Gans (1843-1935), Mitbegründer der chemischen Fabrik Leopold Casella & Co., die 1925 im IG Farben-Konzern aufging, galt als einer der Wegbereiter industrieller Farbenherstellung. Gans gehörte dem Präsidium der Industrie- und Handelskammer an, war Erster Vorsitzender des Physikalischen Vereins und 1909 führend an der Ersten Internationalen Luftschifffahrtausstellung (ILA) in Frankfurt beteiligt. Als Mäzen in Kunst und Wissenschaft geschätzt, beteiligte sich Gans 1912 mit einer unselbstständigen Stiftung in Höhe von einer Million Goldmark maßgeblich an der Gründung der Universität Frankfurt (per Magistratsbeschluss am 4. Oktober 1912 angenommen) und ließ 1920 eine weitere Stiftung in Höhe von 75.000 Mark folgen.
Die Leo Gans-Stiftung hatte laut Schenkungsvertrag zwei Stimmen im 38-köpfigen Großen Rat der Universität. Leo Gans war zudem Mitglied des Kuratoriums. Die gerade ins Leben gerufene Alma Mater ernannte ihn zum Ehrensenator und verlieh Gans die Ehrendoktorwürde in Medizin und Naturwissenschaften. Die Stadt bedankte sich für sein außerordentlich vielfältiges soziales, wissenschaftliches und kulturelles Engagement 1928 mit Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Trotzdem musste der zum Protestantismus Konvertierte 1933 auf Druck der Nationalsozialisten all seinen Ämtern entsagen. Es verwundert nicht, dass die Nationalsozialisten nach dem November-Pogrom 1938 die Erinnerung an diesen für die Universitätsgründung so wichtigen Stifter tilgen wollten und seine Zuwendung zum 1. Januar 1940 namenlos in die Frankfurter Universitätsstiftung überführten.
Wilhelm Merton-Stiftung
Wilhelm Merton (1848-1916), der 1899 mit seinen vier Söhnen vom Judentum zum Protestantismus übertrat, war Gründer der Metallgesellschaft, der Metallurgischen Gesellschaft, der Berg- und Metallbank sowie der Schweizerischen Gesellschaft für Metallwerke mit weltweiten Beteiligungen. Er kann als einer der Väter der Frankfurter Stiftungsuniversität gelten. Obwohl der sozialreformerisch äußert Aktive zunächst Bedenken gegen die Erweiterung der von ihm 1901 mitbegründeten Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften zur Universität hatte, unterstütze Merton Oberbürgermeister Franz Adickes doch mit einem groß angelegten „Werbefeldzug“, der das notwendige Stiftungskapital zusammenbrachte. Merton selbst wandte 2,3 Millionen Mark für die Universitätsgründung auf. Er, der auch Mitgesellschafter der „Ausstellungs- und Festhallen-Gesellschaft mbh“ war, schenkte zudem 1912 seine Stammeinlage an dieser Gesellschaft im Wert von 100.000 Mark ebenfalls der zu gründenden Universität. Insgesamt engagierte er sich für die von ihm angeregte und geförderte fünfte Fakultät der Wirtschaftswissenschaften mit rund vier Millionen Mark. Selbstverständlich saß Merton auch im großen Rat der Universität sowie im Kuratorium.
Zum Andenken an seinen 1914 im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommenen jüngsten Sohn Adolf stifteten Merton und seine Gattin Emma 1914 nochmals 300.000 Mark für die Errichtung eines pädagogischen Lehrstuhls, des Adolf Merton-Instituts. Die staatliche Genehmigung erfolgte am 1. Juli 1916. Auch diese Stiftung wurde während der NS-Zeit in die Frankfurter Universitätsstiftung überführt und der Name für immer getilgt.
Neuordnung der Universitäts-Stiftungen nach 1945
„… allein die Zusammenfassung der Stiftungen (ergibt) einen nennenswerten Stiftungsbetrag …, der seinerseits wiederum Zinserlöse einbringt, die es erlauben, einen, allen Stiftungswidmungen gemeinsamen, Zweck merklich zu fördern. Dieser Zweck besteht in der Förderung von Wissenschaft in Forschung und Lehre.“ (Hartwig Kelm, 1982).
Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Erträge aus den vielen Stiftungen zu Gunsten der Universität erneut merklich gesunken. Das Kuratorium der Hochschule beschloss daher 1954 eine Neuordnung. Im Fall der Frankfurter Universitätsstiftung jedoch blieb es bei der Bezeichnung von 1939; die Erinnerung an die Großzügigkeit von Leo Gans, Wilhelm Merton, Robert Flersheim und die Familie Beit von Speyer als Stifter jüdischer Herkunft verblasst seither.
Eine weitere Zäsur gab es zu Beginn der 1980er Jahre, als die Universität eine Gesamtorganisation für die Stiftungen plante, deren Verwaltung die „Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main e. V.“ übernehmen sollte. Abweichend wurde schließlich beschlossen, die „Stiftung zur Förderung der internationalen wissenschaftlichen Beziehungen der Johann Wolfgang Goethe-Universität“ einzurichten, in der auch die Frankfurter Universitätsstiftung aufging. Auf die neue Institution wurde das Vermögen von zehn Stiftungen aus der Gründungs- und Konsolidierungsphase der Universität übertragen. Dies waren im Einzelnen die Frankfurter Universitätsstiftung (Stiftungskapital am 31. August 1983: 519.281,09 D-Mark / Barbestand 482.998,48 D-Mark), die Karl-Bardoff-Stiftung (22.612,50 D-Mark / 58.273,44 D-Mark), die Stiftung für die Naturwissenschaften und medizinische Lehre und Forschung (201,998,50 D-Mark / 231.981,51 D-Mark), die Heinrich- und Henriette-Mannberger-Stiftung (24.443,15 D-Mark / 24.926,53 D-Mark), die Eduard- und Alice-Marx-Stiftung (17.605,80 D-Mark / 20.033,17 D-Mark), die Stefan-Lorentz-Stiftung (245.266,00 D-Mark / 114.100,71 D-Mark) die Freiherr-Albrecht-von Bethmann-Gedächtnis-Stiftung (18.394,00 D-Mark / 16.789,59 D-Mark), das Vermächtnis Georg Hauck (7.766,40 D-Mark / 8.840,61 D-Mark), der Paul-Ehrlich-Fonds (29.128,10 D-Mark / 36.144,62 D-Mark) und die Jacob-Heinrich-Schiff-Stiftung (Stiftungskapital unbekannt).
Die aktuelle Zusammensetzung ihres Stiftungsrates, in dem unter anderen Mitglieder des Frankfurter Magistrats, der Jüdischen Gemeinde oder der „Vereinigung von Freunden und Förderern der Johann Wolfgang Goethe-Universität“ vertreten sind, erweist zumindest ideell dem Spektrum der Stifterpersönlichkeiten und ihren ursprünglichen Stiftungszwecken Reverenz. Sie kam aber nur auf Druck der Stiftungsaufsicht der Stadt Frankfurt am Main zustande, die gegen die Zusammenlegung der Stiftungen erhebliche Bedenken äußerte. Sie reklamierte, dass „die ursprünglichen Widmungen dieser Stiftungen weiterhin vollziehbar seien und die Zusammenfassung im Rahmen einer neuen Stiftung nicht zwingend erforderlich sei“. Explizit forderte sie die Universität auf, eine Stellungnahme der Jüdischen Gemeinde einzuholen. Dem kam der damalige Universitätspräsident Hartwig Kelm nach, „obgleich dazu meiner Meinung nach kein rechtlich zwingender Grund vorlag“.
Literatur
Hans Achinger, Wilhelm Merton in seiner Zeit. Frankfurt am Main 1963.
Paul Arnsberg, Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution. Darmstadt 1983, Bd. 2: Struktur und Aktivitäten der Frankfurter Juden, S. 297f.
Ursula Bartelsheim, Quellen zum Frankfurter Stiftungswesen im 19. Jahrhundert. Frankfurt am Main 1996 (Bd. 2 der Quellen zur Geschichte des Frankfurter Bürgertums, hrsg. von Lothar Gall).
Stiftung zur Förderung der internationalen wissenschaftlichen Beziehungen der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Hg.)/[Heike Drummer/Jutta Zwilling], Einblick. Die Stiftung zur Förderung der internationalen wissenschaftlichen Beziehungen der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Frankfurt am Main 2000.
Arno Lustiger (Hg.), Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main. Stiftungen, Schenkungen, Organisationen und Vereine mit Kurzbiografien jüdischer Bürger dargestellt von Gerhard Schiebler. Frankfurt am Main 1988.
Bruno Müller, neubearbeitet und fortgesetzt durch Hans-Otto Schembs, Stiftungen in Frankfurt am Main. Geschichte und Wirkung, Frankfurt am Main 2006.
Ralf Roth, Wilhelm Merton. Ein Weltbürger gründet eine Universität, Frankfurt am Main 2010.
Die Frankfurter Universität war 1914 mit Mitteln aus der Frankfurter Bürgerschaft, darunter zahlreiche jüdische Stifter, gegründet worden. Das NS-Regime vertrieb zunächst die jüdischen Stiftungsvertreter aus den Universitätsgremien und fasste dann die jüdischen Stiftungen unter neutralem Namen zwangsweise in der Frankfurter Universitätsstiftung zusammen, die auch nach Ende der NS-Herrschaft bestehen blieb, bis sie 1983 zusammen mit anderen Stiftungen in eine neue Sammelstiftung überging.