Die Sammlung Siegmund Levi

Dr. Siegmund Levi, geboren am 14. Juni 1864 in Mainz, studierte Jura in Gießen und promovierte ebendort. 1889 wurde er am Landgericht Mainz als Anwalt zugelassen. Gemeinsam mit seinem Bruder Max hatte er eine Kanzlei inne, welche er nach dessen Tod 1929 alleine weiterführte. Levi war in seinem Beruf sehr erfolgreich und Mitglied des Vorstands der Hessischen Anwaltskammer. Neben der Juristerei hatte auch die Kunst einen besonderen Stellenwert in seinem Leben. Er besaß eine vielfältige Kunstsammlung, wohl vor allem Grafik, Malerei, Teppiche und Silber, sowie eine umfassende Bibliothek. Im Handbuch des Kunstmarktes von 1926 ist er als Sammler und Bibliophiler in Mainz mit seinem damaligen Wohnort in bester Lage, an der Uferstraße 57e, aufgelistet. Das Haus in der Uferstraße war rund 800 qm groß und bot neben einer Bibliothek, einem Ess- und Wohnraum, einem Wohnzimmer, einem Empfangsraum, einem Vestibül sowie Lichthof, auch mehrere Schlafzimmer und genügend Platz für seine Kunstsammlung. Ab 1932 war auch Levis Kanzlei in den Räumlichkeiten untergebracht gewesen. Mit seiner bereits 1917 verstorbenen Frau Emma Levi (geb. 30.3.1881), geborene Oppenheim, hatte er zwei Söhne. Während sein Sohn Richard (geb. 22.7.1904) 1937 nach Argentinien emigrierte, war der zweite Sohn Wilhelm (geb. 13.11.1901) bereits 1931 verstorben.

 

Als Jude, wurde Siegmund Levi nach 1933 Opfer der Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Seit der Machtübernahme hatte sich seine Situation verfolgungsbedingt zunehmend verschlimmert, 1938 gab er dann schlussendlich seine Zulassung als Rechtsanwalt auf und musste sein Elternhaus an der Uferstraße 57e sowie den Großteil seiner Kunstsammlung und Bibliothek veräußern. Im Bestand des Hessischen Hauptstaatsarchivs findet sich in der Steuerakte Siegmund Levis der Hinweis auf den Verkauf eines Teils seiner Sammlung am 8. und 9. Juni 1937 bei Max Perl in Berlin. Die Recherchen identifizierten ihn als den Einlieferer mit dem Kürzel „L“ welcher 22 Kunstobjekte mit einem geschätzten Gesamtwert von 2.065 RM in die Auktion einbrachte digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/perl1937_06_08. Kurz danach verkaufte er auch bei Heinrich Hahn www.frankfurt1933-1945.de/beitraege/kunst-und-kulturraub/beitrag/das-kunstauktionshaus-heinrich-hahn in Frankfurt Teile seiner Sammlung als Einlieferer Nr. 626. Als der Sohn Richard Levi 1937 das Land verließ, erhielt er von seinem Vater wohl einige Gemälde aus seiner Sammlung, die er mit auf die Reise nahm. Um was für Werke es sich dabei handelt ist nicht bekannt, die Gemälde sollen 40 Jahre später bei einer Überführung von Argentinien nach Mexico gestohlen worden sein.

 

Nachdem Levi seinen Beruf aufgegeben hatte, sein einzig lebender Sohn emigriert war und er sein Haus veräußert hatte, zog er 1938 nach Frankfurt zur Familie seines Bruders Ernst kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Sonderausstellungen/MaxBeckmann/Objekte/01ZeitVorExil/beckmann-brief-levi.html. Ernst Levi war Richter in Frankfurt, ebenfalls Kunstkenner und -sammler und verheiratet mit der Violinistin Martha Levi. Verfolgungsbedingt emigrierten auch sie, wie ihre drei Kinder, in die USA. Richard Levi gab später an, dass sein Vater bis auf einige Druckgrafiken, Silber, ein paar Gemälde, Bücher und einigen Möbeln kaum etwas aus der Uferstraße in Mainz mit nach Frankfurt nehmen konnte. Zu Beginn des Jahres 1938, also kurz vor oder während seines Umzugs nach Frankfurt, veräußerte Siegmund Levi 21 seiner Grafiken, Fotografien und Theaterzettel an das Stadtarchiv Mainz sowie eine Erkennungsmarke aus Messing an das Münzkabinett des Stadtarchivs. Auch nach Levis Umzug nach Frankfurt, veräußerte dieser sukzessive immer wieder Teile seiner verbliebenen Sammlung. Hinweise auf solche Verkäufe lieferte unter anderem die Devisenakte Siegmund Levis, die sich ebenfalls im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden befindet. Aus dieser geht hervor, dass Levi möglicherweise im Dezember 1941 Verkäufe über das Antiquariat Hase in Frankfurt am Main, sicher aber im Januar 1940 über Julius Jäger in Wiesbaden getätigt hat. Der ab 1957 als Testamentsvollstrecker agierende Joseph Christ listet 1963 neben den bereits benannten Verkäufen auch solche beim Versteigerungshaus Anton Dapper (Mainz), bei Otto Schweppenhäuser (Frankfurt a.M.), beim Versteigerungshaus Hans Fischer (Frankfurt a.M.), bei Olga Kuhnen (Frankfurt a.M.) sowie bei der Firma „Verkauf aus Frankfurter Altbesitz“ (Frankfurt a.M.) auf www.frankfurt1933-1945.de/beitraege/boykott-und-arisierung/beitrag/die-versteigerungen-juedischen-eigentums-in-frankfurt-1941-1944. Was genau dort versteigert wurde geht nicht aus den Akten hervor. Sicher ist, dass Siegmund Levi seine verbliebene Münz- und Silbersammlung 1939 im städtischen Pfandleihhaus in Frankfurt abgeben musste. 1941 zog er in die Bockenheimer Landstraße in Frankfurt, wo er eine kleine Wohnung mit Balkon und Verpflegung bewohnte. Dort lebte er bis zu seiner Deportation am 18. August 1942. Alle nicht von Siegmund Levi veräußerten Vermögenswerte wurden am 8. September 1942 zu Gunsten des Deutschen Reichs eingezogen. Siegmund Levi starb am 2. Februar 1943 in Theresienstadt www.shoah-memorial-frankfurt.de.

 

Nach 1945 wurden verschiedenste Entschädigungsverfahren nach dem Bundesrückerstattungs- und Bundesentschädigungsgesetztes von Richard Levi, inzwischen Ricardo genannt, angestoßen, mit dem Ergebnis, dass einige, geringere Entschädigungen gezahlt wurden. Das Frankfurter Städel Museum gab 2012 ein kleines Gemälde an die Erben Levis zurück. Auch die Stadt Mainz restituierte im Jahr 2011 die oben benannte Erkennungsmarke aus Messing, welche 1938 aus der Sammlung Siegmund Levi für das Münzkabinett erworben wurde.

 

Quellen

Fold 3.com: Ardelia Hall Collection, Wiesbaden, Administrativ Records, Artdealers in Hesse: Margarete Hahn, Bl. 19 und 21 [letzter Zugriff: 16.12.2022].

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Abt. 518, Nr. 20287; Abt. 519/N, Nr. 14 238 N; Abt. 519/N, Nr. 22 887 N; Abt. 676, Nr. 7416; Abt. 519/3, Nr. 3156.

Hessisches Staatsarchiv Darmstadt: G 21 B Nr. 5264.

Institut für Stadtgeschichte Frankfurt: A.12.03., Hausstandsbuch Nr. 1951, Zeppelinallee, Siegmund Levi; T.02.06.03 NS-Verfolgte (A.54.03), 51/73, 3.882, Levi, Siegmund, Dr. jur., Reg. Nr. 03637.

Landesarchiv Speyer: J10, 11320, Personalakte Siegmund Levi.

Stadtarchiv Mainz: NL Oppenheim, 46,2; Zugangsverzeichnis 1938; Familienregistereintrag Nr. 33553.

Hausarchiv Landesmuseum Mainz: Schreiben von Rose Marie Whalley an Dr. Tillmann Krach, 19. Februar 2001 [freundlicherweise von Herrn Krach übersandt].

 

Literatur

Handbuch des Kunstmarkts. Kunstadressbuch für das Deutsche Reich, Danzig und Deutsch-Österreich, Geleitwort von Dr. Max Osborn, Berlin 1926.

Kunsthaus Heinrich Hahn [Hg.], Sammlung Carl u. O. J. - mittelalterliche Plastik, Gemälde: Nachlaß M. E. - Barockmöbel, Porzellan; Fayence-Sammlung Rat F. [...], 26. und 27. Oktober 1937, Katalog Nr. 52, Frankfurt am Main 1937.

Max Perl [Hg.], Graphik-Handbücher, Graphik des 15. - 19. Jahrhunderts, Handzeichnungen, Städteansichten, japanische und chinesische Rollbilder und Farbenholzschnitte, Bücher des 15. - 20. Jahrhunderts, Exlibris: […]  Auktion Nr. 197, 8. und 9. Juni 1937, Berlin 1937.

Tillmann Krach, „…fühlte mich durchaus als Deutscher…“. Das Schicksal Mainzer Anwälte jüdischer Herkunft nach 1933, Köln 2007.

Tillmann Krach, Dr. Bernhard und Rosa Levi, in: Der neue jüdische Friedhof in Mainz, Sonderheft der Mainzer Geschichtsblätter, Mainz 2013, S. 183-186.

Bettina Leder / Christoph Schneider / Katharina Stengel, Ausgeplündert und verwaltet, in: Geschichten vom legalisierten Raub an Juden in Hessen, Berlin 2018, S. 423-426.

Frank Teske, Siegmund Levi und die „Gleichschaltung“ des MAV, in: Eine Zeitreise in 175 Geschichten, Mainz 2019, S. 212f.

 

Die Recherchen zur Sammlung Siegmund Levi wurden im Rahmen eines vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste und der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz finanzierten Provenienzforschungs-Projekts am Landesmuseum Mainz durchgeführt.

Siegmund Levi wurde am 14. Juni 1864 in Mainz geboren. Er war ein erfolgreicher Jurist mit besonderer Sammelleidenschaft. Wertvolle Bücher, Teppiche, Münzen, Porzellane, Grafik und Gemälde füllten sein rund 800qm großes Haus. Als Jude von den Nationalsozialisten verfolgt, musste er all Dies sukzessive veräußern und zog 1938 nach Frankfurt in eine kleine Pension. Von dort aus wurde er 1942 deportiert. Er starb am 2. Februar 1943 in Theresienstadt.



Autor/in: Dorothee Glawe
erstellt am 16.04.2023
 

Verwandte Personen

Levi, Siegmund

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