Die Frankfurter Polizei im Nationalsozialismus

Hissen der Hakenkreuzfahne auf dem Frankfurter Polizeipräsidium am 8. März 1933, zeitgenössische Fotografie

Frankfurter Schutzpolizisten („Schupos“) vor der Polizeiwache am Hauptbahnhof, Ca. 1939/40

Verkehrspolizist an der Ecke Kaiserstraße/Hindenburgplatz (heute Am Hauptbahnhof), ca. 1936.

Geschichte der Frankfurter Polizei während der NS-Zeit.

 

Am Tage der Machtübernahme am 30. Januar 1933 durch die Nationalsozialisten hatten in der Weimarer Republik die inneren Unruhen ihren Höhepunkt erreicht. Die Hoffnungen vieler Deutscher ruhten jetzt auf Adolf Hitler, der vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wurde. Diejenigen, die sich von diesem politischen Wandel eine Besserung ihrer Lebensverhältnisse versprochen hatten, ahnten damals noch nicht, welches Unglück damit über Deutschland und ganz Europa hereingebrochen war.

Vor diesem Hintergrund ist es auch heute zu erklären, dass den neuen Machthabern nur wenig Widerstand entgegengebracht wurde. Den Nationalsozialisten gelang es daher überraschend schnell, den Sicherheitsapparat überall in Deutschland in ihre Hände zu bekommen. Schon am 22. Februar 1933, nicht einmal vier Wochen nach der Machtübernahme, ernannte der damalige Reichskommissar für das Innenministerium in Preußen, Hermann Göring, die SA zur Hilfspolizei. Damit waren Terror und Willkür staatlich sanktioniert. Überall in Deutschland stand die Polizei unter dem direkten Einfluss der SA. Alle Grundrechte der Weimarer Verfassung wurden von den braunen Machthabern ausgehebelt und somit über Nacht illusorisch. Wohnungsdurchsuchungen und die Verhaftung politischer Gegner oder Verdächtiger waren nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 auch in Frankfurt an der Tagesordnung. Die Festgenommenen wurden zur Klinger-Oberrealschule in der Bergerstraße verbracht, wo sie teilweise schlimme Misshandlungen durch die SA über sich ergehen lassen mussten. Vor allem hatten Kommunisten und Sozialdemokraten unter diesen willkürlichen Verfolgungen zu leiden. Gewerkschaftshäuser und auch Zeitungsredaktionen wurden besetzt.

Schon nach drei Monaten ging man daran, alle Behörden im Sinne der neuen Machthaber zu „säubern“ und umzugestalten. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 hatte man alle Beamten, die nicht die Gewähr dafür boten, sich rückhaltlos für den nationalsozialistischen Staat einzusetzen, ohne Pensionsansprüche aus dem Dienst entfernt. Die Säuberungswelle traf die Frankfurter Polizei besonders hart. Viele ihrer Beamten, vor allem Führungskräfte, standen im Widerspruch zum nationalsozialistischen Gedankengut. Nach einer im Jahre 1946 aufgefundenen Mitgliederliste gehörten der am 11. Juli 1932 gegründeten NS-Beamtenschaft Polizei lediglich 18 Offiziere und 23 Wachtmeister an. Durch einen Führererlass vom 21. April 1933 war festgelegt, dass der innere Aufbau der Polizei Angelegenheit der zuständigen SA- und SS-Führer war. Nach der Ablösung des letzten demokratischen Polizeipräsidenten Ludwig Steinberg wurde bereits am 15. Februar 1933 der SA-Standartenführer Generalmajor a. D. Reinhard von Westrem zu Gutacker mit der Leitung der Polizeibehörde vom damaligen Stabschef der SA, Ernst Röhm, beauftragt. Doch schon bald geriet von Westrem in Konflikt zur obersten SA-Führung. Wiederholt führte er Klage gegen das rüde Vorgehen von SA- und SS-Männern, die als Hilfspolizisten einen regelrechten Terror gegen Andersdenkende, vor allem gegen Juden, ausübten. In folgendem Schreiben wurde von Westrem aufgefordert, die Polizei künftig im Sinne der SA zu führen:

„Ich nehme Ihr Verhalten zum Anlass, Ihnen ausdrücklich mitzuteilen, dass sämtliche Polizeipräsidien nicht deshalb mit SA-Führern besetzt worden sind, damit diese Beamte werden, sondern zu dem Zweck, dass die Polizeipräsidien ausschließlich von SA-Führern beherrscht werden. Auch Sie sind zu diesem Zwecke Polizeipräsident geworden. Ich habe Ihnen schon mit Brief vom 23.3. geschrieben, dass es sich für uns als die Begründer einer neuen Staatsauffassung und einer neuen Staatsordnung nicht so sehr darum handelt, dass Gesetzesbestimmungen und Paragraphen einer im Absterben befindlichen Rechtsordnung ihre Erfüllung finden, als darum, dass unsere Richtschnur des Handelns wird: Recht ist, was der Bewegung nützt, Unrecht, was ihr schadet. In einer Zeit großer Umwälzungen sind eben auch Begriffe wie der von der Wahrung der Staatsautorität wandelbar.

Ich muss ernst bitten, in jeder staatlichen Verwendung, in die ich Sie als SA-Führer kommandiere, ausschließlich nach diesen Gesichtspunkten zu handeln. Wenn es sich für mich nur darum gehandelt hätte, abgesetzte Beamte durch andere zu ersetzen, so würde ich meine SA-Führer nicht für staatliche Stellen hergeben. Es handelt sich ausschließlich darum, dass die Polizeipräsidien SA-mäßig geführt werden und dadurch dazu beitragen, die Nationalsozialistische Revolution weitertragen zu helfen.
Gez.: Röhm (Stabschef der SA)“

Von Westrem lag auch dann nicht auf gleicher Linie mit der SA-Führung und wurde nach einer kurzen Amtszeit unter Verlust seines SA-Dienstgrades wieder abgesetzt und aus der SA ausgeschlossen. Seine Nachfolge trat der SA-Führer Adolf Heinrich Beckerle an.

Am 17. Juni 1936 wurde die Polizei im Reichsinnenministerium reichseinheitlich neu gegliedert und dem Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler unterstellt. Mit der Aufstellung einer Ordnungspolizei und einer Sicherheitspolizei wurden zwei Bereiche gebildet. Die Ordnungspolizei, zu ihr gehörten Schutzpolizei, Gendarmerie und Gemeindepolizei, wurde dem General der Landespolizei Kurt Dalague und die Sicherheitspolizei mit ihren Untergliederungen Kriminalpolizei und Politische Polizei dem SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich unterstellt. Bereits 1936 war die Ordnungspolizei mit der Organisation von Luftschutzmaßnahmen befasst, was damals schon auf Kriegsvorbereitungen schließen ließ. Auch das Feuerlöschwesen gehörte in die Zuständigkeit der Polizei.

Zu einer der gefürchtetsten Einrichtungen des NS-Terrorregimes zählte die Geheime Staatspolizei, Gestapo, die aus der Politischen Polizei hervorgegangen war. Der Aufbau sowie die verbrecherischen Aktivitäten der Frankfurter Gestapo lassen sich heute nur noch mühevoll rekonstruieren. Schon im Januar 1945 wurden grob geschätzt hunderttausend Akten mit belastendem Material vernichtet. Durch eine weitere Umorganisation wurde eine Administration geschaffen, die der Polizei übergeordnet war. Sie war nicht mehr nach den Regierungspräsidien, sondern nach neu geschaffenen SS-Oberabschnitten ausgerichtet, die höheren SS-Führern unterstanden. Die Frankfurter Gestapo gehörte zu den SS-Oberabschnitten „Fulda/Werra“ mit Sitz in Kassel und „Rhein“ mit dem Verwaltungszentrum Wiesbaden. Organisatorisch war sie in drei Abteilungen, und zwar in Verwaltung, Exekutive und Spionageabwehr, unterteilt. Die einzelnen Abteilungen enthielten weitere Untergliederungen mit 15 Referaten und 35 Sachgebieten. Zunächst war die Gestapo im Polizeipräsidium untergebracht. Bedingt durch ihre ständige Erweiterung bezog sie 1936 in der Bürgerstraße, heute Wilhelm-Leuschner-Straße 22, eigene Diensträume. Im Dezember 1939 erwarb die Gestapo in der Lindenstraße 27 ein eigenes Dienstgebäude, das im April 1941 bezogen wurde.

Die Gestapo verfügte über eine nahezu unbegrenzte Eigenmacht. Sie konnte selbstständig die Einweisung in ein Konzentrationslager oder Arbeitserziehungslager (AEL) anordnen. Dabei bediente sie sich eines Heers von Spitzeln und V-Leuten. Noch Anfang 1945 verfügte sie über 250 bis 300 V-Leute und etwa 500 Spitzel. Im Hauptpostamt auf der Zeil befand sich ein getarntes Fach, in das jeder geheime Mitarbeiter monatlich seinen Bericht abzulegen hatte. Durch zahlreiche Denunziationen kam die Gestapo Widerstandsnestern in Frankfurter Betrieben auf die Spur, so bei den Firmen Breuer, Adler, Teves, Heddernheimer Kupferwerke und beim Postamt 9. Es kam zu zahlreichen Verhaftungen und Einweisungen in Konzentrationslager. Den härtesten Schlag führte die Gestapo gegen eine kommunistische Widerstandsgruppe beim Bahnpostamt 9. Sieben Widerstandskämpfer wurden vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und am 7. September 1942 im Gefängnis Preungesheim hingerichtet.

Zur Unterbringung ihrer Festgenommenen standen der Gestapo neben dem Polizeigefängnis in der Klapperfeldstraße noch weitere so genannte Notgefängnisse in der Rödelheimer Straße 10/12 in Bockenheim und in der Gutleutstraße 13 sowie das Untersuchungsgefängnis in der Hammelsgasse zur Verfügung. Auf dem Gelände der VDM in Heddernheim unterhielt sie außerdem seit dem 1. April 1941 ein Arbeitserziehungslager für männliche Häftlinge, das ab 1943 als erweitertes Polizeigefängnis und auch als Durchgangslager für jüdische Häftlinge bei ihrem Transport in die Konzentrationslager genutzt wurde. Bis zum Kriegsende sollen hier bis zu 10.000 Personen inhaftiert gewesen sein. Ein Überblick über die Deportation von Juden in den Jahren 1941 bis 1944 macht die unmenschliche Grausamkeit der Nazi-Diktatur deutlich. In einer Aufstellung der Gestapo waren 12.037 Personen aufgeführt, die von Frankfurt aus in die Konzentrationslager verschleppt wurden. Das gesamte Ausmaß des Schreckens lässt sich heute nicht mehr erfassen. Noch vor der Verlegung der Gestapo-Leitstelle Frankfurt nach Alsfeld in Oberhessen am 26. März 1945 wurden sämtliche Unterlagen kurz vor dem Einmarsch der US-Truppen vernichtet.

Mit der Ernennung von Heinrich Himmler zum Chef der deutschen Polizei erfolgte ein verhängnisvoller Einschnitt in die innere Struktur der Polizei. Als Leiter der Allgemeinen SS und des Reichssicherheitshauptamtes und seit 1936 auch als Reichsinnenminister bereitete er Zug um Zug die Übernahme der Polizei in die SS vor. Schon nach dem so genannten Röhmputsch wurden alle SA-Führer von ihren Ämtern als Polizeipräsidenten abgelöst und durch höhere SS-Führer ersetzt. Zum neuen Polizeipräsidenten in Frankfurt wurde am 1. Juli 1941 SS-Oberführer Karl Albrecht Oberg ernannt, der jedoch sein Amt nie angetreten hatte und später als höherer Polizeiführer in Paris bekannt wurde, als er versucht hatte, am Attentat auf Hitler beteiligte Wehrmachtsoffiziere zu decken. Erst im Januar 1943 wurde die Stelle des Polizeipräsidenten mit Friedrich Ludwig Stollberg wieder besetzt. Dass man sich mit der Besetzung des verwaisten Postens so viel Zeit ließ, macht deutlich, wie unwichtig dieses Amt inzwischen geworden war.

War der Eintritt von Polizeibeamten in die SS im Rahmen der kooperativen Übernahme noch freiwillig, so verfügte Himmler vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges per Erlass die Übernahme der gesamten Polizei. Zur gleichen Zeit beschloss Himmler die Aufstellung von Polizeiregimentern, deren Aufgabe darin bestehen sollte, die Sicherheit und Ordnung in den von deutschen Truppen besetzten Ostgebieten aufrechtzuerhalten. Bei ihren Einsätzen unterstanden sie jedoch später dem Sicherheitsdienst (SD) und waren somit an zahlreichen Grausamkeiten vor allem an der jüdischen Bevölkerung beteiligt. Auch in der Frankfurter Gutleutkaserne wurden Polizeibataillone aufgestellt. Sie setzten sich vorwiegend aus jüngeren Polizeibeamten, aber auch aus Wehrpflichtigen zusammen. Das in Frankfurt aufgestellte Polizeibatallion 306 machte in dieser Zeit besonders auf sich aufmerksam. Gemeinsam mit dem SD wirkte es in den Jahren 1941 bis 1942 in Polen bei der Räumung von jüdischen Ghettos und bei der Erschießung von Juden und russischen Kriegsgefangenen mit. Ein späterer Prozess (1960/61), bei dem sechs Polizeioffiziere angeklagt waren und 120 Zeugen vernommen wurden, zeigte das erschreckende Ausmaß der Verstrickung der Polizei mit dem SS-Staat.

Mit der Übernahme der Polizei in die SS war das verwirklicht, was sich schon kurz nach der Machtübernahme abzuzeichnen begann. Die Polizei war vollends im Sinne der Nationalsozialisten umgeformt. Alle Rechts- und Polizeibegriffe vermischten sich restlos. Zwar blieben die Polizeigesetze formell bestehen, jedoch mussten alle Vorschriften im Sinne des Nationalsozialismus ausgelegt werden. Im Reichsverordnungsblatt (RVBL) 1935, Seite 1045, war bestimmt, dass die Auslegung der Thesen des Parteiprogramms sowie Hitlers Reden geltendes Recht bedeuteten. Die Maßnahmen der Polizei durften in keiner Weise mit dem nationalsozialistischen Gedankengut in Widerspruch stehen. Alle Fälle mussten nach „gesundem Volksempfinden“ und nach der NS-Formel „Recht ist was dem Volke nützt, Unrecht, was ihm schadet“ entschieden werden.

Für die heutige Generation ist es nur sehr schwer zu verstehen, wie der Verlust von freiheitlichen Rechten sowie Rassenwahn und Barbarei gegenüber politisch Andersdenkenden innerhalb der Polizei, die noch vor der „Machtergreifung“ zum großen Teil demokratisch gesinnt war, so widerstandslos hingenommen wurde. Sicher war Widerstand gegen ein solches nach allen Seiten abgesichertes, brutales Machtsystem ein lebensgefährliches Unterfangen. Dennoch gab es in dieser Zeit Beamte, die sich gegen die Maßnahmen der Machthaber stellten und dabei ihr Leben riskierten. Der Spionageabwehrchef der Frankfurter Gestapo, Kriminalrat Ernst Schmidt, unterhielt Kontakte zu Widerstandskreisen und verhalf gefährdeten Personen zur Flucht ins Ausland, bis er 1944 verhaftet und in ein Konzentrationslager eingeliefert wurde. Auch dem Leiter der Politischen Polizei, Ferdinand Mührdel, der von den Nationalsozialisten am 1. März 1933 aus dem Amt entfernt wurde, gelang es noch, über 40.000 Akten von gefährdeten Personen zu beseitigen. Besonderen Mut bewies auch Polizeimeister Otto Kaspar, nach dem eine Straße direkt hinter dem neuen Polizeipräsidium benannt wurde. Es gehörte damals mit zur Aufgabe der Polizei, anhand von Meldekarteien jüdische Familien ausfindig zu machen, die nicht der jüdischen Gemeinde angehörten und somit auch nicht in deren Listen zu finden waren. Otto Kaspar fälschte unter großer Gefahr die Eintragungen in der Meldekartei und bewahrte damit die jüdische Familie Sänger vor dem Abtransport in ein Konzentrationslager. Der Sohn, Valentin, setzte später dem Retter seiner Familie in seinem Buch „Kaiserhofstraße 10“ ein literarisches Denkmal.

Mit der Fortdauer des Krieges wurden immer mehr kriegsdiensttaugliche Polizeibeamte zur Wehrmacht eingezogen. Der Polizeidienst in der Stadt wurde nur noch von älteren Polizeireservisten aufrechterhalten. Beim Heranrücken der amerikanischen Truppen im März 1945 war auch die Polizei zur Verteidigung der Stadt eingesetzt. Nach der Besetzung Frankfurts am 29. März versuchten die Amerikaner sofort, eine funktionsfähige Verwaltung und Polizei aufzubauen. Der Versuch gelang nur mühsam. Nur wenige wollten in dieser schweren Zeit Verantwortung übernehmen. Dennoch waren es die ersten Anfänge auf dem Wege zur Demokratie und zu einer freiheitlich demokratischen Polizeibehörde.

 

Literatur

 

Volker Eichler, Organisation, Struktur und Schriftgutüberlieferung der Gestapo in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1999

Karl Schäfer, 20 Jahre im Polizeidienst, Heusenstamm 1977

Gerhard Paul/Klaus-Michael Mallmann, Die Gestapo im Zweiten Weltkrieg, Darmstadt 2000

Armin Schmid, Frankfurt im Feuersturm, Frankfurt am Main 1965.

Friedrich Wilhelm, Die Polizei im NS-Staat, Paderborn 1999

Kurt Kraus, Die Frankfurter Polizei im Wandel der Zeiten, Gackenbach 1990

Institut für Stadtgeschichte (Hg.), Frankfurt am Main: Lindenstraße. Gestapozentrale und Widerstand, Frankfurt am Main 1996

Geschichte der Frankfurter Polizei während der NS-Zeit



Autor/in: Kurt Kraus
erstellt am 01.01.2003
 

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Schäfer, Karl

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Polizeibataillon

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