Karl Fehler: Schlüsselfigur des kommunistischen Widerstands in Hessen

Karl Fehler wuchs in einer „klassenbewussten“ Frankfurter Arbeiterfamilie auf. Er absolvierte eine Ausbildung zum Holzarbeiter und schloss sich schon in jungen Jahren der „Sozialistischen Arbeiterjugend“ an. 1921 trat er der Kommunistischen Jugend Deutschlands (KJD) bei und wurde 1925 Mitglied der KPD, wo er zunächst als Kassierer tätig war. In der folgenden Zeit wurde er Mitglied in zahlreichen KPD-nahen Verbänden wie der „Revolutionären Gewerkschaftsopposition“ und der „Roten Hilfe“. Im Jahr 1928 reiste er im Auftrag seiner Partei zu Schulungszecken in die Sowjetunion. Schon bald nach seiner Rückkehr avancierte er zu einem kommunistischen Spitzenfunktionär und war Anfang 1933 schließlich als KPD-Oberbezirksleiter für ganz Südwestdeutschland zuständig.

 

Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler kandidierte Fehler trotz der sich verschärfenden staatlichen Verfolgungen von Mitgliedern der KPD bei den preußischen Kommunalwahlen vom 12. März 1933 erfolgreich für das Frankfurter Stadtparlament. Nachdem aber der kommissarische preußische Innenminister Hermann Göring am 20. März 1933 sämtlichen Kommunisten wegen des Generalverdachts des Hochverrats jegliche politische Betätigung untersagt hatte, wurde Fehler zur konstituierenden Sitzung des Frankfurter Stadtparlaments am 31. März 1933 nicht mehr geladen und somit auch nicht mehr verpflichtet.

 

Im Februar 1933 übernahm Fehler zusätzlich die Leitung des sogenannten „Militärpolitischen Apparates“ („Abwehr-Apparat“) der KPD sowie die „Leitung der Konspirative“ (LK) für den Bezirk Frankfurt-Hessen. Damit hatte er die Aufgabe übernommen, seine Genossen vor Aktionen der Gestapo abzusichern und die Logistik der Frankfurter KPD-Bezirksleitung auch nach den Verhaftungen zahlreicher Parteimitglieder in der Illegalität weiterhin aufrecht zu erhalten. Auch organisierte er die Verbreitung verbotener kommunistischer Druckschriften, die wöchentlich über einen Kurier aus dem Saarland nach Frankfurt am Main eingeschleust wurden. Nach einer mehrwöchigen Überwachung durch die Gestapo Trier und die Gestapo Frankfurt wurde Fehler schließlich in der Nacht zum 1. Mai 1934 bei der Übergabe von KPD-Flugschriften verhaftet und nach neun Tagen dem Haftrichter vorgeführt. Dieser erstellte einen Haftbefehl wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ und ließ ihn in das Frankfurter Gerichtsgefängnis in der Hammelsgasse einliefern.

 

Von dort wurde er am 6. August 1934 in das Gerichtsgefängnis Kassel überführt. In dem anschließenden Prozess vor dem Kasseler Oberlandesgericht wurde Fehler beschuldigt, seit 1934 als Mitglied der „illegalen“ Frankfurter KPD-Bezirksleitung den Vertrieb verbotener, gegen die „nationale Regierung“ gerichteter kommunistischer „Hetzschriften“ in Frankfurt am Main organisiert zu haben und als Verbindungsmann für das Saargebiet zuständig gewesen zu sein. Dem Gericht war aber die eigentliche Funktion Fehlers als KPD-Spitzenfunktionär bzw. Leiter des „Militärpolitischen Apparates“ der KPD für den Bezirk Hessen-Frankfurt im August 1934 noch nicht bekannt, obwohl die Gestapo in Trier bereits seit April 1934 über diesen Sachverhalt informiert war.

 

Da Fehler die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen der „illegalen“ Literaturbeschaffung vor Gericht freimütig eingestanden, jedoch jegliche belastenden Aussagen über seine Parteigenossen verweigert hatte, sah der Senat des Kasseler Oberlandesgerichts ihn ungeachtet seiner erheblichen kommunistischen Agitationsarbeit als einen „geschlossenen Charakter“ an, dem man „menschliche Achtung“ nicht versagen könne. Da Fehler aus Sicht des Gerichts für den „neuen Staat“ gewonnen werden sollte, verzichtete man bei ihm auf die übliche Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Das OLG Kassel verurteilte ihn am 10. August 1934 wegen „Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens“ unter Anrechnung der erlittenen Untersuchungshaft zu einer Zuchthausstrafe von fünf Jahren, die er in der Strafanstalt Kassel-Wehlheiden verbüßte. Fehlers Frau Anni war bereits vor der Verkündung des Urteils im Juni 1934 mitsamt ihren Kindern Lydia und Karl zunächst in das noch unter französischer Verwaltung stehende Saargebiet (Saarbrücken) und Anfang 1935 nach der dortigen prodeutschen Volksabstimmung schließlich nach Paris geflohen. Von dort wanderte die Familie im Sommer 1935 ohne den noch inhaftierten Karl Fehler mit Hilfe der kommunistischen Emigrantenkommission in die Sowjetunion aus.

 

Am 7. Mai 1938 wurde Karl Fehler aus der Strafanstalt Kassel-Wehlheiden in das Untersuchungsgefängnis in Frankfurt am Main eingeliefert und am 21. Mai 1938 in das Frankfurter Polizeigefängnis überführt. Dort versuchten die Gestapobeamten Bauer und Huber ihn wegen seiner Kenntnisse der illegalen Strukturen der KPD durch Folter und Isolationshaft zu einer Aussage zu zwingen. Laut Aussagen von Zeitzeugen habe Fehler jedoch „eisern geschwiegen“ und keinen seiner Genossen verraten. Nach Beendigung der Gestapo-Verhöre wurde er wieder in die Strafanstalt Kassel-Wehlheiden überführt. Da ihm seine ab dem 9. Mai 1934 bis 10. August 1934 verbüßte Untersuchungshaft auf die fünfjährige Zuchthausstrafe angerechnet worden war, entließ man ihn am 9. Mai 1939 aus der Haft.

 

Am 23. Juni 1941 wurde Fehler erneut in „Schutzhaft“ genommen. Es ist anzunehmen, dass  der Gestapo zu diesem Zeitpunkt aufgrund erpresster Aussagen verhafteter Frankfurter Kommunisten seine eigentliche Funktion als Leiter des „Militärpolitischen Apparates“ des KPD-Bezirks Frankfurt-Hessen bekannt geworden war. Gegen Fehler wurde nach seiner Verhaftung jedoch kein gerichtliches Verfahren mehr eingeleitet. Auch einem Haftrichter ist er nicht mehr vorgeführt worden. Stattdessen überstellte man ihn zwei Monate nach seiner Verhaftung am 25. August 1941 in das Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort soll er laut einem Eintrag in der Frankfurter Gestapokartei am 19. Dezember 1941 im Alter von 36 Jahren „verstorben“ sein, was auf eine Ermordung durch die SS schließen lässt.

 

Quellen

 

Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Nachlass S1/98 Nr. 10; Akten der Stadtverordnetenversammlung 92; Magistrats-Akte Nr. 4301; Städtische Anzeigeblätter 1933

Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945: AN 2616

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Datenbank Widerstand und Verfolgung; Abt. 518/183; 518/2184 Bd. 2; Abt. 409/3; Abt 486 (Gestapokartei Frankfurt am Main);

Bundesarchiv Berlin: R 58/2020; R 58/2094; R 58/2815; R 58/2273; R 58/3232; R 583815; R 3001 Abt. III gl 6695/37; R 3017 (VGH) Nr. 08J 218/38; Dy 55/V 278/5/39; Dy 55/V 278/5/40; Dy 55/V 278/4/414; Ry1/I 2/3/47; Ry 1/I 2/3/96; Ry 1/ I 2/3/48; D.-H., ZC 5312; D.-H. ZC 6791; D.-H., ZC  6941; D.-H., ZC  8525 Bd.3-5; D.-H., ZC  3426; D.-H., ZC  11911 Bd.2; D.-H., ZC  16983; NJ 9489 Bd. 1 u. 2; NJ 2809 Bd. 2 u. Bd. 4; NJ 2854 Bd. 1; NJ 499; VHG/Z G-141; VGH/Z F-025

Interviews: Emil Schmidt am 20. Dezember 1999; Gertrud Grünewald am 18. April 2000

 

Literatur

 

Bermejo, Michael: Die Opfer der Diktatur, Frankfurt am Main 2006, S. 107-110

Mausbach-Bromberger, Barbara: Arbeiterwiderstand in Frankfurt am Main. Gegen den Faschismus 1933-1945, Frankfurt am Main 1976, S. 49, 52, 97 und 221

Wippermann, Wolfgang: Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit, Bd. 4: Der Widerstand, Frankfurt am Main 1986, S. 40 und 150



Autor/in: Michael Bermejo-Wenzel
erstellt am 29.06.2023
 

Verwandte Personen

Fehler, Karl

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