Der „Brunnen des deutschen Handwerks“ – Wahrzeichen des nationalsozialistischen Frankfurts

Innungsemblem „Bäcker“ zum geplanten „Brunnen des deutschen Handwerks“ in Frankfurt, 1938/39, Fotografie 2003

Innungsemblem „Zimmermann“ zum geplanten „Brunnen des deutschen Handwerks“ in Frankfurt, 1938/39, Fotografie 2003

Modell des „Brunnen des deutschen Handwerks“ von Max Esser, um 1936, zeitgenössische Fotografie

Max Esser bei der Arbeit am Modell des „Brunnen des Deutschen Handwerks“ in Originalgröße, um 1938

Max Esser in seinem Berliner Atelier bei der Arbeit am Modell für den „Brunnen des Deutschen Handwerks“ in Originalgröße, um 1938

Symbolträchtige Wahrzeichen, wie der geplante „Brunnen des deutschen Handwerks“ des Berliner Bildhauers Max Esser, sollten die Ernennung Frankfurts zur „Stadt des Deutschen Handwerks“ 1935 untermauern.

Für Frankfurt als neu ernannter „Stadt des deutschen Handwerks“ sah Oberbürgermeister Friedrich Krebs den Bau eines repräsentativen Wahrzeichens vor. Davon hörte der Berliner Bildhauer Max Esser, der gute Kontakte zu nationalsozialistischen Kreisen in der Hauptstadt pflegte. Esser bot Krebs seine Dienste an. Seinem Brief vom 25. Juni 1935 fügte er einundzwanzig Fotos seiner Arbeiten bei, die Krebs so gut gefielen, dass er Esser kurz darauf in Frankfurt empfing. Die mitgebrachten Entwürfe Essers stellte Krebs in der Amtsleiterbesprechung am 5. August 1935 vor, aus der schließlich der Auftrag für die Schaffung eines Modells hervorging.

Essers Entwurf für den „Brunnen des deutschen Handwerks“ umfasste ein flaches Wasserbecken von neun Metern Durchmesser, aus dem auf einem steinernen Sockel ein Bronzezylinder elf Meter in die Höhe ragt. Seine Wände bestehen aus einem Rautengitter, das der Künstler als „Zusammenschluß des Handwerks“ bzw. als „Gitterwerk der Zünfte“ interpretiert wissen wollte. In das Gitter sind Embleme von etwa 265 Handwerkerinnungen eingesetzt. Als „Zeichen von Treue und Stärke“ verzieren zudem Eichenblätter und Eicheln das Gitterwerk. In drei großen Rauten sitzen Reichsadler, „Hoheitszeichen“ (Reichsadler mit Hakenkreuz) sowie – laut Esser – das „Symbol für den Dreiklang: Meister, Geselle, Lehrling“. Der Rundung der Gitterwand folgend, stehen acht 1,20 Meter hohe Figuren, welche Handwerksmeister (Zimmermann, Schumacher, Schmied, Weber, Bäcker, Goldschmied, Maurer und Schneider) repräsentieren. Im Innern des Zylinders steigt eine beleuchtete, sich aus 150 Strahlen formende Wasserfontäne sieben Meter empor. Den oberen Abschluss des Zylinders bildet eine Kuppel aus Bronzestäben, deren Spitze das vergoldete DAF-Symbol ziert. Als Material sah der Brunnenentwurf aufwändig kunsthandwerklich bearbeitete Bronze vor. Mit dieser Produktionsweise stand der Brunnen in deutlichem konzeptionellen Gegensatz zu den Entwürfen der Städelschule.

Die Ausmaße des Handwerkerbrunnens und seine Widmung an „das“ deutsche Handwerk sind Sinnbild der Größe der politischen Bewegung – ähnlich der nationalsozialistischen Monumentalarchitektur. Ebenfalls programmatisch eingesetzt wird die Lichtinszenierung des Brunnens, leuchtende Wassermassen, eingeschlossen von dem filigranen Rautengitter und dem eingesetzten Hakenkreuz. Dramatische Lichteffekte sollte der Dampf vor allem bei Dunkelheit erzeugen, was in einer Zeit mit wenigen visuellen Medien ein wirksames Mittel zur Selbstinszenierung der Partei war. Um die Aufmerksamkeit von Menschen zu lenken und erwünschte Emotionen, z. B. Hochgefühl, Ehrfurcht oder Überwältigung, zu erzeugen, wurden solche Effekte bei Massenveranstaltungen und auch in Architekturvorhaben eingesetzt. In der Gestaltung des Brunnens findet sich zudem das propagierte frühe Selbstbild des Nationalsozialismus als radikal betriebener sozialer Revolution: Die große Anzahl an Fontänen, die sich scheinbar über die Schwerkraft hinwegsetzen, suggerieren Kraft; das tosende, schaumige Wasser Dynamik. Erwünscht war zudem die Bekrönung des Brunnens durch das DAF-Zeichen. In die zentralistischen Prinzipien des Führerstaats passte sich diese Gestaltung gut ein.
Dass aber gerade die Würdigung aller Handwerke – die Innungsembleme – wegen der immensen Höhe des Brunnens im Detail kaum zu identifizieren gewesen wäre, wurde nicht kritisiert. Da die tatsächliche Bedeutung des Handwerks im Nationalsozialismus weniger groß war, als propagiert, störte dies die Auftraggeber nicht.

Das Modell des Brunnens wurde in Berlin regelmäßig besichtigt und gelobt, so auch von Alfred Rosenberg, der für die Veröffentlichung von Fotos sowie einem Bericht über Essers Arbeit an dem Brunnen in der Zeitschrift „Die Kunst im Dritten Reich“ sorgte. Auch Reichshandwerkermeister Schmidt sowie der Reichsbeauftragte für künstlerische Formgebung, Schweitzer, waren begeistert. Sogar die DAF plante laut Esser die „Herstellung eines Kulturfilms von dem gesamten Arbeitsgang am Brunnen des deutschen Handwerks“. Aus Frankfurt reiste Oberbürgermeister Krebs regelmäßig an.

Lediglich im Hinblick auf den Standort für den Brunnen war man uneins: Der Reichshandwerkermeister und auch der Künstler selbst plädierten für eine exponierte Lage, vorzugsweise den Römerberg. Vorbehalte zu dieser Standortwahl erreichten den Oberbürgermeister aus der Amtsleiterbesprechung vom 7. Oktober 1935, „(...) da die historische und durch Goethes Schilderung allgemein bekannt gewordene Gestaltung des Römerberg nicht ohne Not geändert werden sollte.“ Als Standort wurde stattdessen der zentral gelegene Opernplatz ausgewählt.

Die Gestaltung des Brunnens, wie auch seine außerordentlichen Dimensionen und sein Pathos entsprachen den Idealen des Nationalsozialismus. Max Esser stimmte Bauwerk und Wasserspiel so aufeinander ab, dass eine mystische Überhöhung erzeugt worden wäre. In diesem Sinne hätte der Brunnen den Feierlichkeiten der Handwerker einen angemessenen architektonischen Hintergrund verliehen. Das ambitionierte Projekt kam jedoch trotz der Auftragserteilung an Esser am 30. Januar 1938 sowie der Fertigstellung der Embleme und auch der Hälfte des Gitterwerks am 29. Dezember 1939 nicht zur Ausführung.

 

 

Literatur::

Ausst.Kat. Kunst im Dritten Reich. Dokumente der Unterwerfung, Georg Bussmann (Red.), Frankfurt 1975

Heike Drummer, Stadt des deutschen Handwerks, in: Ausst.Kat. FFM 1200. Traditionen und Perspektiven einer Stadt, Lothar Gall (Hg.), Sigmaringen 1994, S. 315-340

Die Kunst im Dritten Reich, 2. Jahrgang, Folge 5, Mai 1938, Zentralverlag der NSDAP, Franz Eher Nachf., München

Akte im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Magistratsakte 6607

Symbolträchtige Wahrzeichen, wie der geplante „Brunnen des deutschen Handwerks“ des Berliner Bildhauers Max Esser, sollten die Ernennung Frankfurts zur „Stadt des Deutschen Handwerks“ 1935 untermauern.



Autor/in: Janine Burnicki
erstellt am 01.01.2003
 

Verwandte Personen

Esser, Max


Krebs, Friedrich


Rosenberg, Alfred

Verwandte Begriffe

DAF


Stadt des deutschen Handwerks

Verwandte Orte

Brunnen des deutschen Handwerks


Opernplatz


Städelschule

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