Der Frankfurter Bund für Volksbildung wurde 1933 vom NS-Regime gleichgeschaltet, seine jüdischen oder sozialistischen Vereinsfunktionäre ihrer Ämter enthoben und die Vereinsarbeit den Zielen der NS-Ideologie („Volksgemeinschaft“) unterworfen. 1946 genehmigte die US-Militärregierung den demokratischen Neuanfang.
„Unsere Singgruppe gilt als Stoßtrupp für alle Parteigliederungen.“
(Frankfurter Musikschule, Abteilung Volksbildungswerk)
Mit Übernahme der Reichsregierung durch Adolf Hitler wurden der Frankfurter wie auch der Höchster Bund für Volksbildung 1933 „gleichgeschaltet“ und durch die NSDAP vereinnahmt. Die bislang freie und demokratische Volksbildung in Frankfurt am Main war damit zerschlagen. Bald gingen beide Bünde als Abteilung Deutsches Volksbildungswerk/Kreis Groß-Frankfurt in der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ auf. Diese unterstand Reichsorganisationsleiter Robert Ley.
Verfolgung der Eheleute Epstein
Wilhelm Epstein, der von 1906 bis 1930 als Leiter des Frankfurter Bundes für Volksbildung fungiert hatte, sowie seine ehrenamtlich für die Institution tätige Ehefrau Else Epstein waren nunmehr gezwungen, sich in das Privatleben zurückzuziehen. Das nach NS-Definition in „Mischehe“ lebende Paar – Wilhelm Epstein war Jude – setzten die Nationalsozialisten ständigen Repressalien aus, etwa in dem zur Disposition gestellten Anspruch auf Pensionszahlungen für Wilhelm Epstein oder gar mit drohender Deportation.
Bald nach Epsteins Tod am 18. Februar 1941 verhaftete die Geheime Staatspolizei Else Epstein wegen ihrer Kontakte zu Juden und NS-Gegnern – sie war zuvor denunziert worden. Wegen „Verstoßes gegen das gesunde Volksempfinden“ folgte eine dreiwöchige Haft im Frankfurter Polizeigefängnis Preungesheim. Im Juli 1942 wurde Else Epstein gewaltsam in das Konzentrationslager Ravensbrück verschleppt. Nach acht Monaten Haft kam 1943 die Entlassung. Else Epstein zog sich in ein Lungensanatorium im Schwarzwald zurück, wo sie Arbeit als Buchhalterin fand.
„Gleichschaltung“ der Volksbildung und neue Programmatik
Zahlreiche Vereinsfunktionäre des Bundes für Volksbildung – darunter Juden, Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten – verloren nach 1933 ihre Posten. Die Volksbildungsheim GmbH, 1919 zur Verwaltung des gleichnamigen Geschäftssitzes gegründet, erfuhr 1936 auf Beschluss der Gesellschafter eine rechtliche „Umwandlung“. Ihr Vermögen samt Schulden wurde unter Ausschluss der Liquidation auf die Stadt Frankfurt als Hauptgesellschafterin übertragen. Längst waren auch hier jüdische und politisch unliebsame Aufsichtsräte auf Grundlage des Reichsgesetzes zur so genannten Gleichschaltung der Aufsichtsräte von Körperschaften des öffentlichen Rechts vom 15. Juni 1933 ausgeschlossen worden. Die kommunale Verwaltung übernahm das verbliebene Personal.
Im Volksbildungsheim arbeitete jetzt die „Volksbildungsstätte Stadtmitte“ und betrieb dort Schulung und Indoktrination nach Musterlehrplänen. Auch der „Kampfbund für deutsche Kultur“ mietete nach 1933 dort Räume an. Mit Hilfe seines Angebots wider den „Kulturbolschewismus“ versuchte dieser, den oberen Mittelstand wie das Bildungsbürgertum und damit neue gesellschaftliche Schichten für den Nationalsozialismus und die Volksbildung zu rekrutieren. Doch im Sommer 1935 interessierten sich nur noch 775 Hörer für das ideologisch gefärbte Angebot. Häufige Wechsel auf der Leitungsebene und finanzielle Unregelmäßigkeiten trugen zusätzlich zu einer Beschädigung des vor 1933 erworbenen Ansehens der Institution bei.
Ab 1937 bestimmten Gauarbeitsgemeinschaften für Erwachsenenbildung die ideologische Ausrichtung. Erklärtes Ziel dabei war es, die Teilnehmer für die Idee der „Volksgemeinschaft“ zu gewinnen. Kursangebote etwa zu Familien- und Rassenkunde, „völkischer Selbstbehauptung“, über das „Bekenntnis zu Blut und Boden“, „Einordnung in die Volksgemeinschaft“ oder für wirtschaftsbezogene „Betriebserziehung“ dokumentierten dies augenfällig. Weiterhin fanden sich freilich Sprach- und Musikangebote sowie Filmvorführungen und so genannte Kulturfahrten in den Lehrplänen. Spätestens nach dem 1. September 1939 wurde die „Heimatfront“ über Wehrpolitik und „totalen Krieg“ propagandistisch unterrichtet – etwa in „Schulungen zur Wehrhaftigkeit“. Die alliierten Bombardements im Zweiten Weltkrieg beschädigten 1943 auch das Volksbildungsheim stark.
1945: Neubeginn
Nach der Befreiung Frankfurts kehrte Else Epstein umgehend in die Stadt am Main zurück und ergriff bereits im Herbst 1945 die Initiative zum Neuaufbau des FBfV und einer demokratischen Erwachsenenbildung. Nach schwierigen Verhandlungen mit der US-Militärregierung erhielt die Christdemokratin Epstein schließlich am 12. März 1946 die offizielle Zulassung für den Frankfurter Bund für Volksbildung, dessen Geschäfte sie bis zu ihrem Tod am 12. Dezember 1948 zusammen mit Carl Tesch leitete. Erst 1953 konnten Wiederaufbau und die Neueröffnung des Volksbildungsheims gefeiert werden. Nach der ideologisch gefärbten und propagandistisch ausgerichteten Arbeit während der NS-Zeit zählte nunmehr die politische Bildung der Kursteilnehmer zu einem der wichtigsten Anliegen der Frankfurter Volksbildung.
Literatur
[Heike Drummer / Jutta Zwilling], Demokratisierung des Wissens. 120 Jahre Frankfurter Volksbildung. Volkshochschule Frankfurt am Main (Hg.), Frankfurt am Main 2010.
Kai Gniffke, Volksbildung in Frankfurt am Main 1890-1990, Frankfurt am Main 1990.
Stadt Frankfurt am Main / Amt für Volksbildung (Hg.), Wege der Frankfurter Volksbildung, Frankfurt am Main 1987.
Der Frankfurter Bund für Volksbildung wurde 1933 vom NS-Regime gleichgeschaltet, seine jüdischen oder sozialistischen Vereinsfunktionäre ihrer Ämter enthoben und die Vereinsarbeit den Zielen der NS-Ideologie („Volksgemeinschaft“) unterworfen. 1946 genehmigte die US-Militärregierung den demokratischen Neuanfang.