Bruno Asch (1890-1940): Frankfurts Finanzdezernent Opfer des Holocaust

Bruno Asch in seinem Höchster Büro im Bolongaropalast, um 1924

Bruno Asch (1890-1940), Bürgermeister von Höchst, Stadtkämmerer von Frankfurt und Berlin

Bruno Asch. Gemälde von Jakob Nussbaum, 1930

Bruno Asch wurde nach dem Ersten Weltkrieg als USPD-Mitglied Kommunalpolitiker: zunächst in Höchst als Bürgermeister, ab 1925 als Frankfurter Stadtkämmerer, wo er mit Ludwig Landmann und Ernst May die Stadtmodernisierung auf den Weg brachte. 1931 wurde er Finanzdezernent der Stadt Berlin. 1933 emigrierte er, als Sozialist und Jude vom NS-Regime verfolgt, in die Niederlande, wo er sich nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Mai 1940 das Leben nahm.

 

„Das Schicksal des jüdischen Menschen, der sein Vaterland hinter sich lassen mußte, das Land, in dem er mit voller Kraft und Hingabe im öffentlichen Dienst tätig sein durfte, ist entsetzlich schwer.“ (Bruno Asch)

 

Der Kommunalpolitiker und Publizist Bruno Asch, der als Stadtkämmerer unter Oberbürgermeister Ludwig Landmann in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre den Aufbruch Frankfurts in die Moderne durch eine geschickte Finanzpolitik mit ermöglicht, kommt in Wollstein (Posen) am 23. Juli 1879 zur Welt. Er heiratet Margarete Hauschner. Das Ehepaar hat drei Töchter: Miriam, Renate Charlotte (geboren 1928) und Ruth Eva Asch (geboren 1923). Der Vater Aschs macht sich 1894 selbstständig. Bruno Asch wächst im proletarischen Nordosten Berlins auf. Er besucht ein Realgymnasium in Berlin, das er 1902 mit der Mittleren Reife beendet. Es folgt eine kaufmännische Ausbildung in der Textilwarenfabrik „David & Co.“. Nach deren Abschluss ist Bruno Asch weiterhin in dem Unternehmen tätig und für die Auslandskorrespondenz zuständig. Für das Geschäft bereist er Frankreich, Belgien, Großbritannien, Spanien und Italien. Die finanziellen Verhältnisse der Familie erlaubten es ihm aber nicht, das Abitur zu machen und ein Studium aufzunehmen.

 

Im Selbststudium zum philosophisch gebildeten Sozialisten
Als Freiwilliger im Ersten Weltkrieg verbringt er ein Jahr bei einem Telegrafenbataillon in der Festung Graudenz. Bis Kriegsende ist er anschließend in der Fernsprechabteilung des Hauptquartiers Ost eingesetzt. In dieser Zeit beschäftigt sich Bruno Asch im Selbststudium systematisch mit Philosophie, Nationalökonomie und Staatswissenschaften. Parallel wächst das Interesse an Politik. Laut Dieter Rebentisch prägt „ein Sozialismus der Aufklärung, der Friedenssehnsucht und internationalen Verbrüderung, überhaupt einer gesamteuropäischen kulturellen Erneuerung“ seine politischen Überzeugungen. Im November 1918 steht Asch mit an der Spitze des „Großen Soldatenrates Kowno“. Drei Wochen später wird er zum Ersten Vorsitzenden des „Zentralrats der Ostfront“ gewählt und bleibt dies bis zur Rückkehr seines Truppenteils im Februar 1919. Sein Ziel ist nicht revolutionärer Umsturz, sondern die Anarchie in dieser Zeit zu verhindern. Ein von Asch mitunterzeichneter Appell, veröffentlicht in der „Zeitung der zehnten Armee“, fordert die Soldaten zum Pflichtbewusstsein sowie zur Sicherung des Abtransports aller Kameraden auf, um den „Bolschewistenstrom“ zu stoppen.

 

Publizist und Kommunalpolitiker
Bruno Asch, inzwischen erkennbar linken Positionen zugeneigt, schließt sich Anfang 1919 der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) an. Bis zu ihrer Einstellung 1920 veröffentlicht er regelmäßig volkswirtschaftliche Beiträge in der radikalsozialistischen Zeitschrift „Der Arbeiterrat“. Die Angestellten sieht er als „Sklaven des Kapitals“, als „mit dem Schrecken des um seinen Futtertrog bangenden Tieres vor einer gerechten sozialistischen Umwälzung“ zurückweichend. Aus der Kritik an bürokratisch-zentralistischen Entwicklungen und dem Engagement im Rätesystem entwickelt sich sein Interesse an der kommunalen Selbstverwaltung, der er „eine Schlüsselrolle beim Aufbau des neuen Staatsgefüges“ zuschreibt. Diese öffentlich vertretenen Positionen führen zu Konflikten mit seinem Arbeitgeber und letztlich zur Vertragsauflösung im Februar 1920.

 

Als Anfang Juni 1920 in der Zeitschrift „Die Sozialistische Gemeinde“ eine Stelle als hauptamtlicher Stadtrat im damals noch selbstständigen Höchst ausgeschrieben wird, wo SPD und USPD eine Mehrheit haben, bewirbt sich Asch. Nach erfolgreicher Wahl im August tritt er seine neue Stelle als Wirtschaftsdezernent im Oktober 1920 an. Durch Kompetenz und Verhandlungsgeschick gelingt es ihm sogar, USPD und SPD in gemeinsamen Fraktionssitzungen zu vereinigen und parteiübergreifende Anerkennung zu gewinnen. Folgerichtig leitet er ab Februar 1923 als Bürgermeister die Geschicke von Höchst, das in der entmilitarisierten Zone liegt und unter französischer Besatzung steht. Asch warnt während des „Ruhrkampfes“ die Besatzer vor Gewaltaktionen, die durch ihre rigiden Maßnahmen ausgelöst werden könnten. Wegen eines Attentats auf die Bahnlinie Höchst-Zeilsheim kurz darauf wird Bruno Asch von den französischen Besatzungsbehörden politisch zur Verantwortung gezogen. Nach seiner Verhaftung am 27. Juni 1923 verurteilt ihn ein französisches Kriegsgericht zu drei Monaten Gefängnis, was die Popularität des Bürgermeisters anwachsen lässt – der Besucherstrom ist so stark, dass der Magistrat dazu aufrufen muss, Asch nicht mehr in Haft aufzusuchen. Betriebsrat und Beamtenausschuss der Stadtverwaltung protestieren in einem Schreiben an die Besatzungsmacht: „Wir sind empört, daß man uns den hervorragenden Leiter unserer Stadt nimmt, der durch seine unerschöpfliche Tatkraft, durch sein ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl und seine Verantwortungsfreudigkeit uns allen stets ein leuchtendes Vorbild und ein Führer im edelsten Sinne war.“ Nach seiner Entlassung wird der Bürgermeister zeitweise aus Höchst ausgewiesen und regiert sein Gemeinwesen per Telefon von Frankfurt aus. Noch heute sind Ergebnisse seiner Politik in Höchst greifbar: So sorgte der erklärte Atheist mit einem überkonfessionellen Förderverein beispielsweise für die Erhaltung der Justinuskirche.

 

Parallel zu seinem kommunalen Amt veröffentlicht Asch vor allem zu Finanzfragen, Reichsfinanzausgleich, kommunaler Anleihe- und Wohnungswirtschaft sowie zum gemeindlichen Steuerrecht in der USPD-Zeitschrift „Die Sozialistische Gemeinde“, im SPD-Organ „Vorwärts“ und später der neuen Fachpublikation der wiedervereinten Sozialdemokraten „Die Gemeinde“. Angesichts der kommunalfeindlichen Finanzgesetze der Weimarer Republik bewertete Asch den Kampf der Gemeinden um die Selbstverwaltung als „Kampf um die Demokratie in Deutschland selbst“.

 

Frankfurter Finanzdezernent
Nur zwei Jahre nach seiner Wahl zum Höchster Bürgermeister wird Bruno Asch 1925 auf Anregung der SPD von der Stadtverordnetenversammlung zum besoldeten Magistratsmitglied von Frankfurt am Main gewählt. Bei einer notwendig gewordenen Stichwahl erhält er 38 von 68 Stimmen, bei neun Enthaltungen. Dem 35jährigen kommunalpolitischen Autodidakten und Nicht-Akademiker schlägt jedoch nicht nur Misstrauen des politischen Gegners, sondern auch aus Wirtschafts- und Finanzkreisen entgegen. Der „Handwerkerrat“ verabschiedet gar eine Resolution gegen seine Wahl. Anlässlich seiner Amtseinführung als Stadtkämmerer am 27. Oktober 1925 formuliert Asch als sein Ziel, „die großen Vermögenswerte, welche die deutschen Städte aus den Inflationsjahren gerettet haben, auch für die weitere Zukunft hinüber“ bewahren zu wollen. Zunächst gelingt ihm 1926 eine Zwei-Millionen-Dollar-Anleihe zu günstigen Konditionen. Einer 1927 aufgelegten weiteren US-Anleihe versagt der Reichsbankpräsident jedoch die Zustimmung und drängt damit auch die Frankfurter Finanzpolitik in kurzfristige Inlandsfinanzierungen, die in der Weltwirtschaftskrise zu substanziellen Problemen führen.

 

Zusammen mit Oberbürgermeister Ludwig Landmann (DDP) und Stadtbaurat Ernst May übt Asch über fünf Jahre dennoch einen bedeutenden Einfluss auf die Modernisierung und bauliche Umgestaltung der Stadt aus, die als das „Neue Frankfurt“ in die Geschichte eingeht. Rasch bringt er den Etat in eine zeitgemäße, kaufmännischen Grundsätzen entsprechende Form, die nunmehr erhebliche Investitionen ermöglicht: May-Siedlungen, Bau der Großmarkthalle, Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes samt Flughafen, der Messe und der Elektrizitätswerke sowie eine avantgardistische Kulturpolitik. Dabei kombiniert Asch systematische Wirtschaftsförderung mit dem Ausbau der kommunalen Wirtschaft. So erwirbt Frankfurt gemeinsam mit Köln die Steinkohlefelder Rossenray bei Moers, um sich von einem Ruhrkohle-Monopol und ihrem befürchteten Preisdiktat unabhängig zu machen – eine Ziel, dass wegen der Weltwirtschaftskrise nicht erreicht wird. Sein Geschick als Kämmerer profiliert ihn als Koryphäe auf dem kommunalen Finanzsektor.

 

Trotzdem sieht er sich wie auch Oberbürgermeister Landmann immer wieder antisemitischen Angriffen und Misstrauensanträgen vor allem der NSDAP ausgesetzt. Ironisch bemerkt Asch dazu, dass „Finanzfragen auch arische Angelegenheiten seien“. Über Jahre bleiben besonders der Etat des Wohlfahrtsamtes und die stadteigenen Betriebe heiß umstritten. Nach der Weltwirtschaftskrise kämpft Asch 1930/1931 gegen das steigende Haushaltsdefizit, das er nicht mit weiteren Krediten stopfen will. Über die Erhebung einer Bürgersteuer kommt es 1930 zum Bruch mit der Stadtverordnetenversammlung, so dass die Bezirksregierung in Wiesbaden entscheiden muss.

 

Asch gehört von 1921 bis 1924 für den Kreis Höchst und von 1925 bis 1931 für den Stadtkreis Frankfurt dem Nassauischen Kommunallandtag an. Außerdem ist er auch neben seiner Tätigkeit als Frankfurter Finanzdezernent gefragter Autor der „Frankfurter Zeitung“ sowie der „Vossischen Zeitung“. Mit seiner Familie wohnt der Kämmerer zunächst in der Beethovenstraße 71, später in der Klettenbergstraße 36.

 

Dem Ruf nach Berlin folgt die Verfolgung während der NS-Zeit
Im Frühjahr 1931 wird der Haushaltsexperte Asch in Berlin zum Finanzdezernenten gewählt und erhält zum Abschied die Ehrenplakette der Stadt Frankfurt. In der mit erheblichen Finanzproblemen kämpfenden Reichshauptstadt überzeugt er im Juli1931 eine Mehrheit von seinem Etatentwurf, mit dem die Einsetzung eines Staatskommissars abgewendet wird. Doch nur kurz kann er sich an diesem Durchbruch erfreuen: Die NS-Behörden schicken Bruno Asch Anfang 1933 in den Zwangsurlaub. Bei der Rückkehr von einer Reise nach Saarbrücken im August desselben Jahres werden ihm Pass und Personalpapiere abgenommen.

 

Noch 1933 emigriert Bruno Asch, der Verfolgung als Jude und Sozialist befürchtet, zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Töchtern über Saarbrücken und Paris nach Amsterdam. Dort betreibt er gemeinsam mit dem ehemaligen Staatsbankpräsidenten und Frankfurter Sozialdemokraten Walter Josef Loeb eine erfolgreiche Treuhandgesellschaft unter Leitung der Firma „Revisa“. Am 9. September 1938 wird ihm die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Die mögliche Emigration nach Palästina, das der Mitbegründer der Jewish Agency 1935 bei einer ausgedehnten Reise kennenlernt, realisiert er als ein der „europäischen Schicksalsgemeinde“ Verbundener nicht.

 

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Amsterdam nimmt Bruno Asch am 15. Mai 1940 unmittelbar vom NS-Zugriff bedroht Gift und stirbt einen Tag später in Amsterdam. Seine Frau sowie die Töchter Ruth Eva und Renate Charlotte werden später deportiert und im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Die älteste Tochter emigriert schon 1939 nach Palästina und lebt heute in Jerusalem (Israel).
Die Bruno-Asch-Anlage in Frankfurt (Höchst) ist seit 1990 nach dem Politiker benannt. Zuvor hatten Anwohner gegen die Umbenennung eines Teilstückes der Zuckschwerdt- in Bruno-Asch-Straße protestiert. Am Bolongaropalais wurde am 22. September 1994 eine Gedenktafel für Bruno Asch enthüllt.

 

Literatur und Quellen::

Paul Arnsberg, Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution, Darmstadt 1983, Bd. 3 Biographisches Lexikon, S. 25ff.

Heike Drummer/Jutta Zwilling (Bearb.), Jüdisches Museum Frankfurt am Main (Hg.), Datenbank Gedenkstätte Neuer Börneplatz.

Freie Universität Berlin. Zentralinstitut für sozialwissenschaftliche Forschung (Hg.), Gedenkbuch Berlins der jüdischen Opfer des Nationalsozialismus, Berlin 1995, S. 45.

Horst Göppinger, Juristen jüdischer Abstammung im „Dritten Reich“, München 1990, S. 230f.

Historische Kommission für Nassau (Hg.), Nassauische Parlamentarier. Ein biografisches Handbuch. Teil 2: Der Kommunallandtag des Regierungsbezirkes Wiesbaden 1868-1933, bearb. von Barbara Burkhardt und Manfred Pult. Wiesbaden 2003, S. 13f.

Wolfgang Klötzer (Hg.), Frankfurter Biographie, Frankfurt am Main 1994, Bd. 1, S. 31

Heinz Knoth, Zeit- und Lebensbilder Höchster Bürgermeister 1849-1928, Frankfurt am Main 1963, S. 19ff.

Karl Maly, Das Regiment der Parteien. Geschichte der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, Bd. 2: 1901-1933, Frankfurt am Main 1995, u. a. S. 444f.

Dieter Rebentisch, Bruno Asch. Preußischer Jude und sozialistischer Kommunalpolitiker, in: Arno Lustiger (Hg.), Jüdische Stiftungen in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1988, S. 298-306.

Ders., Ludwig Landmann. Frankfurter Oberbürgermeister der Weimarer Republik, Wiesbaden 1975.

Institut für Stadtgeschichte Personalakten 15.508, 15.509, 15.510.

Akten der Stadtverordnetenversammlung 65.090.

Bruno Asch wurde nach dem Ersten Weltkrieg als USPD-Mitglied Kommunalpolitiker: zunächst in Höchst als Bürgermeister, ab 1925 als Frankfurter Stadtkämmerer, wo er mit Ludwig Landmann und Ernst May die Stadtmodernisierung auf den Weg brachte. 1931 wurde er Finanzdezernent der Stadt Berlin. 1933 emigrierte er, als Sozialist und Jude vom NS-Regime verfolgt, in die Niederlande, wo er sich nach dem Einmarsch der deutschen Truppen im Mai 1940 das Leben nahm.



Autor/in: Heike Drummer / Jutta Zwilling
erstellt am 01.01.2010
 

Verwandte Personen

Asch, Bruno


Landmann, Ludwig


May, Ernst

Verwandte Beiträge

Frankfurter Juden in der Weimarer Republik


Gedenktafel für Bruno Asch

Verwandte Orte

Frankfurter Zeitung

Top