„Besuch in Frankfurt am Main – Ein Ufa-Kulturfilm“

 

Seit 1933 gab es Bemühungen, die Stadt Frankfurt aus Sicht eines nationalsozialistischen Aufbruchs im Film zu porträtieren. 1936 wurde das Ergebnis als „Besuch in Frankfurt am Main – Ein Ufa-Kulturfilm“ präsentiert. Direkte NS-Symbolik wird dabei vermieden und neben vielen Touristenattraktionen auch mit Errungenschaften des modernen Frankfurts geworben.

 

„Der neue Kultur-Tonfilm der Ufa‚ Besuch in Frankfurt am Main‘ erhielt von der Filmprüfstelle Berlin die seltene Auszeichnung ‚künstlerisch wertvoll und volksbildend‘. Er darf außerdem auch als Lehrfilm im Unterricht verwendet werden. Schon heute dürfte feststehen, daß der Film ein begehrter Kulturfilm sein wird. Seine Vorführung in den öffentlichen Lichtspielhäusern erfolgt in Kürze nach seiner Uraufführung in Frankfurt am Main.“ (Notiz in der Frankfurter Wochenschau, 6. Dezember 1936)

Bereits 1933 plant die NS-Stadtverwaltung einen Werbefilm im „neuen Geist“ für Frankfurt am Main. Nach ersten Ideen und einem Drehbuch von Alfons Paquet sollen dabei „wichtige Ereignisse aus der Arbeit des nationalsozialistischen Frankfurts“ auf Zelluloid gebannt werden. Etwa gleichzeitig plädiert Oberbürgermeister Friedrich Krebs ausdrücklich für die Produktion eines Goethe-Films. Dieser Vorschlag wird allerdings aus Kostengründen verworfen; zudem existieren bereits Goethe-Filme aus dem Gedenkjahr 1932 zum 100. Todestag des Dichterfürsten.

Weitere Bemühungen gelten ab 1934 einem allgemeineren Kulturfilm, in dessen Zentrum die Biografie Goethes stehen soll. Das Manuskript, das auch antisemitische Dialoge enthält, verfassen Verwaltungsdirektor August Gräser und „Altstadtvater“ Fried Lübbecke. Es bildet die Grundlage für weitere Initiativen, etwa 1935 die Einbindung der Neuen Film-Kommanditgesellschaft (NFK) mit Regisseur und Drehbuchautor Erich Engels. Der Vorschlag bleibt indes Makulatur, da die NFK „nicht von der Reichsfilmkammer als zuverlässig anerkannt“ ist.

Im Mai 1936 tritt Krebs in Verhandlungen mit Ulrich Kayser, Mitarbeiter der Ufa-Kulturfilm-Abteilung. Erneut hat Fried Lübbecke das Drehbuch für einen etwa 20-minütigen Film erarbeitet – der Titel des ersten Entwurfs lautet „Familientag in Frankfurt“. Nach Kürzung und Redaktion heißt die Vorlage „Mei Frankfort“. Nun werden die vielen idyllischen Momente – also der Kitsch – moniert, und so fallen abermals Änderungen an, für die Franz Lerner, Leiter der Presse- und Werbestelle der Stadt sowie Schriftleiter der „Frankfurter Wochenschau“, verantwortlich zeichnet. Schließlich legt Kayser im Juli 1936 dem Hauptverwaltungsamt das endgültige Drehbuch für „Besuch in Frankfurt am Main – Ein Ufa-Kulturfilm“ vor. Nach einer Probesichtung in Berlin erhält die Produktion von der Filmprüfstelle das Prädikat „künstlerisch wertvoll und volksbildend“. Die Uraufführung findet vermutlich am 5. Dezember 1936 anlässlich des Balls der Reichsfilmkammer im Frankfurter Palmengarten statt. Autor Fried Lübbecke bleibt in der Festansprache des Oberbürgermeisters allerdings unerwähnt.

Der Film zeigt zwar keine NS-Symbole, ist aber in seiner Handlung und Machart dennoch propagandistisch. Jüdisches Leben in der Stadt blenden die Bilder komplett aus. Nach Willen der braunen Machthaber präsentiert das Werk Frankfurt als weltoffene und tolerante Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten und Veranstaltungen. Politische Skepsis der internationalen Tourismusbranche gegenüber dem „Dritten Reich“ soll damit entkräftet werden. Das 34.000 Reichsmark teure Oeuvre in deutscher und englischer Fassung ist tatsächlich erfolgreich: in den ersten neun Monaten wird es immerhin in 1.425 Kinos gezeigt. Außerdem läuft der Film 1937 auf der Pariser Weltausstellung, der Düsseldorfer Reichsausstellung „Schaffendes Volk“ sowie während der Filmfestspiele in Venedig.

 

„Es will mer net in de Kopp enei …“ – Der Plot

 

Die Zuschauer beobachten zu Beginn, dass alle Darsteller nur ein Ziel haben: nämlich Frankfurt am Main. Die Stadt wirkt magnetisch auf das Umland, ja – auf die Welt, und ist praktisch mit jedem beliebigen Verkehrsmittel zu erreichen: So kommt der Bauer mit seiner Tochter auf dem einfachen Karren, ein schneidiger Typ aus Heidelberg via frisch betonierter Reichsautobahn im Personenkraftwagen, ein Kapitän nebst weiblicher Begleitung schippert von Westen auf dem Main daher und am gerade eröffneten „Weltflughafen Rhein-Main“ landet eine internationale Touristenschar.

Und was hat Frankfurt, die „Stadt des deutschen Handwerks“, seinen Gästen zu bieten? In einer zentralen Szene des Films versucht ein Händler vor der Kulisse des Rathauses Römer zwei skeptischen Amerikanerinnen Postkarten zu verkaufen. Dass die Damen sich leicht reserviert zeigen, ignoriert er. Voller Enthusiasmus preist der Mann in einem mit Frankfurter Akzent angereicherten Englisch die Sehenswürdigkeiten: Dazu gehören neben den steinernen Zeugnissen Saalhof und Karmeliterkloster auch die Bauten der von den Nazis diffamierten Moderne, genauer Großmarkthalle und IG Farben-Haus. Und die Zeppelinhangars auf dem gerade neu eröffneten Flughafen Rhein-Main. Die letzteren repräsentieren symbolhaft Handel, Industrie und Wirtschaft der Großstadt mit ihren internationalen Beziehungen. Verklausuliert wollen Bild und Ton erzählen, wie offen und modern sich Frankfurt trotz oder gerade wegen der nationalsozialistischen Machtübernahme zeigt. Gleichzeitig verrät diese Konstruktion etwas über das Unvermögen der Verwaltung, sich nach außen mit der neuen Rolle als „Stadt des deutschen Handwerks“ zu identifizieren und diesem Titel in der Öffentlichkeit gerecht zu werden.

Doch weiter: Wir begleiten Amerikaner, die den Proben für die Römerberg-Festspiele lauschen, besuchen die Schirnen (offene Verkaufsstellen für Fleisch und Wurst) der Frankfurter Altstadt. Ein großzügiger Kameraschwenk über die verwinkelte Dachlandschaft verweist auf die alte Kaiserstadt. Dann fällt der Name Goethes und die Titel seiner Werke geben das Stichwort zum Szenenwechsel in die abendliche Freilichtaufführung von „Faust I“, und natürlich verfolgt das Publikum mit Gretchens Ende just den dramatischen Höhepunkt. Auch der Bauer und dessen Tochter sind unter den faszinierten Zuschauern. Es folgt eine Art fotografischer Schnelldurchlauf zu weiteren Touristenattraktionen, häufig durch Überblendungstechnik geschickt montiert: Dom, Palmengarten, Zoo, Tanz im Freien, Modenschau, Badeanstalten, Waldstadion, das nun ganz deutsch Sportfeld heißt, und Stadionbad, Rollschuhbahn am Nizza, Stepptanz und Varieté. Am Ende dieses Parforcerittes durch „Augenblicksbilder des Alltags der Stadt und ihrer vielen kulturellen und bodenständigen Lebensäußerungen“ findet die so genannte Volksgemeinschaft in einem Apfelweinlokal zusammen. Unter den rührseligen Klängen des bekannten Stoltze-Liedes „Es will mer net in de Kopp enei, wie kann nur e Mensch net von Frankfort sei“ endet der Streifen mit einem letzten Blick durch das Fenster auf das Main-Panorama.

 

Credits

 

„Besuch in Frankfurt am Main – Ein Ufa-Kulturfilm“

Uraufführung: Frankfurt am Main, vermutlich 5. Dezember 1936

Regie und Kamera: Ulrich Kayser

Mitarbeit: Fried Lübbecke

Musik: Walter Schütze

Schnitt: Irmgard Henrici

Länge: 15‘‘

Verleih: Medienzentrum, Frankfurt am Main

 

 

Literatur und Quellen

 

Deutsches Filmmuseum (Hg.), Lebende Bilder einer Stadt. Kino und Film in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1995, S. 320 (Anhang: Frankfurter Filme).

Frankfurter Wochenschau, Jg. 1936, Heft 50, 6. Dezember 1936, S. 1-9.

Michael Schurig/Thomas Worschech, „Der Geist der neuen Zeit“. Kino und Film unter dem Hakenkreuz, in: Deutsches Filmmuseum (Hg.), Lebende Bilder einer Stadt. Kino und Film in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1995, S. 142-155.

Institut für Stadtgeschichte, Magistratsakten AZ 6197, Bd. 1.

Seit 1933 gab es Bemühungen, die Stadt Frankfurt aus Sicht eines nationalsozialistischen Aufbruchs im Film zu porträtieren. 1936 wurde das Ergebnis als „Besuch in Frankfurt am Main – Ein Ufa-Kulturfilm“ präsentiert. Direkte NS-Symbolik wird dabei vermieden und neben vielen Touristenattraktionen auch mit Errungenschaften des modernen Frankfurts geworben.



Autor/in: Heike Drummer / Jutta Zwilling
erstellt am 01.01.2010
 

Verwandte Personen

Krebs, Friedrich

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