Die Zollverwaltung als Helfer bei der staatlichen Ausplünderung von Juden

Bereits 1931 hatte die Reichsregierung in Folge der Wirtschaftskrise eine Devisenbewirtschaftung eingeführt, zu der eine stärkere Warenausfuhrkontrolle gehörte. Das NS-Regime verschärfte die Bestimmungen ab 1933 weiter, auch im Hinblick auf Umzüge ins Ausland. Von den erweiterten Befugnissen der Zollbehörden waren besonders Juden betroffen, die der Verfolgung durch Emigration entgehen wollten. In Frankfurt am Main war spätestens ab 1938 die Zollfahndungsstelle in die auf Ausraubung abzielende Überprüfung von deren Umzugsgut eingebunden.

„Die Zollfahndungsstellen sind bei der Bekämpfung von Devisenvergehen für die Devisenstellen unentbehrlich. Ihrer Schlagkraft sind ständig große Erfolge zu verdanken.“ (Karl Groth, 1940)

Als Kontrollorgan für die Devisenstellen stellten die Zollbehörden während der NS-Zeit ihren Sachverstand zunehmend in den Dienst einer antisemitischen Politik. Zwar musste schon mit Einführung der Devisenbewirtschaftung ab dem 1. Dezember 1931 die Warenausfuhr unter anderen bei den Grenzzollstellen oder den Zollstellen der Zollausschlüsse deklariert werden, sofern es sich nicht um Reisegepäck, den kleinen Grenzverkehr oder beispielsweise die Ausfuhr in Briefen oder Drucksachen handelte. Aber nach dem Regierungsantritt Hitlers wurden diese Vorschriften weiter verschärft. Ab Mai 1933 war schon die Absicht, Umzugsgut in das Ausland mitzunehmen, drei Tage vor dessen Verpackung beim Zoll anzeigepflichtig. Die Zollrevision erfolgte durch das zuständige Hauptzollamt beziehungsweise dessen nachgeordnete Behörden am Verpackungsort, also in der Wohnung der Emigrationswilligen oder beim Spediteur.

Obwohl es keine härteren Vorschriften zur Prüfung der Umzugsgüter antisemitisch Verfolgter gab, unterwarf das Frankfurter Hauptzollamt laut einem Nachkriegsbericht „jüdische Umzugsgüter einer strengeren Kontrolle und allgemein schärferen Maßstäben“. Nach der Verzollung konnte das Umzugsgut befristet bis zur endgültigen Ausfuhr bei einem Spediteur unter Zollverschluss lagern. Aufgrund eines Runderlasses des Reichswirtschaftsministers vom 13. Mai 1938 bedurfte die Ausfuhr von Umzugsgut seitdem der Genehmigung durch die zuständige Devisenstelle, die mit der Prüfung auf Übereinstimmung der Angaben in den Umzugslisten mit den zu verpackenden Umzugsgütern die Zollämter beziehungsweise die Zollfahndungsstelle beauftragte. Sie hatten auch das Reisegepäck der Emigranten zu untersuchen. Auf Bitte des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei Heinrich Himmler wies der Reichsfinanzminister am 8. Juli 1941 die Oberfinanzpräsidenten an, dafür zu sorgen, dass die ihnen nachgeordneten Hauptzollämter bei den Speditionen unter Zollverschluss befindliche Umzugsgüter bereits emigrierter antisemitisch Verfolgter „zur Durchführung der Versteigerung“ auf Antrag der Staatspolizei frei geben.

Das „Gesetz zur Änderung der Verordnung über die Devisenbewirtschaftung“ von 1934 hatte den Zollbehörden schon damals im Zusammenhang mit der Devisenkontrolle wesentlich größere Befugnisse eingeräumt. Der Reichsminister der Finanzen erteilte deshalb am 21. Februar 1934 detaillierte Weisungen über die Aufgabenverteilung beim Zoll. Demnach konnten die Hauptzollämter oder die ihnen nachgeordneten Dienststellen Devisenkontrollen durchführen und Ermittlungen bei dem Verdacht von Devisenzuwiderhandlungen anstellen. Dazu gehörte einerseits die Devisennachschau im Postverkehr, andererseits beim Reise-, Güter- und Umzugsverkehr. Bei geringeren Devisenvergehen durfte – neben den Devisenstellen – auch der Zoll ein Unterwerfungsverfahren abwickeln. Misslang es, die Strafsache durch ein Unterwerfungsverfahren zum Abschluss zu bringen, war der Fall vom Zoll mit dem Antrag auf Erhebung öffentlicher Klage an die Staatsanwaltschaft abzugeben. Gegebenenfalls trat das Zollamt dann sogar als Nebenkläger auf. Im Rahmen ihrer Tätigkeit konnten die Zollbehörden (Wert-)Gegenstände, Zahlungsmittel oder Wertpapiere sicherstellen. Diese wurden bei der Zollkasse hinterlegt. Außerdem war sie autorisiert, vorläufige Sicherungsanordnungen auszusprechen – beispielsweise beim Grenzübertritt mit nicht zur Ausfuhr genehmigtem Bargeld, die von den Devisenstellen anschließend geprüft und gegebenenfalls bestätigt wurden.

Durch den vertraulichen Erlass der Reichsstelle für Devisenbewirtschaftung vom 20. Oktober 1937 wurden die Vorsteher der Zollfahndungsstellen und die Leiter der Devisenstellen bei der Bearbeitung von Devisensachen zwar formal gleichgestellt; faktisch kam die Regelung jedoch einer Beschneidung der Kompetenzen der Zollfahndungsstelle gleich, auch wenn sich beide gegenseitig über die Einleitung von Strafverfahren informieren sollten. Bei strafprozessualen Maßnahmen hatten die Devisenstellen zur weiteren Bearbeitung zwar die jeweiligen Zollfahndungsstellen einzuschalten, aber die Strafanzeigen mussten – sofern nicht „Gefahr im Verzug“ war – über die Devisenstellen bei der Staatsanwaltschaft eingereicht werden. Auch das Recht zur Nebenklage lag nun bei den Devisenstellen. Folgerichtig ordnete die Devisenstelle zur Unterstützung und Kontrolle der Tätigkeit der Zollfahndungsstelle Frankfurt und ihrer Zweigstellen in Kassel und Mainz „devisenrechtlich geschulte“ Mitarbeiter ab, „um eine ungehemmte und schnelle Erledigung aller Fahndungssachen zu ermöglichen“.

Nach derzeitigem Forschungsstand lässt sich zumindest für die Praxis in Frankfurt zudem eine Beteiligung der Zollbehörden bei der Verwertung geraubten Umzugsgutes und Hausrates nachweisen, die das Eigentum der antisemitisch Verfolgten zu Taxpreisen veräußerten. Die Zollfahndungsstelle Frankfurt mit Sitz in der Gutleutstraße 185, um 1938 in der Großen Gallusstraße 2, war ab Sommer 1938 nachweislich in die Überprüfung des Umzugsgutes von Emigranten einbezogen. Die Devisenstelle Frankfurt ordnete ab 1937 drei Devisenprüfer an die Zollfahndungsstelle Frankfurt ab, um die Kontrollen vornehmen zu lassen.

Die Überlieferung
Laut Anweisung für die Aktenverwaltung von 1931 hatten die Zollämter nur allgemeine und besondere Akten, Einzelfallakten sowie Personalakten zu führen. Schriftstücke ohne grundsätzliche Bedeutung, die voraussichtlich nicht wieder gebraucht wurden, sollten nach Geschäftszeichen und chronologisch sortiert in Bündeln als „Weglegesachen“ ausgesondert werden. Die Hauptzollämter führten pro Rechnungsjahr Listen über eingeleitete Strafverfahren wegen Zuwiderhandlungen gegen Zoll-, Steuer- oder Devisengesetze, Ein-, Aus- oder Durchfuhrverbote, in die auch Beschlagnahmen eingetragen wurden. Eine geschlossene Überlieferung der Zollbehörden auf dem Gebiet des heutigen Landes Hessen gelangte nicht in die staatlichen Archive. Allerdings haben sich in einer im Hessischen Staatsarchiv Darmstadt in Abteilung G 24 Generalstaatsanwaltschaft verwahrten Akte fünf Tätigkeitsberichte der Zollfahndungsstelle Frankfurt für die Jahre 1938 bis Mitte 1940 erhalten. Sie geben speziell zur Ermittlungstätigkeit der Zollfahndungsstelle, über Maßnahmen im Zusammenhang mit der Devisenbewirtschaftung, den Umfang und die Art der festgestellten Zuwiderhandlungen, die beschlagnahmten Werte, ausgesprochene Strafen und besonders spektakuläre Einzelfälle Auskunft und füllen damit eine besonders empfindliche Überlieferungslücke notdürftig aus.

 

Literatur::

Jutta Zwilling, Zollverwaltung, in: Susanne Meinl / Jutta Zwilling, Legalisierter Raub. Die Ausplünderung der Juden im Nationalsozialismus durch die Reichsfinanzverwaltung in Hessen, Frankfurt/New York 2004, S. 440-451.

Bereits 1931 hatte die Reichsregierung in Folge der Wirtschaftskrise eine Devisenbewirtschaftung eingeführt, zu der eine stärkere Warenausfuhrkontrolle gehörte. Das NS-Regime verschärfte die Bestimmungen ab 1933 weiter, auch im Hinblick auf Umzüge ins Ausland. Von den erweiterten Befugnissen der Zollbehörden waren besonders Juden betroffen, die der Verfolgung durch Emigration entgehen wollten. In Frankfurt am Main war spätestens ab 1938 die Zollfahndungsstelle in die auf Ausraubung abzielende Überprüfung von deren Umzugsgut eingebunden.



Autor/in: Jutta Zwilling
erstellt am 01.01.2011
 

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