Mit der Bücherverbrennung leisten die nationalsozialistischen Studenten ihren Beitrag zur „Säuberung des deutschen Geistes“.
Im April 1933 propagierte der Nationalsozialistische Deutsche Stundentenbund (NSDStB) auch an der Frankfurter Universität seine Leitsätze der Studentenschaft. Sie kündigten die Ausmerzung des undeutschen Geistes aus den öffentlichen Bibliotheken an und forderten unter anderem, dass Juden nicht deutsch, sondern „jüdisch“ (!) zu schreiben hätten und auf deutsch nur in gekennzeichneter Übersetzung erscheinen dürften. Am 6. Mai berichtete die Presse, die Studentenschaft habe die Säuberung eingeleitet, die bis zum 10. Mai beendet sein werde. Im Hauptgebäude der Johann Wolfgang Goethe-Universität wurde die Sammelstelle eingerichtet.
Ein nicht nur mit Büchern hoch beladener, von zwei Ochsen bespannter Wagen zog am Abend des 10. Mai in Begleitung von Dozenten, Studenten, SA und SS zum Römerberg, wo er gegen 21 Uhr eintraf. Der Wagen, mit dem üblicherweise der Stallmist auf die Felder gefahren wurde, war von einem Frankfurter Landwirt gemietet worden. An der Spitze des Zuges spielte eine SS-Kapelle Märsche, dann folgten NS-Dozentenschaft und NSDStB in Uniform und mit Fahnen, am Ende marschierten die studentischen Korporationen in vollem Wichs und mit ihren Fahnen. Laut Bericht des „Frankfurter General-Anzeigers“ vom 11. Mai 1933 harrten auf dem Römerberg etwa 15.000 Frankfurterinnen und Frankfurter des Ereignisses, auf das Pressemeldungen schon Tage zuvor aufmerksam gemacht hatten.
Die SS-Kapelle intonierte beim Eintreffen des Zuges auf dem Römerberg den Chopin’schen „Trauermarsch“. Der Mistwagen hielt neben dem Scheiterhaufen, den nationalsozialistische Studenten am Nachmittag errichtet hatten. Zudem standen einige Kanister Benzin bereit. Dann bestieg Hochschulpfarrer Otto Fricke den Holzstoß. Er verglich die anstehende Bücherverbrennung mit Luthers Verbrennung der päpstlichen Bannbulle und der Verbrennung von als reaktionär geltender Schriften und Gegenstände durch studentische Burschenschaften 1819 auf der Wartburg. Den anstehenden Verbrennungsakt wollte Fricke als Beweis dafür verstanden wissen, dass „undeutscher Geist“ endgültig von der „deutschen“ Hochschule verbannt sei und das „deutsche Volk“ wieder zu sich selbst gefunden habe. Mit einem „Heil“ auf das „deutsche“ Vaterland und den „Volkskanzler Adolf Hitler“ schloß der evangelische Studentenseelsorger die Ansprache.
Laut dem Bericht des „Frankfurter Volksblatts“ vom 11. Mai 1933 waren bereits die zum Römerberg führenden Straßen so überfüllt, dass Polizei und SA frühzeitig Absperrungen vornehmen mussten. Die Bücherverbrennung feierte Fricke laut „Volksblatt“ als „Bekenntnis zum deutschen Wesen“ und „zur von Hitler geführten Revolution“. Im Anschluss an die Rede wurde die 1. Strophe des alten Studentenliedes „Burschen heraus!“ gesungen.
Dann sprach Hochschulgruppenführer Georg Wilhelm Müller. Er bezeichnete die anstehende Verbrennung als „symbolisches Bekenntnis zum neuen Staat und zum deutschen Geist“ und nannte die Namen der Autorinnen und Autoren, deren Werke vom Wagen in das Feuer geworfen wurden: Karl Marx, Wladimir Iljitsch Lenin und Leo Trotzki, Heinrich Mann und Stefan Zweig, Lion Feuchtwanger und Alfred Döblin, Erich Maria Remarque und Ludwig Renn, Jacob Wassermann, Emil Ludwig, Clara Zetkin, Erich Kästner, Franz Werfel, und, so das „Frankfurter Volksblatt“, „viele andere“. Die SS-Kapelle intonierte das Horst-Wessel-Lied, die Menge sang, „und mit Hochrufen auf den Reichskanzler Hitler“ („General-Anzeiger“) oder „einem dreifachen Sieg-Heil auf Hitler“ („Frankfurter Volksblatt“) endete die Bücherverbrennung.
Mit der Bücherverbrennung leisten die nationalsozialistischen Studenten ihren Beitrag zur „Säuberung des deutschen Geistes“.