Jüdischer Antifaschist und Kommunist: Peter Gingold (1916-2006)

Peter Gingold, geboren 1916, kam 1930 nach Frankfurt, wo er sich im Kommunistischen Jugendverband engagierte. 1933 wurde er vom NS-Regime verhaftet und als polnischer Jude ausgewiesen. Er flüchtete nach Paris, beteiligte sich an der Résistance, wurde von der Gestapo verhaftet und gefoltert, konnte schließlich fliehen. Nach dem Krieg kehrte er nach Frankfurt zurück und beteiligte sich an der Neuorganisation der KPD. Die Einbürgerung wurde ihm wegen seiner politischen Haltung verweigert. Als Mitglied der DKP engagierte er sich politisch gegen Faschismus und Krieg und ließ sich als Zeitzeuge befragen. Er starb 2006.

 

„Zuviel an Not und Tod, an KZ-Qualen, an Verwüstung und Vernichtung, an millionenfachen Mord hat der Faschismus gebracht, sodass es nichts Wichtigeres geben kann, als Aufstehen gegen jede Erscheinung von Rassismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit, Neofaschismus, Militarismus.“ (Peter Gingold, 26. September 2000)

 

Peter Gingold, geboren 1916 in Aschaffenburg, stammt aus einer jüdischen Familie. Er hat sieben Geschwister. Sein Vater arbeitet als Schneidermeister. Im Jahr 1930 zieht Familie Gingold nach Frankfurt am Main, genauer in das Ostend. Dort besucht Peter Gingold die Jüdische Volksschule. Mit 14 Jahren beginnt er eine kaufmännische Ausbildung in einer Musikgroßhandlung, wird Mitglied der Gewerkschaftsjugend des Allgemeinen freien Angestelltenbundes (Afa-Bund) und ab 1931 im Kommunistischen Jugendverband. Schon frühzeitig engagiert er sich im Kampf gegen den erstarkenden Nationalsozialismus.

 

Nach 1933 nimmt der Jugendliche an illegalen Aktivitäten teil, wird verhaftet und als polnischer Staatsbürger des Landes verwiesen. Im Herbst 1933 flüchtet er nach Paris, wo auch seine Eltern und Geschwister inzwischen leben. Dort schreibt er Texte für einen antifaschistischen Propagandasender und die deutschsprachige Exilzeitung „Pariser Tageblatt“. Zusammen mit anderen deutschen emigrierten Antifaschisten gründet Peter Gingold 1936 die Gruppe Freie Deutsche Jugend (FDJ); dort lernt er auch die aus Rumänien stammende Ettie Stein-Haller kennen. Das Paar heiratet 1940. Zeitweise schließt er sich der Résistance, der französischen Widerstandsbewegung, an. Im Rahmen seiner Tätigkeit im Untergrund gegen die deutschen Besatzer verbreitet er antifaschistische Flugblätter unter den Soldaten und stellt Kontakte zu eventuellen Hitler-Gegnern in der deutschen Wehrmacht her. Im Jahr 1943 verhaftet die Geheimen Staatspolizei Peter Gingold in Dijon und verhört ihn unter Folter mehrere Wochen. Im Juli 1942 sind bereits zwei seiner Geschwister in Paris verhaftet und kurze Zeit später in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert worden.

 

Nach seiner Verlegung in die französische Hauptstadt gelingt Peter Gingold die Flucht. Anschließend arbeitet er für die Bewegung „Freies Deutschland“, eine von der Sowjetunion initiierte Sammlungsbewegung kommunistischer deutscher Emigranten. Im August 1944 engagiert er sich beim Aufstand zur Befreiung von Paris. Das Kriegsende erlebt er bei norditalienischen Partisanen.
Über Berlin kehrt Peter Gingold nach Frankfurt am Main zurück und beteiligt sich dort an der Neuorganisation der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Bis 1956 gilt er wie viele andere ehemals polnische Juden in Deutschland als „staatenlos“. Die Einbürgerungsanträge für sich und die Familie schmettern die Behörden mit der Begründung ab, „sein Verhalten (sei) in der Vergangenheit und Gegenwart gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gerichtet“. Seit Gründung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) 1968 gehört er zu ihren Mitgliedern.

 

Bis zu seinem Tod am 29. Oktober 2006 engagiert sich Peter Gingold politisch aktiv gegen Faschismus und Krieg, zum Beispiel als Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN/BdA), im Verband Deutscher in der Résistance und im Auschwitz-Komitee. Regelmäßig stellt er sich als Zeitzeuge in Gesprächen etwa an Schulen zur Verfügung.
Am 12. Dezember 2004 zeichnet ihn die Internationale Liga für Menschrechte mit der Carl-von-Ossietzky-Medaille aus. Der Frankfurter Verein „Leben und Arbeiten im Gallus und in Griesheim e. V.“ (LAGG) stiftet den seit 2008 im zweijährigen Turnus vergebenen „Ettie und Peter Gingold-Preis". Die Auszeichnung ist mit 3.000 Euro dotiert.

 

 

 

Literatur:

Brigitte Biehl, „Bei Unrecht den Mund öffnen.“ Konrad Haenisch-Schule: NS-Überlebender Peter Gingold berichtet über sein Leben und mahnt vor Rassismus, in: Frankfurter Rundschau, 19. März 2004.

Karl Heinz Jahnke, „Sie haben nie aufgegeben“ – Ettie und Peter Gingold. Widerstand in Frankreich und Deutschland, Köln 2002.

ders., Aus dem Leben von Peter und Ettie Gingold, Frankfurt am Main 2006.

Ulrich Schneider, Résistance : Dokumentation zum 90. Geburtstag des Antifaschisten und Kommunisten Peter Gingold aus Frankfurt am Main, 2. Auflage, Bonn 2007.

Peter Gingold, geboren 1916, kam 1930 nach Frankfurt, wo er sich im Kommunistischen Jugendverband engagierte. 1933 wurde er vom NS-Regime verhaftet und als polnischer Jude ausgewiesen. Er flüchtete nach Paris, beteiligte sich an der Résistance, wurde von der Gestapo verhaftet und gefoltert, konnte schließlich fliehen. Nach dem Krieg kehrte er nach Frankfurt zurück und beteiligte sich an der Neuorganisation der KPD. Die Einbürgerung wurde ihm wegen seiner politischen Haltung verweigert. Als Mitglied der DKP engagierte er sich politisch gegen Faschismus und Krieg und ließ sich als Zeitzeuge befragen. Er starb 2006.



Autor/in: Heike Drummer / Jutta Zwilling
erstellt am 01.01.2010
 

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