Am 10. Mai 2002 wurde die Gedenkplakette an die nationalsozialistische Bücherverbrennung enthüllt.
Ausschnitte der Rede des Kulturdezernenten der Stadt Frankfurt am Main, Stadtrat Hans-Bernhard Nordhoff während der Feier zur Enthüllung der Gedenkplakette an die Bücherverbrennung:
„Die symbolische Darstellung der Flammen steht menetekelhaft für die Katastrophe des Zivilisationsbruchs, den das nationalsozialistische Deutschland an der Menschheit und an den Werten von Aufklärung, Emanzipation und Demokratie beging. Denn die Flammen zerstörten nicht nur die geistige Welt, sie markieren zugleich den Beginn des staatlichen Terrors und der nationalsozialistischen Verbrechen, das Millionen von Menschenleben, insbesondere die europäischen Juden sowie Sinti und Roma ausgelöscht hatte (...).
Vom heutigen Tage an wird der Römerberg auch zu einem weiteren Element der Topographie der NS-Zeit in Frankfurt am Main werden, ein Vorhaben, dass die Stadt Frankfurt am Main im Rahmen einer Arbeitsgruppe mit öffentlichen Institutionen und wissenschaftlichen Einrichtungen, Verbänden und Vereinen, Religionsgemeinschaften, Gewerkschaften, Geschichtsinitiativen und anderen Trägern der historischen Arbeit in unserer Stadt vorantreibt (...).
Zwei Tage nach dem Fanal der Bücherverbrennung höhnte die nationalsozialistisch gleichgeschaltete Presse, wie wir den „Frankfurter Nachrichten“ vom 12. Mai 1933 entnehmen können: ‚Der Römerberg hat schon vieles erlebt. Er ist das eigentliche Schicksalsbuch der alten Kaiser- und Reichsstadt, das nun auch die flammenlodernde Szene des Kampfes gegen den volksfeindlichen Geist des Marxismus verzeichnet.‘ Heute, 68 Jahre später, haben wir uns auf dem Römerberg versammelt, um nicht nur mit Worten an diesen Akt der Barbarei gegen die Werte von Aufklärung, Emanzipation und Demokratie zu erinnern, sondern wir wollen auch ein bleibendes Zeichen setzen: Ein Zeichen für die Autoren und alle anderen Menschen, die von den Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben, in Konzentrations- und Vernichtungslagern, Gestapogefängnissen, Ghettos und an vielen anderen Orten des Verbrechens gefoltert und ermordet wurden (...). Ein Zeichen für die, die sich durch Emigration retten konnten und an der Existenz in der Fremde, im Exil zerbrachen (...). Und ein Zeichen wollen wir setzen für die verbrannten Bücher des Andersdenkenden und für den freien Geist, der hier geschändet wurde (...).
Die Goebbelssche Propagandamaschinerie rechtfertigte die Hetzkampagne folgendermaßen: ‚Klassenkämpferisch und materialistisch: Karl Marx und Karl Kautsky; Dekadent und moralisch verfallen: Heinrich Mann, Ernst Glaeser, Erich Kästner; Gesinnungslumpig und politisch verräterisch: Friedrich Wilhelm Foerster; Seelenzerfasernd, triebbetont: Sigmund Freud; Geschichtsverfälschend und heldenentwürdigend: Emil Ludwig, Werner Hegemann; Volksfremd, demokratisch-jüdisch: Theodor Wolff, Georg Bernhard; Soldatenfeindlich: Erich-Maria Remarque; Sprachverhunzend: Alfred Kerr; Frech und anmaßend: Kurt Tucholsky, Carl von Ossietzky‘ (...).
Der Einsatz der Studenten bei der Bücherverbrennung zeigte mit einem Schlag, wie weit die NS-Ideologie schon im Mai 1933 taträftige Handlanger innerhalb des akademischen Lebens aktiviert hatte (...). Der Bericht der „Frankfurter Nachrichten“ vom 12. Mai 1933 schloss mit den Worten: ‚Sie, die einst mit ihren Erzeugnissen einen großen Einfluß auf das deutsche Volk auszuüben vermochten, fanden ein frühzeitiges, nie geahntes Ende.‘ Schon wenige Jahre danach sollte sich die bittere Wahrheit der Worte von Heinrich Heine, die auf der zu enthüllenden Gedenktafel verewigt sind, erfüllen: ‚Das war ein Vorspiel nur: Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen‘ (...).
Das Todesurteil gegen die deutsche Literatur, wie Alfred Kantorowicz schrieb, das die Nazis am 10. Mai 1933 proklamierten, wurde ‚in absentia‘ vollstreckt. Das Todesurteil gegen Millionen von Menschen, insbesondere gegen die jüdische Bevölkerung Europas und Angehörige der Sinti und Roma, wurde in einem nahezu alle Bereiche des NS-Staates umfassenden Vernichtungsprogramm vollstreckt.
Meine Damen und Herren, die Gedenktafel, die ich nun enthüllen möchte, ist von daher zugleich ein Beitrag gegen das Vergessen. Sie sollte aber auch als eine Tafel zu Ehren der verbrannten Schriftsteller und der verbrannten Bücher gesehen werden, als eine Ehrentafel der geistigen Welt, vor der die Nazis einen so tiefen Argwohn hegten, dass sie mit allen Mitteln ihre Vernichtung betrieben. Ich bedanke mich bei Ihnen, die Sie heute gekommen sind und mit der Übergabe dieser offenen Wunde der Stadtgeschichte durch ihre Teilnahme, Ihre Solidarität und Zustimmung zur mahnenden Zentralforderung ausdrücken: ‚Nie wieder!‘.“
Am 10. Mai 2002 wurde die Gedenkplakette an die nationalsozialistische Bücherverbrennung enthüllt.