Joachim Gottschalk, geboren 1904, kam 1934 auf Wunsch von Intendant Meissner als Schauspieler nach Frankfurt. Weil seine Ehefrau Jüdin war, wurde ein Auftritt des Künstlers bei der Eröffnungsfeier der „1. Gaukulturwoche Hessen-Nassau“ von NS-Funktionären als Provokation empfunden und sein Engagement in Frankfurt beendet. In Berlin begann Gottschalk eine zweite Karriere als Filmschauspieler, die aber 1941 endete, weil er sich von seiner Frau nicht trennen wollte. Angesichts der ihr und dem gemeinsamen Sohn drohenden Deportation nahm sich die Familie Ende 1941 das Leben.
„Im Anschluss an die gestrige Besprechung beim Gauleiter bestätige ich Ihnen, daß die jüdische Versippung des Schauspielers Gottschalk weiten Kreisen der Bevölkerung und der Parteigenossenschaft bekannt ist, und daß sein Auftreten anlässlich der Eröffnungsfeier der 1. Gaukulturwoche Hessen-Nassau große Empörung ausgelöst hat. Das Verhalten des Herrn Gottschalk bei dieser Gelegenheit hat ihn in Frankfurt unmöglich gemacht. Sein (?) weiteres Verbleiben wird nach einhelliger Auffassung der nationalsozialistisch gesinnten Bevölkerung als untragbar empfunden.“ (Gaupropagandaleiter Willi Stöhr über Joachim Gottschalk, 17. Februar 1937)
Joachim Gottschalk kommt am 10. April 1904 in der märkischen Kreisstadt Calau als fünftes Kind des Kreisarztes Otto Gottschalk und dessen Ehefrau Anna zur Welt.
Bereits im Alter von fünf Jahren ist er als Statist auf einer Bühne zu sehen. Während des Ersten Weltkriegs wird der Vater nach Cottbus versetzt. Die Mutter leitet dort die Küche eines Soldatenheims. Der junge Joachim Gottschalk unterhält die Kasernierten mit Gedichtvorträgen. Noch während der Schulzeit spielt er am Cottbusser Stadttheater in einer Schüleraufführung den Hämon in „Antigone“. Nach dem Abitur im Frühjahr 1922 beginnt Gottschalk zunächst eine Ausbildung als Seemann auf dem Schulschiff „Großherzogin Elisabeth“ und heuert anschließend bei verschiedenen Frachtlinien an. Seinen Wunsch Schauspieler zu werden, verliert er aber nicht aus den Augen. 1926 bewirbt sich Gottschalk erfolgreich am Stadttheater Cottbus und erhält Schauspielunterricht von dessen Leiter Friedrich Lenar. Nach einem viel beachteten Debüt in Berlin wechselt er 1927/28 an die Württembergische Volksbühne Stuttgart. Es handelt sich um eine Wanderbühne, die in kleineren, theaterlosen Gemeinden gastiert. Dort lernt er die Schauspielerin Meta Wolff kennen. Es folgen Engagements am Stadttheater Zwickau und am Alten Theater Leipzig.
Am 3. Mai 1930 heiraten die beiden Künstler; dem Ehemann zuliebe verlässt Meta Gottschalk die jüdische Gemeinschaft und tritt zum evangelischen Bekenntnis über. Drei Wochen nach der „Machtergreifung“ kommt Sohn Michael zur Welt. Im Frühjahr 1934 wechselt Gottschalk an die Städtischen Bühnen in Frankfurt. Intendant Meissner engagiert den Schauspieler persönlich. Am 1. Juli 1934 präsentiert er sich erstmals bei den Römerberg-Festspielen als Karl VII. in Schillers „Jungfrau von Orleans“. Es folgt die Rolle des Max in „Wallensteins Lager“. Frankfurts Publikum und Presse sind begeistert von seiner Darbietung. Nach dem großen Erfolg zieht die Familie nach Frankfurt. Gottschalk avanciert zum „ersten Mann“ der Städtischen Bühnen und gilt fortan als Meissners Lieblingsschauspieler. In dem Auftritt des „bekanntermaßen jüdisch versippten“ Bühnenstars während der „1. Gaukulturwoche Hessen-Nassau“ Ende 1937 sehen NS-Funktionäre eine Provokation. Kurz darauf löst der Intendant auf politischen Druck den Vertrag mit Gottschalk wegen dessen „Mischehe“.
Im September 1938 erhält der Mime eine jederzeit widerrufbare Sonderauftrittserlaubnis für die Berliner Volksbühne. Die Familie zieht in die Reichshauptstadt. Im selben Jahr beginnt die Filmkarriere. Joachim Gottschalk spielt in dem Streifen „Du und ich“ unter der Regie von Wolfgang Liebeneiner und wird gefeierter Leinwandstar. Es folgen weitere Dreharbeiten unter anderen für „Aufruhr in Damaskus“ (1939), „Eine Frau wie Du“ (1939), „Ein Leben lang“ (1940) oder „Das Mädchen von Fanö“ (1941). Immer häufiger wird ihm die Scheidung nahegelegt – nicht zuletzt von Propagandaminister Goebbels persönlich. Der Schauspieler weigert sich und erhält nach „Die schwedische Nachtigall“ (1941) keine Filmangebote mehr. Die Familie leidet. Schließlich sieht das Paar keinen Ausweg mehr: Am 5. November 1941, eine Woche vor Beginn der Deportationen aus Berlin, treffen Joachim und Meta Gottschalk die verzweifelte Entscheidung, gemeinsam mit dem achtjährigen Sohn aus dem Leben zu scheiden. Sie sterben durch Veronal und Gas in ihrer Wohnung, Seebergsteig 2.
Der DEFA-Regisseur Kurt Maetzig thematisiert 1947 das Schicksal der Familie Gottschalk in seinem ersten Spielfilm „Ehe im Schatten“. Seit Ende der 1950er Jahre ehrt eine Büste des Künstlers Knud Knudsen das Andenken Joachim Gottschalks im Frankfurter Schauspiel.
Joachim Gottschalk ist auf der Gedenktafel der Städtischen Bühnen aufgeführt.
Literatur und Quellen::
Katharina Fertsch-Röver, Theater im Nationalsozialismus unter der besonderen Berücksichtigung der Theater in Berlin und Frankfurt/Main. Diplomarbeit an der Fachhochschule Frankfurt, Frankfurt am Main 1986, S. 26 ff.
Institut für Stadtgeschichte S 2/446; Nachlass Albert Mohr S 1/384 Nr. 102; Nachlass Friedrich Joseph Wolff S 1/62; Personalakten 10 232.
Wolfgang Klötzer (Hg.), Frankfurter Biographie, Frankfurt am Main 1994, Bd. 1, S. 273-274.
Ulrich Liebe, verehrt verfolgt vergessen. Schauspieler als Naziopfer. Weinheim/Berlin 1997 (2. Aufl.), S. 62-95.
Bettina Schültke, Theater oder Propaganda? Die Städtischen Bühnen Frankfurt am Main 1933-1945. Frankfurt am Main 1997, S. 88-90.
Joachim Gottschalk, geboren 1904, kam 1934 auf Wunsch von Intendant Meissner als Schauspieler nach Frankfurt. Weil seine Ehefrau Jüdin war, wurde ein Auftritt des Künstlers bei der Eröffnungsfeier der „1. Gaukulturwoche Hessen-Nassau“ von NS-Funktionären als Provokation empfunden und sein Engagement in Frankfurt beendet. In Berlin begann Gottschalk eine zweite Karriere als Filmschauspieler, die aber 1941 endete, weil er sich von seiner Frau nicht trennen wollte. Angesichts der ihr und dem gemeinsamen Sohn drohenden Deportation nahm sich die Familie Ende 1941 das Leben.