Generalkonsul Robert T. Smallbones: Von der rettenden Kunst britischer Diplomatie

Nathan Sucher aus Frankfurt am Main bedankt sich bei Generalkonsul Smallbones für das rettende Visum, London 22. Dezember 1939.

Robert T. Smallbones (1884-1976). Ohne Datum.

Robert T. Smallbones und seine Ehefrau Inga in Brasilien. Ohne Datum.

Generalkonsul Robert T. Smallbones verhalf im Gefolge des Novemberpogroms von 1938 als britischer Generalkonsul in Frankfurt einer großen Zahl von Juden zur rettenden Ausreise nach Großbritannien, darunter auch etwa 10.000 Kindern.

 

Robert T. Smallbones (1884-1976) wirkte ab 1932 zunächst als Leiter des britischen Generalkonsulats, später als Generalkonsul in Frankfurt am Main. November-Pogrom 1938: Der tödliche Anschlag Herschel Grynszpans auf den deutschen Botschafter in Paris hatte den Nationalsozialisten den Vorwand geliefert, einen lange vorbereiteten Terrorakt gegen Juden zu initiieren. In der Nacht vom 9./10. November 1938 schändete ein entfesselter Mob im gesamten Deutschen Reich Synagogen, plünderte und zerstörte Wohnungen und Geschäfte. Viele jüdische Familien aus dem Umland suchten verzweifelt Schutz in der Mainmetropole. Gleichzeitig begann in Frankfurt eine mehrtägige Jagd auf jüdische Männer, die in einer nie dagewesenen Verhaftungswelle gipfelte. Etwa 3.000 Personen wurden gewaltsam in die Festhalle und von dort in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen verschleppt. Während dieser für die jüdische Gemeinschaft so existentiell bedrohlichen Tage unternahmen Robert T. Smallbones und sein Stellvertreter Arthur Dowden (gestorben 1979) außerordentliche Anstrengungen, möglichst vielen Juden unbürokratisch Einreisepapiere für Großbritannien auszustellen, die sogenannten transmigration visa. Des Weiteren gestattete der Diplomat unmittelbar nach dem Pogrom Hunderten, die Nacht im Konsulat zu verbringen, bis die Gefahr der Verhaftung gebannt war; Familienangehörige und das gesamte Personal versorgten noch tagelang die verstörten Menschen mit Essen und spendeten Trost. Vizekonsul Dowden fuhr durch die Stadt und verteilte Lebensmittel an Frauen und Kinder deportierter jüdischer Männer.

 

Mit diplomatischem Geschick erreichte Smallbones beim britischen Innenministerium, dass bis Oktober 1939 etwa 48.000 Juden aus dem Deutschen Reich mit Transitvisa ein maximal zweijähriges Aufenthaltsrecht in Großbritannien erhielten. Dort durften sie allerdings weder um Arbeit nachsuchen noch mittellos werden, so lautete die strenge Bedingung zur Einreise. Etwa im selben Zeitraum ermöglichte er rund 10.000 jüdischen Kindern die Flucht nach England. Dabei missachtete der Generalkonsul häufig die Rechtsbestimmungen seiner eigenen Behörde. Über Monate verhandelte er unermüdlich: „Ich ging zu Bett … nach zwei Stunden rührte mich mein Gewissen. Es war ein schreckliches Gefühl, dass es Menschen in Konzentrationslagern gab, die ich herausbekommen konnte, und dass ich selbst behaglich im Bett lag.“ Wie Diplomaten anderer Nationen auch erstattete Generalkonsul Smallbones am 14. Dezember 1938 seiner Regierung Bericht über die Judenverfolgung in Frankfurt am Main: „Ich fürchte, dass es kein Vergnügen sein wird, diesen Bericht zu lesen, aber ich erachte es für meine Pflicht, die Dinge beim richtigen Namen zu nennen.“ 1939 erlitt Smallbones einen Nervenzusammenbruch. Nach dem Überfall auf Polen durch die deutsche Wehrmacht wurde der Brite aus Frankfurt abberufen und nach Sao Paulo in Brasilien versetzt.

 

In dankbarer Erinnerung sprachen die Geretteten später vom „Smallbones-System“. In seinem Bericht „Leben und Lehre“ schrieb 1982 etwa der nach Großbritannien emigrierte Rabbiner Georg Salzberger: „Dankbar gedenken Hunderte des damaligen Konsuls Smallbones und des Vizekonsuls Dowden. Was diese Männer viele Monate Tag für Tag an Zuspruch, Rat und Hilfe den armen Menschen gegeben haben, die das Wartezimmer füllten, ist ein leuchtendes Beispiel echter Menschenliebe.“

 

Am 8. Mai 2013 enthüllte Oberbürgermeister Peter Feldmann vor der ehemaligen britischen Gesandtschaft in der Guiollettstraße 53 eine Bronzetafel zur Erinnerung an Robert T. Smallbones und Arthur Dowden. Anwesend bei der Zeremonie war auch der Initiator der Gedenkplatte John D. Goldsmith, Vizepräsident des Anne Frank-Fonds in Basel; seine Eltern hatten zu den Personen gehört, die dem Generalkonsul nach 1938 ihre rettende Flucht nach Großbritannien verdankten.

Generalkonsul Robert T. Smallbones verhalf im Gefolge des Novemberpogroms von 1938 als britischer Generalkonsul in Frankfurt einer großen Zahl von Juden zur rettenden Ausreise nach Großbritannien, darunter auch etwa 10.000 Kindern.



Autor/in: Heike Drummer
erstellt am 01.01.2015
 

Verwandte Personen

Smallbones, Robert

Verwandte Beiträge

Gedenktafel für Robert T. Smallbones und Arthur Dowden


Kinderauswanderung und Kindertransporte


Rettende Kindertransporte aus Frankfurt am Main 1938-1940

Verwandte Ereignisse

Novemberpogrom

Top