Werner Hilpert, Mitbegründer der CDU

Dr. Werner Hilpert, von 1947-1950 stellvertretender Ministerpräsident

Werner Hilpert auf einem Wahlplakat von 1946

Werner Hilpert (Mitte) bei der Wiedereröffnung der Frankfurter Universität am 1. Februar 1946. Direkt hinter ihm Oberbürgermeister Kurt Blaum.

Der 1897 in Leipzig in die katholische Diaspora geborene Werner Hilpert engagierte sich nach dem Ersten Weltkrieg bei der Gründung des Zentrums und wurde sächsischer Landesvorsitzender. 1939 wurde er wegen seiner politischen Aktivitäten vom NS-Regime ins KZ Buchenwald verschleppt, in dem er bis zur Befreiung 1945 Kontakt zu Sozialdemokraten und Kommunisten hatte. In Frankfurt übernahm er im Juni 1946 die Geschäftsführung der IHK und beteiligte sich an der Gründung der CDP (später CDU), wurde einer der hessischen CDU-Vorsitzenden und Mitglied im Kabinett. Als in seiner Partei das christlich-soziale Element immer mehr in den Hintergrund geriet, schied er aus der aktiven Politik aus.

 

Werner Hilpert, heute ein wenig beachteter ehemaliger CDU-Mitgründer und Politiker in Frankfurt, Hessen und im Bund, kam am 17. Januar 1897 als Sohn von Johann Baptist Hilpert und Martha Hilpert in Leipzig zur Welt. Schon früh wurden für seine späteren Überzeugungen und Haltungen zwei Dinge prägend: das Aufwachsen in der katholischen Diaspora und eine spürbare Sensibilität für soziale Belange, da er selbst in zwar gesicherten, aber einfachen Verhältnissen aufgewachsen war. Sein Vater war zunächst Kupferstecher, dann Abteilungsleiter mit Prokura bei der Druckerei Giesecke & Devrient in Leipzig. „Hilpert wurde damit in einem Wohngebiet groß, in dem Arbeiter und Handwerker lebten und kleine Gewerbebetriebe dominierten. Die Welt des ‚kleinen Mannes‘ war ihm vertraut.“ (Pappert, S.10, Mühlhausen, S. 246)

 

Nach dem Abitur am Nicolaigymnasium in Leipzig, studierte Werner Hilpert von April 1916 bis Juli 1920 – unterbrochen durch seinen Kriegsdienst von Juli 1916 bis November 1918 – Philologie und Nationalökonomie in Leipzig. Er schloss dieses Studium mit der Promotion im Juli 1920 ab. Beruflich entschied sich Hilpert zunächst für verschiedene Angebote in der Privatwirtschaft. So ging er 1920 als Volontär und später als Assistent zur Sächsischen Staatsbank und wechselte 1922 in die Position eines Syndikus zum Leipziger Einzelhandelsverband. Zusätzlich zu dieser ausfüllenden Tätigkeit, die er bis 1932 ausübte, wirkte Werner Hilpert zwischen 1924 und 1932 bei der Sanierung von Banken wie der Leipziger Stadtbank 1931 mit. Zahlreiche auch nicht verbandspolitische Aktivitäten rundeten sein berufliches Profil ab.

 

Die entscheidende Rolle in Hilperts Leben sollte jedoch sein Engagement für die Sache des politischen Katholizismus spielen. Hilpert war an der Gründung der Leipziger Ortsgruppe des Zentrums am 15. Januar 1919 maßgeblich beteiligt. Rhetorisches Geschick und politisches Stehvermögen brachten ihm nach dem Einzug in die Leipziger Stadtverordnetenversammlung auch 1932 den Landesvorsitz des Sächsischen Zentrums ein. Noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 grenzte sich Hilpert vom Extremismus ab und favorisierte stattdessen Bündnisoptionen zwischen Zentrum, SPD und anderen demokratischen Parteien.

 

Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten änderte sich seine berufliche sowie politische und private Situation grundlegend. Nach dem Verlust des politischen Mandats in der Stadtverordnetenversammlung und des Vorsitzes seiner Landespartei wählte Werner Hilpert zunehmend die Möglichkeit auf dem politisch nicht rsikanten Gebiet der Wirtschafts-, Finanz-, und Steuerberatung, wobei ihm beim Aufbau eines Kundestammes auch alte Kontakte nützlich waren. Zugleich bemühte er sich als Vorsitzender der Katholischen Aktion in Sachsen um die Bewahrung des religiös-konfessionellen Charakters der Bekenntnisschulen im Freistaat. Der Leipziger Oberbürgermeister und spätere Gründer des „Goerdeler-Kreises“, Carl Goerdeler setzte sich, obwohl preußisch-protestantisch gesonnen, für dieses Anliegen Hilperts ein.

 

Nachdem Hilpert aufgrund seines Engagements für die Katholische Aktion seit dem „Röhm-Putsch“ 1934 und der Ermordung des Zentrums-Politikers Erwin Klausener um die Gefährdung seines Lebens wusste, blieb er zunächst von der Gestapo noch unbehelligt. Am 1. September 1939, dem Tag des Einmarsches der Deutschen Wehrmacht in Polen, wurde Hilpert schließlich von der Gestapo verhaftet und im Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg bei Weimar inhaftiert. Dort gelang es ihm, nach anfänglichen Schikanen und Demütigungen, in die Schneiderei versetzt zu werden und dort die Haftzeit bis zur Befreiung am 11. April 1945 durch die Amerikaner zu überdauern. Hilpert nahm während seiner Zeit im KZ Buchenwald Kontakt zu anderen politischen Häftlingen auf und machte unter anderem Bekanntschaft mit dem SPD-Politiker Hermann Brill (1895-1959). Ebenso traf er dort auf Eugen Kogon (1903-1987) und den Kommunisten Walter Wolf (1907-1977), mit denen er zusammen später im Lager ab Februar 1944 ein Volksfront-Komitee gründete. Dort konnte Hilpert im Dialog mit ehemaligen politischen Gegnern und Leidensgenossen Konzepte für ein demokratisches Deutschland nach dem Ende des Nationalsozialismus debattieren. Pappert (Ebd., S. 24) bewertet die Bedeutung dieser Verständigung über die politischen Grundlagen und die illegale Betätigung für Werner Hilpert so: „Für Hilpert wirkte sich die in diesem Rahmen geleistete illegale Tätigkeit unmittelbar aus. Er gehörte als einer von fünf Deutschen dem am 11. April von den Häftlingen gebildeten Internationalen Lagerkomitee an, das vor allem für die Aufrechterhaltung von Ordnung und Disziplin im Lager sowie die medizinische Betreuung und die Sicherung der Ernährungslage zu sorgen hatte. Die Berufung in dieses Internationale Lagerkomitee unterstrich die Achtung, die Hilpert sich unter den Häftlingen durch sein Verhalten im Lager erworben hatte und schuf damit gute Voraussetzungen für eine erfolgreiche politische Tätigkeit in der Nachkriegszeit.“

 

Auch wenn der Name Werner Hilpert in der Nachkriegszeit oftmals mit der Gründung der Frankfurter CDP und der Hessen-CDU in Verbindung gebracht wird, waren nach seiner Befreiung aus dem KZ die folgenden Stationen zunächst andere. Vom 4. Mai 1945 an war Hilpert auf Veranlassung des damaligen Thüringischen Ministerpräsidenten Hermann Brill Treuhänder des ehemaligen NS-Vermögens. Als solcher war er befugt „die von ihm zu erfassenden Vermögenswerte einstweilen in Besitz zu nehmen und Rechtsgeschäfte darüber abzuschließen, soweit es zur Erhaltung und Sicherung des Bestandes oder zur Vermeidung wesentlicher Schäden notwendig ist“. Nach diesem Einsatz, bei dem sich Hilpert bewährte, lehnte er jedoch ein Angebot als Wirtschaftsdezernent der Stadt Leipzig ab und führte vor allem an, dass er zunächst von Politik genug habe. Er wolle sich um die Sicherheit und das Wohlergehen seiner Familie kümmern. Die Übersiedlung von Thüringen nach Hessen und schließlich nach Frankfurt am Main brachte ihn an seine spätere Wirkungsstätte. Hier, in Frankfurt übernahm Hilpert auf Bitten der Amerikaner im Juni zunächst den Posten als Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Frankfurt (IHK Frankfurt).

 

Damit hatte er in der zerstörten Stadt vielfältige Aufgaben zu erfüllen. Neben der Wirtschaftsberatung von Unternehmen über gesetzliche Vorschriften, der Lizensierung von Betrieben und der Organisation von Aufbauarbeiten zählten auch fachfremde Dienste zu den Aufgaben der IHK. Sie übernahm Krankentransporte und war für die Fahrbereitschaft in der Stadt zuständig. Da die IHK die einzige funktionierende Institution neben der Stadtverwaltung war, hatte sie diese vielfältigen Aufgaben übertragen bekommen, und Hilpert bewährte sich auch dort. Die Errichtung einer Rhein-Main-Handelskammer am 7. August 1945 war sicher der Höhepunkt seiner Tätigkeit.

 

Den Weg in die Parteipolitik und zur Gründung einer Partei, die auf den christlichen Grundwerten fussen und die Ideen der katholischen Soziallehre aufgreifen sollte, fand Hilpert im Sommer 1945. Er begrüßte während der Beratungen bei der Gründung der Frankfurter CDP die deutlich linkskatholische Ausrichtung, machte aber zugleich klar, dass er kein Freund planwirtschaftlicher Überlgegungen sei. Darüber hinaus dürfte auch seine Inhaftierung im KZ Buchenwald und der Kontakt mit Sozialdemokraten und Kommunisten die Verbindung von christlichen und sozialistischen Elementen in seiner politischen Konzeption maßgeblich gefördert haben. Nach Pappert wollte er „bei der Gründung einer neuen christlichen Partei mitwirken, die Katholiken und Protestanten vereint.“ Nach seinen eigenen Worten ging es ihm darum, „weitgehend und entscheidend diese Anfangsentwicklung zu beeinflussen und sie zu einem Abschluß zu bringen.“ (Pappert, S. 38f., Mühlhausen, S. 250ff.)

 

Die politischen Grundsätze Hilperts, die sich vor allem aus seinem katholischen Glauben speisten und sich in den Frankfurter Leitsätzen des christlichen Sozialismus der CDP/CDU von 1945 widerspiegelten, führten ihn in der Folgezeit zur Übernahme von politischer Verantwortung im neu entstandenen Hessen. So war er ab 1946 nicht nur einer der Vorsitzenden der Hessen-CDU, sondern wirkte auch im Kabinett Karl Geiler (1878-1953) als stellvertretender Ministerpräsident und Minister ohne Ressort mit. Ebenso war er für die CDU an den Verfassungsberatungen über die neue Hessische Verfassung maßgeblich beteiligt und fungierte zeitweilig als Vorsitzender des Beratenden Landesausschusses. In der neuen Regierung Christian Stock (1884-1967), einer SPD/CDU-Regierung, nahm er das Amt des Finanzminister vom 6. Januar 1947 bis zu deren Ende 1950 wahr. Nachdem er Ende 1950 die Regierung Christian Stock verließ und der Rückhalt für eine betont soziale Politik unter christlichen Vorzeichen in der CDU mehr und mehr schwand, zog sich Hilpert aus der Politik zurück. 1952 legte er auch den Vorsitz der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag nieder. In seinen letzten Lebensjahren von 1952 bis 1957 amtierte Werner Hilpert als Präsident und Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbahn. 1957 verstarb er kurze Zeit nach seinem 60. Geburtstag.

 

 

 

 

 

 

Literatur und Quellen::

Sabine Pappert, Werner Hilpert – Politiker in Hessen 1945 bis 1952. Vorkämpfer für eine christlich-soziale Demokratie, (Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen, 30), Wiesbaden 2003.

Walter Mühlhausen, Werner Hilpert (1897-1957), in: Bernd Heidenreich, Walter Mühlhausen, Einheit und Freiheit. Hessische Persönlichkeiten und der Weg zur Bundesrepublik Deutschland, Wiesbaden 2000.

Joachim Rotberg, Zwischen Linkskatholizismus und bürgerlicher Sammlung. Die Anfänge der CDU in Frankfurt am Main 1945 – 1946, Frankfurt am Main 1999.

Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, Sammlung Personengeschichte: S 2, Sign.: 3.628, Dr. Werner Hilpert.

Archiv für Christlich-Demokratische Politik der Konrad-Adenauer-Stiftung, St. Augustin (ACDP), I – 021, Nachlass Werner Hilpert.

Der 1897 in Leipzig in die katholische Diaspora geborene Werner Hilpert engagierte sich nach dem Ersten Weltkrieg bei der Gründung des Zentrums und wurde sächsischer Landesvorsitzender. 1939 wurde er wegen seiner politischen Aktivitäten vom NS-Regime ins KZ Buchenwald verschleppt, in dem er bis zur Befreiung 1945 Kontakt zu Sozialdemokraten und Kommunisten hatte. In Frankfurt übernahm er im Juni 1946 die Geschäftsführung der IHK und beteiligte sich an der Gründung der CDP (später CDU), wurde einer der hessischen CDU-Vorsitzenden und Mitglied im Kabinett. Als in seiner Partei das christlich-soziale Element immer mehr in den Hintergrund geriet, schied er aus der aktiven Politik aus.



Autor/in: Markus Wedel
erstellt am 01.01.2009
 

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