Dokument: Schreiben des Rektors der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen an die Gestapo in Frankfurt am Main

Der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen beschwert sich bei der Gestapo über nächtliche Beschimpfungen und Belästigungen durch NSDAP-Anhänger. Das Schreiben wurde auch Oberbürgermeister Friedrich Krebs bekannt gemacht.

 

An die

Geheime Staatspolizei

im Polizeipräsidium

 

Frankfurt am Main

 

 

 

A 141 Sankt Georgen, 27.6.1934

 

Einschreiben!

Durch Eilboten!

 

 

Im Interesse der öffentlichen Ordnung unserer Stadt, im Interesse der Wahrung des Hausfriedens, im Interesse auch der Würde der Staatsautorität und der städtischen Autorität, vor allem auch im erziehlichen Interesse zum Wohl der deutschen Jugend hält Unterzeichneter, Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen zu Frankfurt/Main, sich für verpflichtet, die Hohe Staatspolizei umgehend von Folgendem in Kenntnis zu setzen.

 

Heute Abend (27.6.) etwa um 21.40 Uhr hielt eine gegen Ffm-Oberrad zu fahrende Autokolonne, bestehend aus etwa 30 vollbesetzten Last- und Personenautos, auf der Straße vor dem Gebiete unserer Hochschule an. Die Wagen trugen Hakenkreuzflaggen; die Insassen, auch Jugendliche, trugen braune Uniformen. Es setzte ein lautes Johlen aus den Wagen ein, manche stellten sich aufrecht in den Wagen; mit Scheinwerfern leuchtete man unsere Gebäude ab und etwa 5 Minuten hindurch rief man in lauten Sprechchor: „DER SCHWARZEN BRUT HAUT AUF DIE SCHNUT!“ Man warf eine große Menge von Flugblättern an und über die Umfassungsmauern; vergl. die anliegenden Proben.

 

Vorstehendes Protokoll teilte ich durch fernmündlichen Anruf sofort, etwa um 22 Uhr, dem Hohen Polizeipräsidium mit für den Fall, dass eine sofortige Feststellung der betreffenden Abteilungen und ihrer Führer empfehlenswert erschienen wäre. Die amtliche Stelle der Geheimen Staatspolizei ermunterte mich dankenswerterweise zu dieser umgehenden schriftlichen Berichterstattung an obige Anschrift.

 

Kurz nach diesem fernmündlichen Gespräch, etwa 22.45 Uhr, kam ein Teil des Zuges von Ffm-Oberrad her wieder zurück. Wieder setzte Scheinwerferbeleuchtung ein, ohne daß dieses Mal der Zug anhielt. Wieder wurde gerufen: „DER SCHWARZEN BRUT HAUT AUF DIE SCHNUT!“ Außerdem hörte man jetzt: „DIE SCHWARZEN HALUNKEN WERDEN ERTRUNKEN“.

 

 

Angesichts der über 260 hier weilenden Theologiestudenten, unter denen sich eine Anzahl Auslandsdeutsche aus dem Banat, aus der Schweiz usw., sowie einige andere Ausländer sich befinden, halte ich mich zwecks Sicherstellung unseres Gebietes und zwecks der Reinhaltung der Ehre unseres Vaterlandes vor dem Auslande als Rektor unserer Hochschule für verpflichtet, zum morgigen Abend (28.6.34), dem Termin der angekündigten Versammlung, um wirksamsten polizeilichen Schutz für unser ganzes Gebiet einzukommen, vor allem auch für die Zeit nach dem Versammlungsschluß. Sodann darf ich aus allen genannten Gründen wohl um Ergreifung entsprechender Maßnahmen bitten, die eine Wiederholung einer derartigen Schändung der Ehre der Stadt Frankfurt a. M. und des deutschen Namens völlig ausschließen.

 

Anbei je zwei Anlagen (Stempel) gez. Dr. J. Gemmel

 

(Rektor)

(Original im Diözesanarchiv Limburg 561/3A Bl. 187 f)

Der Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen beschwert sich bei der Gestapo über nächtliche Beschimpfungen und Belästigungen durch NSDAP-Anhänger. Das Schreiben wurde auch Oberbürgermeister Friedrich Krebs bekannt gemacht.



Autor/in: Lutz Becht
erstellt am 27.06.1934
 

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