Theodor Plaut, Sohn des Rabbiners Dr. phil. Rudolf Plaut und Rosa Plaut, verbrachte seine ersten Kindheitsjahre im böhmischen Karlsbad. 1883 übersiedelte er mit seiner Familie nach Frankfurt am Main, nachdem sein Vater zum Rabbiner der dortigen Israelitischen Gemeinde gewählt worden war. Nach dem Abitur studierte Plaut Medizin an den Universitäten Berlin, Würzburg, Freiburg und München, wo er 1897 approbiert, und im selben Jahr promoviert wurde. Anschließend arbeitete er als Assistenzarzt an der medizinischen Klinik in Gießen und schließlich am Kantonspital in Zürich. 1899 kehrte er nach Frankfurt am Main zurück und ließ sich dort als Facharzt für Magen- und Darmkrankheiten nieder. Zum Zeitpunkt der Geburt seines Sohnes Richard im Jahr 1910 gehörte er der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt an. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges diente Plaut zunächst als Militärbahnarzt in Kowno (heute Kaunas) und von 1917 bis 1918 als Stabsarzt beim 287. Feldlazarett.
In der Weimarer Zeit setzte sich Plaut als Vorsitzender der Frankfurter Ortsgruppe des Vereins Sozialistischer Ärzte für die Liberalisierung des Sexualstrafrechts sowie die Legalisierung der Abtreibung ein. Seit 1923 gehörte er der Administration des Dr. Christ‘schen Kinderhospitals an und vermittelte in dieser Funktion in vielen Fragen zwischen Medizin, Verwaltung und der Kommunalpolitik. Außerdem veröffentlichte er wissenschaftliche und medizinisch-journalistische Arbeiten, übte eine rege Vortragstätigkeit für den Frankfurter Bund für Volksbildung e V. aus und unterhielt enge Verbindungen zu Persönlichkeiten des damaligen Geisteslebens, so zu der Philosophin Margarete Sussmann, dem Direktor des Instituts für Sozialforschung und späteren Rektor der Frankfurter Universität, Max Horkheimer und dem Direktor der Frankfurter Universitätsklinik für Nervenkrankheiten, Kurt Goldstein. Vom 5. Juni 1928 bis zum 7. Februar 1933 gehörte Plaut als Stadtverordneter der SPD-Fraktion dem Frankfurter Stadtparlament an, wo er sich u.a. für eine vorbeugende Gesundheitspolitik zugunsten der mittellosen Bevölkerungsschichten einsetzte.
Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler war Plaut aufgrund seiner politischen Gesinnung als Sozialdemokrat sowie seiner jüdischen Herkunft mehrfach bedroht. Am 1. März 1933 legte die Frankfurter Gestapo eine Karteikarte über ihn an, in der er als „Jude“ und „Marxist“ klassifiziert wurde. Sein Sohn Richard Plaut floh bereits am 27. Februar 1933 wegen einer drohenden Verhaftung aus Frankfurt am Main nach Basel. Auch Theodor Plaut selbst soll bereits am 27. Februar 1933 kurzzeitig verhaftet worden sein. Trotz dieser Bedrohungen kandidierte Plaut nach der erzwungenen Auflösung der preußischen Gemeindevertretungen zum 8. Februar 1933 bei den Kommunalwahlen vom 12. März 1933 erneut auf der Liste der SPD für das Frankfurter Stadtparlament, wurde jedoch nicht mehr gewählt.
Als am 1. April 1933 die SA eine reichsweit angeordnete Boykottaktion gegen jüdische Geschäfte, Rechtsanwalts- und Arztpraxen durchführte, war hiervon auch Plaut betroffen. Im Zusammenhang mit der „Aktion gegen sozialistische Ärzte“ wurde er als Vorsitzender der Frankfurter Ortsgruppe des Vereins Sozialistischer Ärzte für mehrere Wochen inhaftiert und später auch aus der Administration des Dr. Christ‘schen Kinderhospitals entlassen.
Am 22. April 1933 wurde Plaut als „nichtarischer“ Arzt die kassenärztliche Zulassung entzogen, so dass er nunmehr ausschließlich auf die Behandlung von Privatpatienten angewiesen war. Diese Maßnahme war jedoch selbst gemäß den damaligen NS-Gesetzen nicht rechtmäßig, da Plaut als ehemaliger Frontkämpfer und bereits 1899 zugelassener Arzt seine Zulassung laut den gesetzlichen Bestimmungen erst gar nicht hätte entzogen werden dürfen. Am 1. September 1933 wurde Plaut schließlich auch von den im „Deutschen Ring“ zusammengefassten privaten Krankenkassen von der Rechnungserstattung ausgeschlossen, was eine Fortführung seiner Praxis unmöglich machte. Um weiteren Verfolgungsmaßnahmen zu entgehen und sich eine neue Existenz als Arzt aufzubauen, emigrierte er im März 1934 gemeinsam mit seiner Frau Meta Plaut in die Vereinigten Staaten, wo sich die Eheleute in San Francisco niederließen.
Kurz nach ihrer Ankunft in San Francisco erkrankte Meta Plaut schwer. Da Theodor Plaut die finanziellen Mittel für eine angemessene medizinische Betreuung seiner Frau nicht aufbringen konnte und Meta Plaut außerdem in Deutschland beerdigt werden wollte, kehrten die Eheleute Plaut im Frühjahr 1934 aus ihrem sicheren Exil wieder nach Frankfurt am Main zurück. Am 29. August 1934 verstarb Meta Plaut im Alter von 58 Jahren im „Israelitischen Krankenhaus“ in der Frankfurter Gagernstrasse.
Nach dem Tod seiner Frau wohnte Plaut zunächst bei seiner Schwester, die im Kinderheim der Flersheim-Sichel-Stiftung lebte und arbeitete. Um seinen Lebensunterhalt zu sichern, praktizierte er bei der Kinderärztin Dr. Lina Muehlhausen im Reuterweg 59, die ihm ein Zimmer in ihrer Wohnung zur Verfügung stellte. Die Wohnung lag in der Nähe seiner ehemaligen Praxis im Reuterweg 66, wo er 1933 eine Sechszimmerwohnung bewohnt hatte. Dass sich Plaut wieder als Arzt betätigte, ist durch eine Namensliste der Frankfurter Universität vom 18. Juni 1935 belegt, in der er als Prüfer für jüdische Medizinstudenten und als ein seit 1899 niedergelassener praktizierender Facharzt für Magen- und Darmkrankheiten im Reuterweg 59 genannt wurde. Es kann somit vermutet werden, dass Plaut inzwischen gegen den unrechtmäßigen Entzug seiner Kassenzulassung im April 1933 zunächst erfolgreich Einspruch erhoben hatte. Letztlich aber war Plauts Versuch, sich im nationalsozialistischen Deutschland eine neue Existenz als Arzt aufzubauen, zum Scheitern verurteilt. Ende September 1938 wurde sämtlichen jüdischen Ärztinnen und Ärzten in Deutschland die Approbation entzogen.
Da seine berufliche Existenz als Arzt nunmehr zerstört war, begab sich Plaut Mitte Oktober 1938 nach Wuppertal, wo er am 19. Oktober 1938 die Jüdin Elli Katzenstein, geborene Friedländer, heiratete. Wenige Tage nach seiner Hochzeit kam es in Wuppertal zu nationalsozialistischen Ausschreitungen, die sich hauptsächlich gegen jüdische Villenbesitzer richteten, zu denen auch Elli Plaut gehörte. Als die SA in Elli Plauts Haus im Stadtteil Elberfeld sämtliche Fensterscheiben zerstört und es damit unbewohnbar gemacht hatte, flohen Theodor und Elli Plaut zunächst nach Hamburg. Nachdem sie nach einigen Tagen in ihr nur notdürftig repariertes Haus zurückgekehrt waren, fanden in Wuppertal erneut antisemitische Ausschreitungen statt, die in das Pogrom vom 9./10. November 1938, die sogenannte „Reichskristallnacht“, mündeten. Unter dem Eindruck dieses Pogroms und der Angst vor einer Verhaftung durch die Gestapo wählten Theodor und Elli Plaut den Freitod. Laut den Sterbeurkunden des Standesamts Elberfeld/Wuppertal wurde Elli Plaut am 15. November 1938 in ihrem Haus Am Forsthof 21 tot aufgefunden. Als Todesursache wurde „Suicid, durch Gasvergiftung“, als Todeszeit „10 Uhr 30 Minuten“ festgestellt. Theodor Plauts Leiche fand man in der Gausmerstrasse 29. Als Todesursache wurde von der „staatlichen Kriminalpolizei in Wuppertal“ „Vergiftung (Selbstmord)“, als Todeszeit „15 Uhr 45 Minuten“ angegeben. Demzufolge hatte sich Theodor Plaut fünf Stunden nach dem Tod seiner Frau durch Gift das Leben genommen. Theodor und Elli Plaut wurden auf dem Jüdischen Friedhof Am Weinberg in Elberfeld begraben. An ihr Schicksal erinnern seit Dezember 2013 zwei Stolpersteine vor ihrem letzten Wohnsitz in Wuppertal/Eberfeld.
Quellen
Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Sammelmappe S2/16677; Akten der Stadtverordnetenversammlung 87,92,97; Magistratsakte 4301
Jüdisches Museum Frankfurt am Main: mündliche Auskünfte sowie Datenbank „Gedenkstätte Neuer Börneplatz“
Eintrag für Theodor Plaut im "Shoah Memorial Frankfurt" www.shoah-memorial-frankfurt.de
Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden: Abt. 518/19058 (Entschädigungsakte); Abt. 486 (Gestapokartei Frankfurt am Main)
Bundesarchiv Berlin: R 58/3311 (Reichssicherheitshauptamt, Meldungen der Staatspolizeistellen)
Zeitungen: „Die furchtbaren Jahre“, Artikel von Detlef Grumbach, in: Die Zeit, Nr. 34, 16.08.1991
Interview: Emil Schmidt am 20. Dezember 1999
Literatur
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Bermejo, Michael: Die Opfer der Diktatur. Frankfurter Stadtverordnete und Magistratsmitglieder als Verfolgte des NS-Staates, Frankfurt am Main 2006
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Leibfried, Stephan/Tennstedt, Florian: Berufsverbote und Sozialpolitik 1933, Dresden 1980, S. 125
Maly, Karl: Das Regiment der Parteien. Geschichte der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung, Bd. 2: 1901-1933, Frankfurt am Main, 1995, S. 674 f.
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