Die Deportation von Sinti und Roma in Konzentrations- und Vernichtungslager 1938-1944

In drei Deportationswellen wurden Sinti und Roma im Juni 1938, im Mai 1940 und im März 1943 in Konzentrations- und Vernichtungslager verbracht. Nur wenige überlebten.

Sinti und Roma wurden in drei Deportationswellen aus Frankfurt oder unter Verantwortung von Frankfurter Dienststellen in Konzentrations- und Vernichtungslager verschleppt: bei der "Juniaktion“ 1938, bei der Maideportation von 1940 und bei der Auschwitzdeportation am 9. März 1943. Zusätzlich gab es bis 1944 eine Vielzahl von Einzeleinweisungen.

Der sogenannte „Grunderlass“ des Reichs- und Preußischen Ministeriums des Innern vom 14. Dezember 1937 ermöglichte die Anordnung der sogenannten „Vorbeugehaft“ für Menschen, die als „asozial“ diffamiert waren. Mit Hinweis darauf veranlasste Himmler 1938 die erste größere Deportationsaktion, von der Sinti und Roma betroffen waren. Neben jenen, die mit sozialen Stigmata belegt waren, wurden die sogenannten „Zigeuner“ als einzige Gruppe nach einem rassischen Kriterium einbezogen. Die Verhaftungs- und Deportationswelle wurde von den Organisatoren als „Aktion ‚Arbeitsscheu Reich‘“ bezeichnet. Aus dem gesamten Reich wurden im Juni 1938 etwa 10.000 Menschen (fast ausschließlich Männer), darunter viele Sinti und Roma, in die Konzentrationslager Buchenwald, Dachau und Sachsenhausen (Oranienburg) eingeliefert. Die Verhaftungen in Frankfurt führte die Polizei am 14. Juni 1938 unter Beteiligung des städtischen Fürsorgeamtes durch. Mehr als 400 Personen, darunter eine unbekannte Zahl von Sinti und Roma, wurden festgenommen und in KZs deportiert. Nach Aussagen war der Großteil der männlichen Insassen des Zwangslagers Dieselstraße darunter. Viele Eingewiesene fielen dem mörderischen KZ-System zum Opfer, z. B. starb in Buchenwald 1939/40 binnen neun Monaten etwa die Hälfte der rund 700 dort inhaftierten Sinti und Roma.

Die Kriminalpolizeileitstelle Frankfurt im Polizeipräsidium am Hohenzollernplatz (heute Platz der Republik) unterhielt seit 1939 (wie alle Kriminalpolizeileitstellen) eine „Dienststelle für Zigeunerfragen“. Diese war verantwortlich für die Koordination der Verfolgungsmaßnahmen gegen Sinti und Roma im gesamten Leitstellenbezirk, zu dem die Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden sowie das Land Hessen (Hessen-Darmstadt) gehörten. Der so genannte „Festschreibungserlass“ des Reichssicherheitshauptamts vom 17. Oktober 1939 ordnete an, dass Sinti und Roma ihren Wohnort nicht mehr verlassen durften. Bei Verstößen drohte die sofortige KZ-Einweisung, welche die Frankfurter Kriminalpolizeileitstelle ohne Zögern veranlasste. Einige der von Frankfurt aus eingewiesenen Sinti und Roma wurden 1941/42 im Zuge der sogenannten „Sonderbehandlung 14f13“ ermordet. Sie wurden aus den KZs Buchenwald und Dachau abgeholt und dann in den Gaskammern der ehemaligen „Euthanasie-Anstalten“ Pirna-Sonnenstein (Sachsen) und Schloss Hartheim bei Linz (Oberösterreich) mit Kohlenmonoxyd erstickt.

Im Frühjahr 1940 ließ Himmler im Vorfeld des Frankreichfeldzuges die so genannte „Umsiedlung“ von 2.500 Sinti und Roma aus den westlichen und nordwestlichen Reichsgebieten anordnen. Die Kriminalpolizeileitstelle im Frankfurter Polizeipräsidium veranlasste daraufhin in Zusammenarbeit mit der Darmstädter Kriminalpolizeistelle die am 16. Mai 1940 beginnende Deportation von 177 rheinhessischen Sinti und Roma aus Mainz, Ingelheim und Worms. Die Betroffenen wurden über die Zwischenstation Hohenasperg (Württemberg) in das besetzte Polen (Generalgouvernement) verbracht. Im Distrikt Radom wurden die Deportationsopfer zunächst sich selbst überlassen, bald aber in Zwangsarbeitskolonnen unter SS-Bewachung eingesetzt.

Ab Februar 1943 wurden Tausende von bislang noch im Deutschen Reich verbliebenen Sinti und Roma ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. Grundlage hierfür war der sogenannte „Auschwitz-Erlass“ Heinrich Himmlers vom 16. Dezember 1942. Im Frankfurter Polizeipräsidium bereitete eine vierköpfige Sonderkommission die Deportationen aus dem Regierungsbezirk Wiesbaden vor, also die der Sinti und Roma aus Frankfurt, aus Wiesbaden und aus dem Dillkreis. Die Deportationsopfer wurden anhand der Ergebnisse der rassenbiologischen Erfassungen bestimmt und aufgelistet. Am 8. März 1943, dem Vortag der Deportation, umstellten Polizeibeamte das Zwangslager Kruppstraße. Lagerkommandant Johannes Himmelheber rief die Betroffenen auf und holte je einen Fingerabdruck und eine Unterschrift ein. Am Abend wurden fünf Sintifamilien (21 Personen) aus dem Dillkreis per Zug nach Frankfurt verbracht. Am frühen Morgen des 9. März 1943 wurden die betroffenen Sinti und Roma zu einem Bahnhof (vermutlich dem Südbahnhof) gebracht, wo der Zug zur viertägigen Deportation abfuhr. Etwa 100 Sinti und Roma wurden an diesem Tag von Frankfurt aus nach Auschwitz deportiert, darunter sowohl Internierte aus dem Lager Kruppstraße als auch Sinti und Roma aus Wohnungen. Insgesamt verschleppten die Polizeikräfte etwa 22.600 Sinti und Roma aus dem Deutschen Reich ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. Nicht einmal 15 Prozent von ihnen überlebten.

 

Literatur::

 

Peter Sandner, Frankfurt.Auschwitz. Die nationalsozialistische Verfolgung der Sinti und Roma in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1998

Wolfgang Wippermann, Das Leben in Frankfurt zur NS-Zeit, Band II: Die nationalsozialistische Zigeunerverfolgung. Darstellung, Dokumente und didaktische Hinweise, Frankfurt am Main 1986

In drei Deportationswellen wurden Sinti und Roma im Juni 1938, im Mai 1940 und im März 1943 in Konzentrations- und Vernichtungslager verbracht. Nur wenige überlebten.



Autor/in: Peter Sandner
erstellt am 01.01.2006
 

Verwandte Personen

Himmelheber, Johannes

Verwandte Ereignisse

Deportation von etwa 100 Sinti und Roma von Frankfurt nach Auschwitz-Birkenau

Verwandte Begriffe

Deportation


Roma


Sinti


Zigeuner

Verwandte Orte

Auschwitz


Zwangslager Kruppstraße

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