Erwerb von völkerkundlichem Museumsgut in den Niederlanden

Eingang zum Palais Thurn und Taxis, Große Eschenheimer Straße, 1938

Eingang zum Palais Thurn und Taxis, Große Eschenheimer Straße, 1948 oder 1949

Frankfurter Museen kauften nach der Besetzung der Niederlande dort Gemälde und Sammlungsgut ein, das nach Kriegsende entschädigungslos an die Niederlande zurückgegeben werden musste. Das Museum für Völkerkunde nutzte das gute Angebot an ethnographischem Sammlungsgut ebenfalls zum Einkauf.

 

In den Jahren nach 1940 kauften das Städelsche Kunstinstitut, die Städtische Galerie und das Museum für Völkerkunde (heute Museum der Weltkulturen) in den von der Wehrmacht besetzten Niederlanden Gemälde und ethnographisches Sammlungsgut an, das nach Kriegsende entschädigungslos an den niederländischen Staat abgeliefert werden musste. Für das Völkerkundemuseum mit seiner seit der Sammlungstätigkeit von Bernhard Hagen (1853-1919) beachtlichen Indonesiensammlung war der niederländische Markt besonders interessant, weil dort einschlägige Gegenstände aus dem großen niederländischen Kolonialreich in Südostasien (Niederländisch Indien) erhältlich waren. Hagen hatte von seinen Aufenthalten auf Sumatra und Neuguinea eine umfangreiche Sammlung mitgebracht und 1904 Oberbürgermeister Adickes zur Gründung des „Städtischen Völkerkundemuseums“ bewogen. Seitdem bildet Indonesien einen Schwerpunkt in der Sammeltätigkeit des Frankfurter Museums der Weltkulturen, das 1928/29 eine eigene Expedition nach Timor und Niederländisch-Indien unternahm. Das Völkerkundemuseum war bis zur Zerstörung 1944 im Palais Thurn und Taxis untergebracht, konnte aber seine Museumsbestände – bis auf die Bibliothek – durch rechtzeitige Auslagerungen weitgehend retten.

In der Zeit von April 1941 bis Februar 1942 kaufte das Museum, das in der Kriegszeit kommissarisch von Adolf Jensen geleitet wurde, bei einer Reihe von Fach- und Buchhandlungen in Amsterdam, Den Haag und Leiden Gegenstände und Bücher, die sie mehrheitlich in niederländischen Gulden bezahlte. In erster Linie stammten die Sammlungsgegenstände laut den in Fotokopie oder Abschrift überlieferten Rechnungen der Lieferfirmen aus Niederländisch-Indien, aber auch aus Afrika und der Südsee. In zwei Posten für 5.065 Gulden von der Firma Kunstzaal van Lier in Amsterdam befanden sich Holzskulpturen aus Französisch-Äquatorialafrika und von der Insel Nias und zwei große Hindu-Bronzeglocken von der Insel Java. Von der Firma Aalderink in Amsterdam stammten unter anderem ein Messinghelm von der Insel Celebes, ein Jadebeil aus Neu Kaledonien (150 Gulden), ein Festsarong (500 Gulden), ein Kris (Dolch) aus Zentraljava, ein Messingkessel aus Ostjava sowie Gerät von den Batak und den Dajak für insgesamt 7.454 Gulden. Einschlägige Fachbücher, meist zu indonesischen Themen, wurden in Den Haag und Leiden gekauft und teils in Gulden, teils in Reichsmark bezahlt.

Um 1950 wurde die entschädigungslose Rückgabe an die Niederlande erörtert und zwischen einer verschleierten Enteignung während der Besatzungszeit und einem fairen Erwerb unterschieden. Das Völkerkundemuseum erstattete 31 Sammlungsgegenstände im Wert von 2.189,50 Gulden und 7 Bücher für RM 95,15 zurück – das übrige war wohl während des Krieges verloren gegangen. Es erklärte, die Objekte aus den Angeboten niederländischer Händler ohne Druckmittel erworben zu haben. Doch sah die Rechtslage in den Niederlanden keine Entschädigung in diesem Fall vor; auch eine gesetzlich mögliche geringe Entschädigung kam für das Frankfurter Völkerkundemuseum nicht in Betracht. Kulturdezernent Karl vom Rath schloss die Erörterungen wegen einer Entschädigung für den gezahlten Kaufpreis am 22. April 1952 mit der Bemerkung ab, dass nach der niederländischen Rechtlage deutsche Gemeinden als „feindliche Untertanen“ von jeder Entschädigung ausgeschlossen waren und es auch keinen Rechtsweg gab. Die Rückgabe erfasste jedoch nur einige wenige Objekte, während der größte Teil nach den erhaltenen Rechnungen in den Antiquitätenhandlungen Aalderinck und van der Lier erworbenen Objekte nach wie vor zu den Beständen des Frankfurter Museums der Weltkulturen gehört.

 

Literatur und Quellen

 

ISG, Museum für Völkerkunde, 16, fol. 439-460

Museum der Weltkulturen (Hg.), Ansichtssachen. Ein Lesebuch zu Museum und Ethnologie in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2004

Frankfurter Museen kauften nach der Besetzung der Niederlande dort Gemälde und Sammlungsgut ein, das nach Kriegsende entschädigungslos an die Niederlande zurückgegeben werden musste. Das Museum für Völkerkunde nutzte das gute Angebot an ethnographischem Sammlungsgut ebenfalls zum Einkauf.



Autor/in: Konrad Schneider
erstellt am 01.01.2005
 

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