Stadtkämmerer Lehmann gehörte dem Magistrat bereits vor 1933 und auch nach dem Kriegsende an. Seine nicht geklärte Mitgliedschaft in der NSDAP veranlasste ihn zum Rücktritt und führte zur Versetzung in den Ruhestand.
Als Friedrich Lehmann am 15. Dezember 1931 zum neuen Frankfurter Stadtkämmerer gewählt wurde, konnte er bereits auf eine lange Verwaltungserfahrung blicken. Der 1888 im ostpreußischen Königsberg geborene Sohn eines Bürodirektors der Landesversicherungsanstalt Ostpreußen und einer Direktorentochter hatte Jura studiert und war 1912 in Heidelberg promoviert worden. Nach einer kurzen Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Soldat war er im Juli 1918 in den Königsberger Magistrat eingetreten, zunächst als juristischer Hilfsarbeiter. Nach zweijähriger Tätigkeit als Magistrats-Assessor wurde er 1920 zum Kämmerer der Stadt gewählt. Einem Zweiunddreißigjährigen diesen Posten anzuvertrauen, war sicherlich eine mutige Entscheidung, denn Königsberg hatte kurz nach dem Krieg massive wirtschaftliche und finanzielle Schwierigkeiten zu meistern. Aber Lehmann rechtfertigte das in ihn gesetzte Vertrauen. Ihm gelang es in den folgenden zwölf Jahren, durch einen strengen Sanierungskurs und Umstrukturierungen den Haushalt der Stadt zu konsolidieren.
In Frankfurt war man deshalb bereits Mitte der zwanziger Jahre auf ihn aufmerksam geworden. Ein erster Versuch, ihn 1925 als Stadtkämmerer an den Main zu holen, um die zunehmend schwieriger werdende finanzielle Lage der Stadt in den Griff zu bekommen, scheiterte noch. 1931 jedoch wurde er von der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung zum Nachfolger Bruno Aschs gewählt. Dabei stand seine Berufung bereits unter den Vorzeichen des rauher werdenden politischen Klimas in der Stadt. Sowohl Kommunisten als auch Nationalsozialisten versuchten, die Wahl zu verhindern. Erst nachdem sie mehrfach vertagt worden war, nach heftigen Debatten und mehreren Wahlgängen kam sie zustande. Politisch ist Lehmann in der Weimarer Republik dem liberalen, linksdemokratischen Spektrum zuzuordnen: Von 1926 bis 1930 war er Mitglied der Deutschen Demokratischen Partei, für etwa denselben Zeitraum Freimaurer und kurzzeitig Mitglied der Liga für Menschenrechte. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten in Frankfurt überstand Lehmann trotzdem unbeschadet. Anders als einige seiner Stadtratskollegen blieb er nach dem März 1933 im Amt.
Ob Lehmann im Mai 1933 auf eigene Initiative Mitglied der NSDAP wurde, ist strittig. Es existiert eine offizielle Anmeldung, von der Lehmann jedoch behauptete, sie sei durch Oberbürgermeister Krebs erfolgt; er besaß auch eine Mitgliedsnummer (2.275.066), seine Aufnahme in die Partei wurde aber im März 1934 von der Ortsgruppe Dornbusch abgelehnt. Lehmann selbst betrachtete sich deshalb als Nichtmitglied.
Die Hauptaufgabe des Kämmerers bestand in den Jahren vor wie nach 1933 in der Reduzierung der städtischen Schulden und der Sanierung der maroden städtischen Finanzen. Frankfurt war nach Köln die am höchsten verschuldete Stadt des Deutschen Reichs und hatte vor allem mit seinen kurzfristigen Verbindlichkeiten und den immensen Ausgaben für die Arbeitslosenunterstützung zu kämpfen. Auf den Sachverstand und die Verwaltungserfahrung eines Mannes wie Lehmann war der Frankfurter Oberbürgermeister daher dringend angewiesen. Zwischen beiden hatte sich ein nüchternes Arbeitsverhältnis etabliert. Lehmann, der seinen Widerwillen gegen die nationalsozialistischen Funktionäre nur schlecht verhehlen konnte, wußte seinerseits sehr gut, dass er ohne Krebs’ Protektion einen äußerst schweren Stand gegen die Angriffe des Gauleiters gehabt hätte. Dass die Abneigung gegen ihn aus Sprengers Sicht berechtigt war, wurde erst nach 1945 wirklich deutlich: Lehmann hatte unter anderem seit 1938 die Anordnung der Reichsregierung, städtisches Geld in Kriegsanleihen anzulegen, systematisch unterlaufen und es statt dessen vorschriftswidrig zur Schuldentilgung eingesetzt.
Mit Erlaubnis der amerikanischen Behörden wurde Lehmann am 12. September 1945 für weitere zwölf Jahre zum hauptamtlichen Stadtrat ernannt. Allerdings trat kurz danach die neue Großhessische Gemeindeordnung in Kraft. Bei der darin vorgeschriebenen Magistratswahl, der ersten regulären nach dem Krieg, wurde er am 25. Juli 1946 von der Stadtverordnetenversammlung mit absoluter Mehrheit für zwei weitere Jahre gewählt. Eine Woche später jedoch reichte Lehmann sein Rücktrittsgesuch ein und wurde am 1. September 1946 in den Ruhestand versetzt. Offiziell wurde als Grund sein schlechter Gesundheitszustand angegeben, in Wahrheit jedoch hatten die amerikanischen Behörden Hinweise gefunden, daß Lehmann seine Mitgliedschaft in der NSDAP verschwiegen hatte, weshalb er fortan als Meldebogenfälscher galt und man ihm den Rücktritt nahelegte.
Als das Spruchkammerverfahren gegen ihn eröffnet wurde, war Lehmann bereits seit mehr als sechs Monaten nicht mehr im Amt. Das Verfahren drehte sich in erster Linie um die Klärung der Frage, ob und seit wann er Mitglied der NSDAP gewesen war, kam dabei aber zu keinem eindeutigen Ergebnis. Zu groß waren die Widersprüche der Zeugenaussagen und die Erinnerungslücken der Beteiligten. Lehmann arbeitete nach seinem Verfahren, das ihn als „Entlasteter“ einstufte, als Anwalt in Frankfurt und lehrte weiterhin als Dozent an dem an der Universität angesiedelten Kommunalwissenschaftlichen Institut, eine Tätigkeit, die er auch schon von 1938 bis 1945 ausgeübt hatte. Friedrich Lehmann starb am 23. Juli 1960 in Frankfurt.
Literatur::
Bettina Tüffers, Der Braune Magistrat. Personalstruktur und Machtverhältnisse in der Frankfurter Stadtregierung 1933-1945 (Studien zur Frankfurter Geschichte 54), Frankfurt am Main 2004
Stadtkämmerer Lehmann gehörte dem Magistrat bereits vor 1933 und auch nach dem Kriegsende an. Seine nicht geklärte Mitgliedschaft in der NSDAP veranlasste ihn zum Rücktritt und führte zur Versetzung in den Ruhstand.