Seit Ende 1938 wurde die zwangsweise Beschäftigung von Juden in kommunalen, staatlichen oder privaten Betrieben Teil der NS-Verfolgungs- und Wirtschaftspolitik. Im „geschlossenen Arbeitseinsatz“ wurden sie in eigenen Kolonnen eingesetzt. Die Zwangsarbeit bewahrte die Betroffenen aber nicht vor den 1941 einsetzenden Deportationen in die Todeslager.
Seit Ende 1938 wurde die zwangsweise Beschäftigung von Juden in kommunalen, staatlichen oder privaten Betrieben Teil der NS-Verfolgungs- und Wirtschaftspolitik. Dabei war zunächst das Hauptmotiv, mit neuen Repressalien zusätzlichen Druck für die Auswanderung möglichst vieler Juden zu erzeugen. Da aber die Zahl der infrage kommenden Juden durch die Vereinnahmung Österreichs erheblich gestiegen war, die Aufnahmebereitschaft für jüdische Auswanderer im Ausland zu sinken begann und die Verarmung von immer mehr arbeitslos gewordenen jüdischen Familien rapide zunahm, traten sozial- und wirtschaftspolitische Argumente für eine Zwangsbeschäftigung von Juden in den Vordergrund. Seit etwa 1935 hatten einzelne Städte damit begonnen, Juden, die städtische Wohlfahrtsleistungen erhielten, zu unbezahlter Pflichtarbeit heranzuziehen. In Wien dehnte die Arbeitsverwaltung im Herbst 1938 dies auf jüdische Arbeitslosengeldempfänger aus. Mitte Oktober wurde diese Initiative von der „Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung“ zentral übernommen – zugleich begann die SS, Pläne für eine Internierung (mit Zwangsarbeit) aller Juden für einen möglichen Kriegsbeginn zu entwickeln. Die Zuständigkeit für die Zwangsarbeitsorganisation im Deutschen Reich behielt aber die Reichsanstalt, die am 20. Dezember 1938 einen entsprechenden Erlass herausgab (zitiert nach Gruner, Der "geschlossene Arbeitseinsatz", S. 262):
„Der Staat hat kein Interesse daran, die Arbeitskraft der einsatzfähigen arbeitslosen Juden unausgenutzt zu lassen und diese unter Umständen aus öffentlichen Mitteln ohne Gegenleistung zu unterstützen. Es ist anzustreben, alle arbeitslosen und einsatzfähigen Juden beschleunigt zu beschäftigen … Der Einsatz erfolgt in Betrieben, Betriebsabteilungen, bei Bauten und Meliorationen usw. abgesondert von der Gefolgschaft.“
Der so definierte „geschlossene Arbeitseinsatz“ von Juden bedeutete in der Regel Zwangsarbeit in separierten Kolonnen. Diese Arbeitskräfte wurden Betrieben oder staatlichen Institutionen nicht aufgezwungen, sondern mussten beantragt werden. So forderte die Stadt Kelkheim im Frühjahr 1939 beim Landesarbeitsamt jüdische Zwangsarbeiter für den Straßenbau an. In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Arbeitsamt wurde dort ein Lager für 20 Frankfurter Juden im Wirtshaussaal errichtet. Bereits bei ihrer Ankunft gab es Prügel, sie mussten dann 60 Wochenstunden arbeiten, wurden zusätzlich schikaniert und durch die schwere körperliche Arbeit zum Teil gesundheitlich ruiniert. Das Lager wurde im Okober 1939 aufgelöst, weil kommunaler Straßenbau nicht zu den kriegswichtigen Arbeiten gehörte. Weitere Frankfurter Juden waren in diesem Zeitraum an andere Institutionen zur Zwangsarbeit vermittelt worden.
Der ursprünglich für den Kriegsbeginn vorgesehene generelle Zwangseinsatz aller deutschen Juden wurde allerdings nicht sofort realisiert. Wie inzwischen alle arbeitsfähigen, aber arbeitslosen (männlichen) Reichsbewohner hatten auch die Juden ein Anrecht auf Arbeitslosenunterstützung bei Verpflichtung zum unentgeltlichen Arbeitsdienst. Bis zur geplanten Zwangsumsiedlung der Juden ins eroberte Polen (da die Auswanderung nun unmöglich geworden war) sollte diese Gruppe jeweils kurzfristig in die Landwirtschaft oder etwa zum Schneeräumen in Städten vermittelt werden. In Frankfurt waren im Frühjahr 1940 von den etwa 11.500 jüdischen Einwohnern rund 2.000 Männer im arbeitsfähigen Alter (17-60), von diesen war mehr als die Hälfte arbeitsunfähig, circa 400 arbeiteten bei der Jüdischen Gemeinde, 550 in anderen Betrieben.
Wegen des immer größer werdenden Arbeitskräftemangels wurde im Mai 1940 die Arbeitspflicht auf alle jüdischen Männer bis 55 und Frauen bis 50 ausgedehnt, das heißt auch auf die, die keine öffentliche Unterstützung bezogen. Zugleich änderte sich die Arbeitszuweisung: Hilfsarbeit im industriellen Sektor (Rüstungsindustrie) und im feinmechanischen Bereich (insbesondere von Frauen) hatte nun oberste Priorität. Mit der Vorbereitung des Krieges gegen die Sowjetunion wurde der Einsatz jüdischer Zwangsarbeiter für die Betriebe langfristiger planbar, und Juden durften dort nun auch für Facharbeiten angelernt werden. Im Frühjahr 1941 musste die Jüdische Selbstverwaltung einen Teil ihrer Arbeitskräfte an andere Betriebe abgeben, das Eintrittsalter wurde von 16 auf 14 Jahre herabgesetzt. Generell wurde der Druck auf die Jüdische Gemeinde zur Meldung von eigentlich arbeitsunfähigen Menschen erhöht, wie aus einer Bekanntmachung der unter Gestapokontrolle stehenden Jüdischen Gemeinde vom 19. Januar 1941 deutlich wird (Hess. Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Abt 474/2–27):
„1. Notstandsmassnahmen: Lt. behördlicher Mitteilung reicht die Zahl der Juden, die sich bisher für Notstandsmassnahmen (Schnee-Beseitigung und Müllabfuhr) gemeldet haben, bei weitem nicht aus. Zur Vermeidung schärfster Eingriffe der zuständigen Stellen ergeht daher an alle noch nicht im Arbeitseinsatz befindlichen Männer bis zu 60 Jahren, die irgendwie hierzu in der Lage sind, die dringende Aufforderung, sich freiwillig gegen die übliche Vergütung für diese Notstandsmassnahmen zur Verfügung zu stellen und sich sofort bei dem Arbeitseinsatz, Röderbergweg 29, zu melden. …
6. Arbeitseinsatz von Frauen: Weibliche Arbeitskräfte bis zu 50 Jahren, die sich noch nicht bei unserer Abteilung Arbeitseinsatz gemeldet haben, werden aufgefordert, sich sofort zu melden bei dem Arbeitseinsatz, Röderbergweg 29, III, Zimmer 17.“
Im März 1941 wurden 100 Frankfurter Jüdinnen nach Berlin zur Arbeit in Siemens-Betriebe geschickt. Mit der Übernahme der Kontrolle der jüdischen Zwangsarbeit durch das Reichssicherheitshauptamt wurden die Rekrutierungsbedingungen nochmals verschärft. Der in Frankfurt mit der Kontrolle beauftragte Ernst Holland meldete im Sommer 1941 etwa 2.700 beschäftigte Juden, davon zwei Drittel in „deutschen Betrieben“ (davon bei der Stadtverwaltung rund 100), ein Drittel in der jüdischen Selbstorganisation. Im Herbst 1941 wurde durch Verordnung die bisher praktizierte jüdische Zwangsarbeit auch offiziell ein „Beschäftigungsverhältnis eigener Art“, das nicht den Tarifbestimmungen unterlag und stets unterhalb der untersten Lohngruppe für Hilfsarbeit bezahlt wurde.
Als die nationalsozialistische „Endlösung der Judenfrage“ im Oktober 1941 auch in Frankfurt mit der ersten Deportation in die Arbeits- und Vernichtungslager umgesetzt zu werden begann, verloren die wirtschaftlichen Motive für die jüdische Zwangsarbeit an Bedeutung. Um den zunächst sich abrupt auswirkenden Abzug von Arbeitskräften aus kriegswichtigen Betrieben abzumildern, wurden bis zu den nächsten Transporten immer mehr Juden in weniger wichtige Betriebe umgesetzt und dann von dort zu den Deportationen abgeholt. Im Herbst 1942 schließlich wurden in Frankfurt nur noch circa 250 jüdische Zwangsarbeiter gezählt, die bis dahin als Partner in einer „arisch-jüdischen Mischehe“ oder als „Geltungsjuden“ von der Deportation ausgenommen waren.
Literatur::
Wolf Gruner, Der „Geschlossene Arbeitseinsatz“ und die Juden in Frankfurt am Main von 1938 bis 1942, in: Monica Kingreen (Hg.), „Nach der Kristallnacht“. Jüdisches Leben und antijüdische Politik in Frankfurt am Main 1938–1945 (Schriftenreihe des Fritz Bauer Instituts, Bd. 17), Franfurt 1999, S. 259–288
Dokumente zur Geschichte der Frankfurter Juden, 1933–1945, Frankfurt am Main 1963, S. 456ff.
Seit Ende 1938 wurde die zwangsweise Beschäftigung von Juden in kommunalen, staatlichen oder privaten Betrieben Teil der NS-Verfolgungs- und Wirtschaftspolitik. Im „geschlossenen Arbeitseinsatz“ wurden sie in eigenen Kolonnen eingesetzt. Die Zwangsarbeit bewahrte die Betroffenen aber nicht vor den 1941 einsetzenden Deportationen in die Todeslager.