Aus dem Lehrkörper der Naturwissenschaftlichen Fakultät wurden 21 Dozenten (1930: 43 Stellen) entlassen.
Karl Mannheim, der die Soziologie zu einem ausgesprochenen Modefach gemacht hatte, wurde bereits am 13. April 1933 mit dem Argument beurlaubt, seine Berufung sei nur aus politischen Gründen erfolgt. Am 1. Dezember folgte seine Entlassung. Aufgrund seiner kurzen Amtszeit hatte er keinen Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und stand völlig mittellos da. Er emigrierte umgehend nach England. Gleich ihm wurden andere herausragende Dozenten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät beurlaubt und entlassen.
Unter den Fächern und Instituten der Fakultät trafen die Säuberungen vor allem das moderne Fach Soziologie und die Dozenten, die gleichzeitig an der Akademie der Arbeit lehrten. Gottfried Salomon-Latour galt als einer der hoffnungsvollsten jüngeren Soziologen. Adolf Löwe gehörte zu den Vordenkern der Sozialen Marktwirtschaft. Ludwig Bergsträsser, der mit Politologie ein Fach vertrat, das es an den Universitäten erst nach 1945 geben sollte, war als überzeugter Demokrat national unzuverlässig. Hendrik de Man schrieb nach der Aufforderung der Fakultät, seine Vorlesung und Übungen für das Sommersemester 1933 anzukündigen: „Ich gedenke jedoch von diesem Recht keinen Gebrauch zu machen, solange in Deutschland Verhältnisse vorliegen, die eine ungehinderte Ausübung der Lehrfreiheit unmöglich machen.“ Die Entlassung erfolgte prompt. Friedrich Pollock gehörte zum engsten Kreis um Max Horkheimer und das Institut für Sozialforschung.
Fritz Neumark gehörte zur größeren Zahl Frankfurter Dozenten, die in die Türkei gingen. Nach 1945 und der Rückkehr aus der Emigration wurde er einer der maßgeblichen Finanzwissenschaftler der Bundesrepublik. Zu den „Entfernten“ gehörte, obwohl längst zu den emeriti gehörend, Franz Oppenheimer, der 1919 den ersten Lehrstuhl für Soziologie an einer deutschen Universität übernommen hatte.
Vertriebene Dozenten der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Johann Wolfgang Goethe - Universität:
Ludwig Bergsträsser, Siegfried Budge, Henryk Grossmann, Albert Hahn, Ernst Kahn, Ernst Kantorowicz, Otto Köbner, Julius Kraft, Alois Kraus, Adolf Löwe, Karl Mannheim, Hendrik de Man, Ernst Michel, Fritz Neumark, Franz Oppenheimer, Friedrich Pollock, Karl Pribram, Gottfried Salomon-Delatour, Wilhelm Sturmfels, Walter Sulzbach, Heinrich Voelcker
Literatur
Burkhard, Benedikt/Gemeinhardt, Anne/Jung, Jenny/Zwilling, Jutta (Hrsg.), Eine Stadt macht mit: Frankfurt und der NS, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2022
Epple, Moritz/Fried, Johannes/Gross, Raphael/Gudian, Janus (Hrsg.), "Politisierung der Wissenschaft": Jüdische Wissenschaftler und ihre Gegner an der Universität Frankfurt vor und nach 1933, Wallstein-Verlag, Göttingen 2016
Hammerstein, Notker, Die Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bd. I: Von der Stiftungsuniversität zur staatlichen Hochschule, 1914-1950, Wallstein-Verlag, Göttingen 2012
Heuer, Renate (Hrsg.), Die Juden der Frankfurter Universität, Campus-Verlag, Frankfurt am Main/New York 1997
Kobes, Jörn (Hrsg.), Frankfurter Wissenschaftler zwischen 1933 und 1945, Wallstein-Verlag, Göttingen 2008
Aus dem Lehrkörper der Naturwissenschaftlichen Fakultät wurden 21 Dozenten (1930: 43 Stellen) entlassen.