Die St. Bernardus-Gemeinde

Die 1907 geweihte St. Bernardus-Kirche im Frankfurter Nordend, zeitgenössische Fotografie

Die Sturmschar der St. Bernardus-Gemeinde um 1933, zeitgenössische Fotografie

Porträt des Leiters der Sturmschar der St. Bernardus-Gemeinde Bernhard Becker um 1935, zeitgenössische Fotografie

Tagebuch der Musterschule vom 29. November 1937, Kopie aus dem Besitz von Horst Stankowski

Tagebuch der Frankfurter Gestapo vom 15. Januar 1938, Kopie aus dem Besitz von Horst Stankowski

Schreiben des Städtischen Schulamtes vom 15. Januar 1938, Kopie aus dem Besitz von Horst Stankowski

Tagebuch der Abteilung für höheres Schulwesen beim Oberpräsidenten der Provinz Hessen-Nassau vom 21. Januar 1938, Kopie aus dem Besitz von Horst Stankowski

Der Pfarrer der Gemeinde bezieht öffentlich Stellung gegen den Nationalsozialismus, die Sturmschar wird von der Gestapo verfolgt.

 

Anfang April 1933 veröffentlichte die „Rhein-Mainische Volkszeitung“ einen Artikel von Alois Eckert, dem Priester der St. Bernardus-Gemeinde im Nordend. Er beschäftigte sich kritisch mit den Geschehnissen des 1. April, verwarf den nationalsozialistischen Antisemitismus aus theologischen Gründen und stellte unmissverständlich fest: „Hier geschieht deutsches Unrecht.“ Eckert reiste nach Rom, um dort an höchster Stelle auf die Lage der Kirche in Deutschland aufmerksam zu machen. 1934 begründete er die Rhein-Main-Klerus-Front mit, einen, um den Nationalsozialisten nicht in das Messer zu laufen, bewusst lockeren Kreis katholischer Priester. Dieser versuchte, den Bischof von Limburg zu bewegen, unmissverständlich gegen nationalsozialistisches Unrecht Stellung zu beziehen und forderte 1936 die Deutsche Bischofskonferenz zu einer öffentlichen Stellungnahme gegen Judenverfolgung und KZ-Willkür auf. Als Eckert am 9. November 1935 die geforderte Beflaggung aller Kirchen – aus Anlass der Überführung der sterblichen Überreste der toten Nationalsozialisten des Hitlerputsches von 1923 – für seine Kirche verweigerte, wurde er angeklagt. Vor Gericht nannte er offen seine Gründe, worauf er mehrere Monate bis in das Jahr 1937 ohne Urteil in Haft gehalten wurde.

 

Die HJ interpretierte das 1934 geschlossene Konkordat in puncto Jugendarbeit restriktiv und verstand darunter rein religiöse Jugendarbeit. Die für die katholischen Sturmscharen typische Übernahme bündischen Brauchtums war so gesehen durch das Konkordat nicht gedeckt. Der Versuch der HJ, die Sturmscharen durch gezielten Terror gegen Jugendliche und deren Eltern auszuschalten, hatte dort Erfolg, wo auch die Priester das in ihren Augen weltliche Treiben der Sturmscharen ablehnten.
1937, Eckert saß in Haft, wurden die katholischen Sturmscharen verboten. Zehn Jungen und ihr Leiter Bernhard Becker trafen sich, um zu beraten, wie es weitergehen solle. Die Treffen wurden verraten. Die Gestapo verhaftete die Gruppe im Winter 1937 und suchte durch Nachtverhöre, Essensentzug und Prügel für den Terror gegen die katholische Jugend verwertbare Aussagen zu erpressen.

 

Der Leiter Bernhard Becker, der an der Städelschule Kirchliches Kunsthandwerk studierte, starb in Gestapo-Haft. Die Behauptung der Gestapo, Becker habe Selbstmord verübt, glaubte niemand. Überprüft werden konnte die Behauptung im nationalsozialistischen Unrechtsstaat nicht. Alois Eckert, der erst kurz zuvor aus der Haft entlassen worden war, begrub Bernhard Becker am 18. Dezember 1937. Am Trauerzug nahmen fast 1.000 Menschen teil. Die Losung der Todesanzeige, „Ich habe einen guten Kampf gekämpft!“ klagte jene an, in deren Kerkerzelle Bernhard Becker ums Leben gekommen war.

 

Der Sturmschärler Horst Stankowski war bereits seitens der Schulkonferenz der Musterschule zum Abitur zugelassen. Die Gestapo informierte die Musterschule, behauptete Stankowski gehöre einem „kommunistischen Jugendbund“ an und teilte mit, eine baldige Freilassung sei unwahrscheinlich. Die Schule informierte das Städtische Schulamt und die Oberbehörde. Das Schulamt strich die Freistelle und forderte den Vater auf, das volle Schulgeld zu zahlen. Der Oberbehörde gegenüber behauptete die Gestapo, das eingeleitete Verfahren schwebe beim Reichsanwalt beim Volksgerichtshof in Berlin. Daraufhin erklärte die Oberbehörde, eine Zulassung zum Abitur Ostern 1938 sei ausgeschlossen.

Der Pfarrer der Gemeinde bezieht öffentlich Stellung gegen den Nationalsozialismus, die Sturmschar wird von der Gestapo verfolgt.



Autor/in: Jürgen Steen
erstellt am 01.01.2003
 

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