Zwischen Bildnerei und Technik: Die Theaterfotografinnen Nini Hess (1884-unbekannt) und Carry-Cornelia Hess (1889-1957)

Stefani (genannt Nini) Hess, geboren 1884, leitete zusammen mit ihrer Schwester Carry ein erfolgreiches fotografisches Porträtatelier, in dem vor allem Theaterfotografien entstanden. 1933 wurde ihnen als Jüdinnen der Vertrag mit den Frankfurter Bühnen gekündigt, 1938 während des Novemberpogroms von der SA Bildarchiv und Technik des Ateliers zerstört. Während Carry die Flucht ins Ausland gelang, blieb Nini bei ihrer Mutter in Frankfurt und wurde vermutlich später nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.

 

 

„Das Atelier … genoß einmal Weltruf; wer durch Frankfurt kam mit Rang und Namen, saß wohl alsbald vor ihrer Linse. So entstanden Aufnahmen, die man heute nur als klassische Porträts bezeichnen kann … Bis dann die SA am 9. November 1938 die wertvollen Apparate, das kostbare Plattenarchiv kurz und klein schlug. Nini endete in einer Gaskammer.“ (Frankfurter Rundschau über das Atelier Nini & Carry Hess, 21. August 1957)

 

Nini Hess kommt am 21. August 1884 als Tochter des Kaufmanns Samuel Hess und von Lina Hess, geb. Salomon, in Frankfurt am Main zur Welt. Gemeinsam mit ihrer fünf Jahre jüngeren Schwester Carry führt sie etwa ab 1914 im fünften Stock des „Siegmund-Strauß-Hauses“, Börsenstraße 2-4, ein Porträtatelier, das vor allem durch herausragende Theaterfotografien Ruhm erlangt. Zum Kundenkreis der Frauen zählen vornehmlich Künstler, Wissenschaftler und Sportler – etwa Helene Weigel, Albert Bassermann, Heinrich George, Theo Lingen, Otto Wallburg, Albert Schweitzer oder die Frankfurter Fechterin Helene Mayer. In den zwanziger Jahren erlebt das Studio eine Blütezeit: So sind Nini und Carry Hess 1926 auf der „Deutschen Photographischen Ausstellung“ in Frankfurt am Main oder 1930 auf der Münchener Schau „Das Lichtbild“ vertreten. Viele ihrer Aufnahmen werden in der „Südwestdeutschen Rundfunk Zeitung“ publiziert. Während der Hochphase expressionistischer Inszenierungen unter den Frankfurter Intendanten Carl Zeiß und Richard Weichert sowie dem Bühnenbildner Ludwig Sievert setzen beide Frauen die besondere Lichtdramaturgie und Bühnengestaltung fotokünstlerisch gelungen in Szene.

 

Die Künstlerinnen schließen mit den Städtischen Bühnen einen Anstellungsvertrag ab, der ihnen feste Aufträge mit regelmäßiger Bezahlung garantiert. Bis 1929 sind sie maßgeblich an der fotografischen Ausgestaltung des „Frankfurter Theater Almanachs“ beteiligt. Im Gegensatz zur Konkurrenz verzichtet das Atelier Hess auf die Schaltung von Werbeanzeigen, was auf seinen hohen Bekanntheitsgrad schließen lässt.

 

Nini und Carry Hess entstammen einer jüdischen Familie. Bereits 1933 wird ihr Vertrag mit den Frankfurter Bühnen wegen antisemitischer Ressentiments aufgehoben. Aus den folgenden Jahren sind keine fotografischen Arbeiten mehr überliefert. Während des November-Pogroms 1938 verbrennen SA-Leute das Bildarchiv und zerstören die gesamte technische Ausrüstung im Atelier. Carry Hess gelingt kurz darauf die Flucht in das französische Exil nach Paris. Sie überlebt den Zweiten Weltkrieg versteckt in den Pyrenäen. An ihre beruflichen Erfolge kann sie nie mehr anknüpfen; als Fahrerin einer Apotheke verdient sie sich in Südfrankreich den Lebensunterhalt. Die Bundesrepublik Deutschland bewilligt 1957 eine Rente und Wiedergutmachungszahlungen – zu spät: Carry Hess stirbt noch im selben Jahr während eines Urlaubs im Schweizerischen Chur.

 

Über das weitere Schicksal von Nini Hess ist wenig bekannt. Zuletzt wohnt sie mit ihrer inzwischen verwitweten, hochbetagten Mutter Lina Hess in der Eschersheimer Landstraße 20. Nini Hess wird unbekannten Datums vermutlich aus Frankfurt am Main verschleppt und in Auschwitz ermordet. Die Mutter kommt im Durchgangs- und Konzentrationslager Theresienstadt zu Tode. Im Jahr 2002 ehrt die Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität Köln die beiden beinahe vergessenen Künstlerinnen mit einer Ausstellung.

Stefanie (Nini) Hess ist auf der Gedenktafel der Städtischen Bühnen aufgeführt.

 

 

Literatur und Quellen::

Auf geradem Weg zwischen Bildnerei und Technik. Fotografien von Nini & Carry Hess 1920-1933, Theaterwissenschaftliche Sammlung der Universität zu Köln 2002.

Ute Eskildsen, Fotografieren hieß teilnehmen. Fotografinnen der Weimarer Republik, Düsseldorf 1994, u. a. S. 316.

Fotografien, gefertigt von Nini & Carry Hess, in: Deutsche Kunst und Dekoration, XLIV (April bis September 1919), S. 252-258.

Anja Hellhammer, Potential der Provinz. Zum theaterfotografischen Werk von Nini & Carry Hess, in: Fotogeschichte 20 (2000), Heft 75, S. 45-58.

Dies., Nini Hess. Jewish Women: A Comprehensive Historical Encyclopedia. 1 March 2009. Jewish Women’s Archive. jwa.org/encyclopedia/article/hess-nini-and-carry-hess.

Klaus Honnef/Frank Weyers, Und sie haben Deutschland verlassen .… müssen. Fotografen und ihre Bilder 1928-1997, Bonn 1997, S. 233 (Carry Hess)Institut für Stadtgeschichte S 2/11 545; Bestand NS-Verfolgte 2643 Hess, Carry Cornelia.

Stefani (genannt Nini) Hess, geboren 1884, leitete zusammen mit ihrer Schwester Carry ein erfolgreiches fotografisches Porträtatelier, in dem vor allem Theaterfotografien entstanden. 1933 wurde ihnen als Jüdinnen der Vertrag mit den Frankfurter Bühnen gekündigt, 1938 während des Novemberpogroms von der SA Bildarchiv und Technik des Ateliers zerstört. Während Carry die Flucht ins Ausland gelang, blieb Nini bei ihrer Mutter in Frankfurt und wurde vermutlich später nach Auschwitz verschleppt und dort ermordet.



Autor/in: Heike Drummer / Jutta Zwilling
erstellt am 01.01.2010
 

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