Der braune Magistrat: Karl Friedrich Wilhelm Linder

Bürgermeister Linder tauft ein Segelflugzeug des NS- Fliegerkorps (1934)

Zum Autobahnanstich wurde viel NS-Prominenz erwartet. Bürgermeister Linder nach der Begrüßung von Joseph Goebbels am 23. September 1933 auf dem Flughafen Rebstock

Karl Friedrich Linder, ein ergebener Gefolgsmann von Gauleiter Sprenger. Als Bürgermeister und Personaldezernent war er verantwortlich für die Umsetzung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Ab 1937 widmete sich Lehmann als stellvertretender Gauleiter ganz der Parteiarbeit.

Mit Karl Linder zog am 13. März 1933 einer der engsten Mitarbeiter des hessen-nassauischen Gauleiters als Bürgermeister und Personaldezernent in den Frankfurter Magistrat ein. Er war zusammen mit dem neuen Oberbürgermeister Friedrich Krebs vom kommissarischen Wiesbadener Regierungspräsidenten Zschintzsch ernannt worden. Linder war in der Frankfurter Politik kein Unbekannter. Schon 1928 gehörte er der zu dieser Zeit lediglich vierköpfigen NSDAP-Stadtverordnetenfraktion an. Zwei Jahre später wurde er Reichstagsmitglied und Mitglied der Provinzial- und Kommunallandtage in Wiesbaden und Kassel, weshalb er aus der Stadtverordnetenversammlung wieder ausschied.

Trotz seiner schon längeren kommunalpolitischen Erfahrung war Linder der jüngste der Frankfurter hauptamtlichen Stadträte. 1900 in Frankfurt geboren, trat er nach dem Besuch der Mittelschule und dem Einjährigen-Examen an der Klinger-Oberrealschule 1916 als Zivilanwärter bei der Reichsfinanzverwaltung ein, wo er bis 1923 die Stationen bis zum Obersteuersekretär durchlief, nur unterbrochen durch eine wenige Monate währende Teilnahme am Ersten Weltkrieg als Landsturmmann bei einer Fernsprechersatzkompagnie, eine dreimonatige Mitgliedschaft in einem Freikorps und zwei Semestern Volkswirtschaft an der Frankfurter Universität. 1930 war er für seine politische Arbeit im Landtag von der Reichsfinanzverwaltung beurlaubt worden, 1933 verließ er sie endgültig, mittlerweile zum Steuerinspektor aufgestiegen.

Linder war „alter Kämpfer“, also laut Parteidefinition ein NSDAP-Mitglied mit einer Nummer unter 100.000; seine Karriere in der NSDAP begann früh. Nachdem er sich nach dem Ersten Weltkrieg eine Zeitlang unentschlossen bei diversen politischen Parteien und Gruppierungen umgesehen hatte, fand er im Jahr 1923 seine politische Heimat: er trat mit der Mitgliedsnummer 5.284 der neuen Hitler-Partei bei und begann in ihr Karriere zu machen. Ursprünglich Gaukassenwart, startete er 1926/27 seine Laufbahn als kommissarischer Gauverwalter des Gaus Hessen-Nassau-Süd, war von 1927 bis 1929 Gauschatzmeister, von 1928 bis 1932 stellvertretender Gauleiter im Gau Hessen-Nassau und wurde für kurze Zeit – von Oktober 1932 bis Februar 1933 – dessen Gauleiter. 1930 übernahm er den Posten als Leiter des Amts für Kommunalpolitik, was er bis 1945 blieb.

Gauleiter Sprenger schätzte Linders Organisationstalent, die propagandistischen Fähigkeiten und seine Kenntnisse auf dem Gebiet der öffentlichen Finanzen und des Gemeindewesens. Den 1932 vakanten Posten des Gauleiters von Hessen-Darmstadt, auf den Linder spekulierte, wollte er ihm aber doch nicht überlassen. Dafür achtete Sprenger zu sehr darauf, mögliche Konkurrenten und deren Ambitionen auf die Macht klein zu halten. Als Bürgermeister war er aus Sprengers Sicht jedoch eine Idealbesetzung: Über ihn hatte die Partei Zugriff auf die komplette Personalpolitik der Stadtverwaltung. Karl Linder war als Frankfurter Bürgermeister und Personaldezernent zuständig für die Umsetzung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums in der Frankfurter Verwaltung. Konkret hieß das, er war verantwortlich für die Entlassung zahlreicher unliebsamer Beamten und Angestellten der Stadtverwaltung gleich zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft.

1937 wurde er zum stellvertretenden Gauleiter von Hessen-Nassau berufen. Sein Nachfolger in Frankfurt wurde der Postbeamte Joseph Kremmer. Grund für Linders Abberufung war eine Verordnung vom Februar 1937, der die zahlreich existierenden Personalunionen zwischen Partei- und Verwaltungsamt auflösen sollte, da bürokratische Funktionen als nicht mehr vereinbar mit den „Aufgaben und Methoden politischer Führung“ galten. Linder konzentrierte sich von nun an ganz auf die Parteiarbeit.

In den letzten Kriegstagen tauchte Linder unter und blieb die folgenden fünf Jahre verschwunden. Anfang März 1950 jedoch verdichteten sich die Gerüchte, dass er sich in Brensbach im Odenwald aufhalte. Am 8. März wurde er dort von den amerikanischen Militärbehörden festgenommen und im Darmstädter Arbeitslager inhaftiert. Da er sich aber bereits vier Tage zuvor per Brief bei der Frankfurter Spruchkammer freiwillig gestellt hatte, wurde er aus der Haft wieder entlassen und konnte in Freiheit und in aller Ruhe den Beginn seines Spruchkammerverfahrens abwarten. Der Zeitpunkt seines Wiederauftauchens war wohlkalkuliert, denn bereits Anfang der fünfziger Jahre war die Praxis der Spruchkammern zunehmend lockerer geworden. Linder konnte darauf hoffen, dass sein Verfahren lediglich eine Formsache werden würde: In der Tat stellte die Zentralspruchkammer Hessen im November 1951 gemäß dem Gesetz über den Abschluss der politischen Befreiung in Hessen das Verfahren gegen den ehemaligen stellvertretenden hessen-nassauischen Gauleiter ein, da nach ihrer Ansicht keine Voraussetzung für eine Einstufung als Hauptschuldiger oder Aktivist und Nutznießer des Nationalsozialismus vorlagen. Über seinen weiteren Lebensweg lässt sich den offiziellen Quellen nichts entnehmen: Karl Linder starb 1979 in Groß-Bieberau.

 

 

Literatur::

Bettina Tüffers, Der Braune Magistrat. Personalstruktur und Machtverhältnisse in der Frankfurter Stadtregierung 1933-1945 (Studien zur Frankfurter Geschichte 54), Frankfurt am Main 2004

Karl Friedrich Linder, ein ergebener Gefolgsmann von Gauleiter Sprenger. Als Bürgermeister und Personaldezernent war er verantwortlich für die Umsetzung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Ab 1937 widmete sich Lehmann als stellvertretender Gauleiter ganz der Parteiarbeit.



Autor/in: Bettina Tüffers
erstellt am 01.01.2005
 

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