Der jüdische Maler Armin Stern (1883–1944) und seine Wahlheimat Frankfurt am Main

Der jüdische Maler Armin (Herman) Stern wurde 1883 bei Preßburg, Österreich-Ungarn geboren. Er studierte Malerei in Frankfurt a. M., München und Paris. Als Maler von Landschaften, Porträts, sozialkritischen und alttestamentarischen Themen verband er den Impressionismus mit dem Expressionismus. 1933 floh Stern vor den Nationalsozialisten nach Bratislava und 1938/39 nach New York ins Exil, wo er 1944 starb.

 

Am 25. April 1933 schrieb der Frankfurter Kunstverein dem international tätigen Landschafts- und Porträtmaler Armin Stern einen Brief, in dem er ihm die langjährige Zusammenarbeit aufkündigte. Darin heißt es: »Da die überwiegende Mehrheit der Ausstellungskommission sich gegen eine Mitwirkung nichtarischer Künstler erklärt, bitten wir Sie höflichst, um Peinlichkeiten zu vermeiden, von einer Beschickung der Ausstellung absehen zu wollen.«1 Als Stern diesen Brief erhielt, lebte er mit Unterbrechungen seit 33 Jahren in seiner Wahlheimat Frankfurt und blickte auf 20 Jahre Ausstellungstätigkeit im Frankfurter Kunstverein zurück. Der jüdische Maler und Zionist wurde kurz nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten aus der in Planung befindlichen Ausstellung »Deutsche Kunst der Gegenwart in Frankfurt«, die am 7. Mai 1933 im Frankfurter Kunstverein eröffnet wurde, verbannt und ein Schlussstrich unter mehr als drei Lebensjahrzehnte gezogen.

 

Armin (Herman) Stern wurde 1884 in einer Kleinstadt östlich von Preßburg (heute Bratislava) im damaligen Österreich-Ungarn (heute Slowakei) geboren.2 Die Familie war jüdisch-orthodox, er hatte 13 Geschwister. Während seiner Kindheit zog die Familie nach Preßburg in die Nähe der Jeschiwa, dem weit über die Grenzen hinaus bekannten Zentrum jüdischer Bildung. Hier besuchte er die Talmudschule und schloss 1900 die Handelsschule ab. Doch er wollte kein Kaufmann wie sein Vater Israel Stern werden, sondern Malerei studieren. Mit 17 Jahren zog er nach Frankfurt und schrieb sich 1901 in der Städelschen Kunstschule ein. Er studierte zwei Jahre bei Wilhelm Amandus Beer Malerei, anschließend ging er nach München und beendete sein Studium 1910 erfolgreich bei Franz von Stuck. Es folgte ein Aufenthalt in Paris an der École des Beaux-Arts und schließlich 1912 die dauerhafte Rückkehr nach Frankfurt. 1919 zog er in die Finkenhofstraße 36.

 

In Frankfurt feierte er seine ersten Erfolge und hatte einen Stammtisch im Café Westend. Er stand mit dem »Frankfurt-Cronberger Künstler-Bund« in Kontakt und plante eine Sezession mit Kollegen wie Jakob Nussbaum, Alexander Soldenhoff, Ugi Battenberg und Alfred Oppenheim. Zahlreiche Kontakte und Freundschaften zu Malern, Architekten, Galeristen, Musikern, Sammlern, Zionisten, Wissenschaftlern, Zeitungsleuten und Stadträten banden Stern in das Frankfurter Kulturleben ein – viele von ihnen, darunter Otto Zielowski, Karl Allmenröder, Else Gentner-Fischer, Elizabeth D. Strauss und Hans Strauss, Schmarja Levin, Artur Bauer und Salomon von Halle, hat er porträtiert.3

 

Im Kunstsalon Ludwig Schames stellte er mehrfach und im Kunstverein regelmäßig auf der Frühjahrsausstellung aus und wurde 1924 mit einer vielbeachteten Einzelausstellung4 in weiteren Kreisen bekannt. Er prägte das kulturelle Leben der Stadt mit und hielt die Mainmetropole in zahlreichen Bildern fest. Neben seinen (Stadt-)Landschaften und Darstellungen von Fischern, Bauern und dem städtischen Proletariat porträtierte er gläubige Juden aus Europa und dem Nahen Osten sowie Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Politik wie Thomas Mann, Marianne Werefkin, Franz Werfel, Albert Einstein, Martin Buber und David Ben Gurion. Stern machte sich außerdem einen Namen mit alttestamentarischen Themen wie »Hiob« oder »Samariter« (verschollen), malte das Bratislawer Ghetto und sozialkritische Motive: Armut, Alter und körperliche Gebrechen haben ihn zeitlebens beschäftigt. In Frankfurt hat Stern geheiratet und war Vater geworden. Von hier aus trat er seine zahlreichen Reisen durch Europa an und plante seine Ausstellungen im In- und Ausland – als Grenzgänger zwischen dem französischen Impressionismus und dem deutschen Expressionismus.

 

Zum Zeitpunkt des Eingangs zitieren Briefs hielt sich Stern in Palästina, Syrien und Afrika auf (1933 bis 1934). Seine Frau Toni, die aus dem hessischen Treysa stammte und zur Hochzeit im Jahr 1925 zum Judentum konvertiert war, sandte ihm den Brief mit einem desillusionierten Kommentar aus Frankfurt nach. Stern nutzte die Malreise nach Palästina auch, um für sich und seine Familie einen Ort zu finden, wo sie sich ein neues Leben aufbauen konnten, da Antisemitismus und Rassismus bereits Ende der zwanziger Jahre in Frankfurt stark zugenommen hatten. In Sterns persönlichem Umfeld gab es körperliche Übergriffe auf Juden mit Folgen bis zur Berufsunfähigkeit; sein Rezensent Oskar Quint, Journalist der Frankfurter Zeitung, wurde 1931 von Nationalsozialisten überfallen und schwerstverletzt. Als Zionist erkannte er in der ersten Stunde der NS-Diktatur die Notwendigkeit zur sofortigen Flucht. Die Familie baute sich in Bratislava eine neue Existenz auf. Noch 1931 verwies Artus als Korrespondent einer Preßburger Zeitung hoffnungsvoll auf zwei sich verbindende Aspekte in der Malerei Sterns: Dem Judentum und der internationalen Moderne. Durch seine Reisen sei er »Mittler« und »Brücke« geworden.5

 

1937 fielen Sterns Gemälde in mehreren deutschen Museen der NS-Beschlagnahme zum Opfer; zwei seiner Werke wurden 1937/38 für die Femeausstellung »Der Ewige Jude« in München missbraucht.6 Zur gleichen Zeit verübten nationalsozialistische Organisationen wie die Hlinka-Garden schwere Übergriffe in der Slowakei auf Juden. Sterns Anträge eines Bleibevisums für Palästina scheiterten, die Familie floh mit der 12-jährigen Tochter erneut vor den Nationalsozialisten: diesmal mit Hilfe des U.S.-amerikanischen Kongressabgeordneten Manfred Celler ins Exil nach New York. Sterns Geschwister blieben mit ihren Familien in der Slowakei zurück, es folgte um 1941/42 deren Deportation nach Auschwitz und Birkenau, die niemand überlebte. 12 Briefe dokumentieren die nahende Katastrophe und das vergebliche Ringen der Familien um Ausreise nach Palästina.7

Armin Stern starb wenige Tage vor seiner Einbürgerung in die USA nach fünf Jahren im Exil an Herzversagen. Als Folge von Vertreibung, Pogromen und Beschlagnahmen sind viele Gemälde Sterns verschollen, und sein Werk geriet in Vergessenheit.

 

Anmerkungen

 

1 Brief der Ausstellungskommission des Frankfurter Kunstvereins an Armin Stern, 25. April 1933 (Nachlass Armin Stern).

2 Vgl. Sabine Meister, Zionist. Grenzgänger. Kosmopolit. Der Maler Armin Stern (1883–1944). Hg. in der Schriftenreihe des Kunsthaus Dahlem, Bd. 6, Berlin 2018. Das Buch erschien anlässlich der ersten größeren Ausstellung in Deutschland seit über 80 Jahren.

3 Die Werke befinden sich im Städel-Museum, Historisches Museum Frankfurt, Jüdisches Museum Frankfurt, Leo Baeck Institute New York, Privatbesitz.

4 Ausstellungsfaltblatt Armin Stern, ISG Frankfurt S2 18.892 (Sammlungsmappe Armin Stern).

5 Der akademische Maler Armin Stern. Zu seiner Ausstellung in Preßburg. (Dezember 1931), ohne weitere Angaben (Pressesammlung, Nachlass Armin Stern).

6 Norbert Michels (Hg. im Auftrag der Stadt Dessau), Verrat an der Moderne. Die Gründungsgeschichte und das erste Jahrzehnt der Anhaltinischen Gemäldegalerie Dessau 1927–37. Dessau 1998, S. 120f.; Beschlagnahme-Akte von Armin Stern, Forschungsstelle »Entartete Kunst«, Kunsthistorisches Institut der Freien Universität Berlin. – Zur Ausstellung vgl. Die ›Kunststadt‹ München. Nationalsozialismus und ›Entartete Kunst‹. Hg. von Peter-Klaus Schuster, München 1987, S. 51.

7 Briefe an Armin und Toni Stern nach New York, 1939 bis 1941 (Nachlass Armin Stern).



Autor/in: Sabine Meister
erstellt am 06.10.2020
 
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