Bergung von Verschütteten nach dem Angriff am 11. April 1943

Wirkung von Sprengbomben 1943, zeitgenössische Fotografie

Wirkung von Sprengbomben 1943, zeitgenössische Fotografie

In der Gemündener Straße nach dem Luftangriff vom 11. April 1943, zeitgenössische Fotografie

In der Gemündener Straße nach dem Luftangriff vom 11. April 1943, zeitgenössische Fotografie

Am 12. April 1943 rettet ein Zug der Instandsetzungsbereitschaft des Luftschutz-Abschnittskommandos Süd in 17 Stunden gefahrvoller Arbeit sechs Verschüttete.

 

Beim Nachtangriff vom 11. April 1943 brachte eine Luftmine sieben Häuser zwischen Gemündener Straße, Wendelsweg und Miltenberger Straße ganz oder teilweise zum Einsturz, beschädigte sieben weitere Häuser schwer und 48 Häuser leicht. Der Einsatzleiter der Instandsetzungsbereitschaft des Abschnittkommandos Süd der Luftschutzpolizei schrieb am 13. April seinen Bericht über die Bergung von Verschütteten. Demnach dauerte der Einsatz fast 17 Stunden von 3.50 bis 20.30 Uhr am 12. April 1941:

 

„Beim Eintreffen des Instandsetzungs-Zuges (22 Mann) an der Schadensstelle hatten sich bereits 4 Leute von den in den Kellern eingeschlossenen 13 Personen selbst und durch Nachbarhilfe durch ein Kellerloch befreit Es waren somit noch 9 Personen in den Kellerräumen eingeschlossen. Auf Veranlassung von Zugführer Christ wurden sofort 4 Mann eingesetzt. Durch herabfallende Schuttmassen waren die Kellerräume derart beengt, daß der Einsatz weiterer Kräfte zunächst unmöglich war. Das Freilegen war durch größte Staubentwicklung und ständige Einsturzgefahr mit äußerster Lebensgefahr verbunden. Selbst Staubbrillen und Gasmasken konnten nicht benutzt werden, weil die Sicht durch die enorme Staubentwicklung stark beeinträchtigt war. Die Männer lehnten deshalb Staubbrillen und Gasmasken ab und arbeiteten ohne Schutz. Um die Bergungsarbeiten von zwei Seiten aus vortreiben zu können, wurde veranlaßt, von der Vorderseite des Gebäudes ca. 5 m durch die Schuttmassen an die vorderen Kellerlöcher vorzudringen.

 

Nach kurzer Zeit stellte sich heraus, daß durch ein weiteres Kellerloch Gas entströmte. Unter äußerster Anstrengung wurde das Kellerloch weiter freigelegt und festgestellt, daß die Gasleitung über dem Abstellhahn abgebrochen war. Der Luftschutzpolizei-Mann Bassing von der I.-Bereitschaft West wurde beauftragt, die defekte Stelle provisorisch mit feuchten Lappen abzudichten.

 

In der Zwischenzeit waren Gruppenführer Heibel, Luftschutzpolizei-Mann Glotzbach sowie der Angehörige der Feuerschutzpolizei Seibel bis zu dem Verschütteten Nr. 5 vorgedrungen. Sie fanden denselben bis zur Brusthöhe im Schutt (stehend) eingeschlossen und zu dessen Füßen lag der Verschüttete Nr. 6, dem nur noch ein Atmungsweg durch ein vor ihm stehendes Brett, welches fest eingeklemmt war, offen blieb. Gruppenführer Heibel mußte den Verschütteten Nr. 5 mit den bloßen Händen vorsichtig von den Schuttmassen befreien, da durch Anwendung des Spatens der Verschüttete Nr. 6 eventuell verletzt worden oder durch nachrollende Schuttmassen erstickt wäre. Nach Freimachung und Bergung des Verschütteten Nr. 5 (gegen 6 Uhr) beteiligte sich derselbe an den weiteren Rettungsarbeiten. Die erwähnten 3 Luftschutzpolizei-Männer arbeiteten an der Freimachung des Verschütteten Nr. 6 weiter. Diese gestaltete sich äußerst schwierig, da sich das festgeklemmte Brett nur mit äußerster Vorsicht beseitigen ließ. Außerdem war der Verschüttete im Rücken durch herabgerutschte Gesteinsmassen eingeklemmt. Inzwischen beteiligte sich der Befreite Nr. 5 bei den Arbeiten an der Vorderfront und löste den Mann der Luftschutzpolizei Bassing beim Abdichten des defekten Gasrohres ab. Durch die Kenntnis der räumlichen Lage gelang es ihm, den Gashahn nach kurzer Zeit zu schließen und ein weiteres Ausströmen von Gas zu verhindern.

 

Die Praxis hat erwiesen, daß durch den Reichsluftschutzbund veranlaßt werden muß, daß Zuführungshähne von Gas und Wasser sofort bei Alarm zu schließen sind, um derartige Vorkommnisse in Zukunft auszuschalten.

 

Durch Zuruf und Klopfen konnte festgestellt werden, daß ein Teil der Verschütteten noch lebte. Nunmehr wurde mit sämtlichen Kräften der Weg durch die Schuttmassen zu dem entsprechenden Kellerloch vorgetrieben, welches dann nach kurzer Zeit freigelegt werden konnte. Das Loch war erst am Tage vorher zwecks Ausbau des Luftschutzkellers zugemauert worden. Die Füllung war deshalb noch so frisch, daß rasch soviel Steine herausgenommen werden konnten, so daß ein Mann durchkriechen konnte. In der Zwischenzeit war es den von hinten eingedrungenen 3 Männern Heibel, Glotzbach und Seibel gelungen, den Verschütteten Nr. 6 freizubringen und herauszuschaffen. Sie machten sich nunmehr an die Bergung des Verschütteten Nr. 13.

 

In das zweite Kellerloch waren der befreite Verschüttete Nr. 5 sowie ein Unteroffizier der Wehrmacht und der Luftschutzpolizei-Mann Glotzbach, der kurz vorher hinten abgelöst worden war, eingedrungen. Sie fanden hier die Verschütteten Nr. 7, 8, 9, 10, 11 und 12.

 

Nr. 7 wurde 7.30 Uhr auf einem Luftschutzbett liegend wenig verschüttet aufgefunden und sofort herausgeschafft. Er hatte keine sichtbaren Verletzungen.

 

 

Nr. 8 war an den Füßen eingeklemmt und wurde mit leichten Kopf- und Knieverletzungen geborgen.

 

 

Nr. 9 war zwischen Luftschutzbetten und herabgefallenen Bautrümmern vollkommen eingeklemmt. Er wurde befreit und mit einem komplizierten Unterbeinbruch herausgebracht. (Zeit etwa 8 Uhr.)

 

Nr. 10 lag zu Füßen seines Vaters (Nr. 9) durch Schuttmassen eingeklemmt. Er wurde mit Brust- und Rückenquetschungen geborgen.

 

Nr. 11 und 12: Beim weiteren Untersuchen der Schuttmassen im Raum zeigten sich zunächst Kopf und Haare von Nr. 11. Quer über dem Unterkörper von Nr. 11 lag dann der Verschüttete Nr. 12, der kurz danach festgestellt wurde. Zunächst wurde Nr. 11 freigelegt und abtransportiert. Ein anwesender Arzt der Wehrmacht stellte noch geringe Herztätigkeit fest. Der Tod ist aber trotz einer vorgenommenen Spritze nach Aussagen des Arztes auf dem Transport eingetreten. Anschließend wurde Nr. 12 geborgen. Der Tod war laut Aussage des Arztes bereits eingetreten.

 

Inzwischen war das weitere Vordringen zu Nr. 13 wegen drohender Einsturzgefahr eingestellt worden. Der Tod dieses Verschütteten war aber bereits festgestellt.

 

Es wurde versucht, in den Keller durch Erstellung eines Stützbockes vorzudringen, was auch unter außerordentlichem Kräfteaufwand bis zur Freilegung der Füße von Nr. 13 gelang. Nun zeigte sich aber, daß durch immer wieder nachrutschende Schuttmassen das Leben der eingesetzten Mannschaften gefährdet und eine Bergung der Leiche auf diesem Wege nicht möglich war. Nach Lage der Dinge war eine Bergung von Nr. 13 nur noch durch Herabtreiben eines Trichters von oben durch die Schuttmassen bis zur Kellersohle möglich. Gegen Mittag wurden sämtliche verfügbaren Kräfte sowie 47 Mann frisch hinzugezogene Mannschaften der Wehrmacht eingesetzt. Um 17 Uhr war das Vortreiben bis zu Nr. 13 gelungen. Die Leiche wurde in halbliegender Stellung mit dem Gesicht gegen die Wand vorgefunden. Über den Beinen lag ein schwerer Gewölbequaderstein. Zur Freilegung von Nr. 13 war die Beseitigung dieses Steines nötig, was sich außerordentlich schwierig gestaltete durch immer wieder nachrutschenden und nicht zu sichernden Schutt. Infolge dieser Schwierigkeiten zog sich die Bergungsarbeit bis gegen 20.30 Uhr hin. Zu diesem Zeitpunkt konnte die Leiche geborgen und damit sämtliche in den Kellern gewesenen Personen als geborgen gemeldet werden.“

Am 12. April 1943 rettet ein Zug der Instandsetzungsbereitschaft des Luftschutz-Abschnittskommandos Süd in 17 Stunden gefahrvoller Arbeit sechs Verschüttete.



Autor/in: Jürgen Steen
erstellt am 01.01.2003
 

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