Die Entfernung des Denkmals „Den Opfern“

Benno Elkan in seinem Atelier im Winterrefektorium des Karmeliterklosters, Fotografie um 1926

"Das Denkmal „Den Opfern“ (1920; Figur 1913/14) von Benno Elkan in der Gallusanlage, Fotografie 2003"

Berufsverbot für Benno Elkan. Schreiben der Reichskulturkammer vom 12. Februar 1935

Allein weil Benno Elkan Jude ist, wird sein Opferdenkmal 1933 abgebaut. Der Künstler wird von den Nationalsozialisten als Nichtarier definiert. Er wird als unzuverlässig und ungeeignet, so genanntes deutsches Kulturgut zu schaffen, erklärt und erhält im Februar 1935 Berufsverbot.

 

Der Magistrat der Stadt Frankfurt plante 1919 die Errichtung eines Denkmals für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten. Er beauftragte Benno Elkan, dessen Tätigkeit als Sprecher des Frankfurter Künstlerrates seit 1917 mit diesem Mandat honoriert wurde. Elkan legte den Entwurf einer etwa 40 Meter hohen Steinstele mit großdimensioniertem Relief eines Jünglings auf der Frontseite vor. Über die Gesamtfläche waren Buchstaben und Zahlen eingearbeitet. Diese Inschrift sammelte Daten zu den Jahren 1913 und 1919, deren Vergleich die verheerenden wirtschaftlichen und sozialen Ausmaße des Ersten Weltkrieges veranschaulichen sollte.

 

Den Auftraggebern war dieser pazifistische Entwurf wohl zu kühn. Statt dessen entschieden sie sich für Elkans 1913/14 gefertigte Figur „Heldenklage“, die den kommenden Krieg bereits spüren lässt. Die Stadt Frankfurt kaufte die Figur an, und Elkan stellte einen Sockel mit der Inschrift „Den Opfern“ her. Standort des Denkmals, das am 3. Oktober 1920 feierlich eingeweiht wurde, war die stark frequentierte Ecke Kaiserstraße/Gallusanlage. Die Figur, eine im Schmerz zusammengesunkene, klagende Muttergestalt, wurde überregional beachtet. Sie brachte Benno Elkan im ansonsten toleranten Frankfurt Kritik ein. Anstatt ein nationalbewusstes Kriegerdenkmal vorzulegen, wie es seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts gebräuchlich war, hatte Elkan ein Opferdenkmal geschaffen. Zudem war es „den“ Opfern gewidmet, was auch die Toten des Gegners einschloss. Nationalkonservative Kritiker fühlten sich zudem in ihrem nationalen Stolz verletzt: Sie verstanden die Mutterfigur als klagende Germania und somit als Sinnbild des gebrochenen Deutschlands. An der künstlerischen Qualität des Werkes wurde moniert, der Ausdruck des Schmerzes sei nicht überzeugend. Deutlicher noch wurde die Nacktheit der Figur und ihre angeblich zu sinnliche Darstellung abgelehnt.

 

Das Denkmal entsprach aber auch nicht dem Kunstverständnis der Nationalsozialisten: Es fehlte ihm der Pathos des Sterbens für ein Ideal. Auch der Ausdruck des individuellen Schmerzes bei Elkans Figur war in diesem Zusammenhang nicht erwünscht: Der Künstler nahm mit seinem Denkmal Partei für die Opfer. In keinem seiner Denkmalsentwürfe beteiligte er sich an jenem Heldenkult, der von den Nationalsozialisten aufwändig betrieben wurde, der seinen Ursprung jedoch bereits in den Ehrenmalen des Kaiserreichs hat. Die Monumentalität des Werkes, durch die Auswahl des dunkelgrünen, polierten Granits Programm, passt sich zwar gut auch in die Zeit des Nationalsozialismus ein. Jedoch die Verfremdung der Figur durch ihre blockhafte Form sowie die daraus resultierende flächige Ausgestaltung des Körpers wird den neuen Machthabern nicht gefallen haben.

 

Solche Kritik erhielt der geschätzte Bildhauer nur selten. Sein umfangreiches Oeuvre besteht zum großen Teil aus Auftragsarbeiten. Seine zahlreichen Grabdenkmäler wiesen Anklänge von Klassizismus und Jugendstil auf, in seinen Porträtbüsten und Medaillen orientierte er sich am Geschmack seiner Auftraggeber. Elkans Denkmalsentwürfe hingegen waren moderner. Doch obwohl er keine „entartete Kunst“ schuf, wurde Elkan verdammt und seine Denkmäler in Frankfurt, Völklingen und Mainz noch 1933 aus der Öffentlichkeit entfernt. Die Ursache dafür lag allein in Elkans jüdischer Herkunft, die ihn nach nationalsozialistischem Verständnis zum Gegner der Volksgemeinschaft machte - unfähig, so genanntes „deutsches Kulturgut“ zu schaffen. Benno Elkan wurde aus rassistischen Gründen der zur Berufsausübung verbindliche Eintritt in die Reichskulturkammer verweigert. Hausdurchsuchungen seit 1933 veranlassten Elkan schließlich zur Emigration. Vermutlich traf er erste Vorbereitungen hierzu bereits bei einem geschäftlichen Aufenthalt in London im Sommer 1933. Es gelang ihm, fast alle Arbeiten und Modelle sowie seinen Hausrat mitzunehmen. Die endgültige Ausreise Benno Elkans erfolgte wahrscheinlich 1935 nach dem Berufsverbot.

 

Die Figur des Denkmals „Den Opfern“ sollte zerstört werden - im Gegensatz zu dem ebenfalls 1933 abgebauten Friedrich-Ebert-Denkmal, das die Nationalsozialisten erhielten. Aus unbekannter Ursache erhielt sich die Figur aber im Betriebshof der Städtischen Straßenreinigung in der Gutleutstraße 220. Wenige Monate nach Beendigung des Krieges schlug die Freie Deutsche Kulturgesellschaft dem Magistrat die Wiederaufstellung der Figur vor. Am 18. April 1946 wurde das Denkmal an seinem ursprünglichen Ort feierlich eingeweiht.

 

 

Literatur und Quellen

 

Hans Menzel-Severing, Der Bildhauer Benno Elkan, Dortmund 1980

Hans Menzel-Severing, Benno Elkan – Ein Bildhauer zwischen Tradition und Moderne. In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 69 (2003), S. 79–97

Akten im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: Kulturamtsakte 380; Kulturamtsakte 949; S1/75, Nr. 25

Allein weil Benno Elkan Jude ist, wird sein Opferdenkmal 1933 abgebaut. Der Künstler wird von den Nationalsozialisten als Nichtarier definiert. Er wird als unzuverlässig und ungeeignet, so genanntes deutsches Kulturgut zu schaffen, erklärt und erhält im Februar 1935 Berufsverbot.



Autor/in: Janine Burnicki
erstellt am 01.01.2003
 

Verwandte Personen

Elkan, Benno

Verwandte Begriffe

entartete Kunst


Volksgemeinschaft

Verwandte Orte

Denkmal „Den Opfern“


Friedrich-Ebert-Denkmal


Gallusanlage


Reichskulturkammer

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