Elisabeth Schwarzhaupt, geboren 1901 in Frankfurt am Main, studierte Rechtswissenschaften und arbeitete anschließend unter anderem als Richterin. Vom NS-Regime aus dem Amt entlassen, erwarb sie zunächst den Doktortitel und wurde 1936 in Berlin von der Evangelischen Kirche angestellt. Als Mitglied der CDU wurde sie 1953 Bundestagsabgordnete und spezialisierte sich politisch auf ehe- und familienrechtliche Fragen. Von 1961 bis 1966 war sie Gesundheitsministerin im Bundeskabinett. Sie starb 1986.
„Der Anfang des Dritten Reiches war für meine Umwelt und für mich persönlich in vieler Hinsicht ein Ende, ein Zusammenbruch.“ (Elisabeth Schwarzhaupt, 1982)
Biografie
Elisabeth Schwarzhaupt kam am 7. Januar 1901 in Frankfurt am Main zur Welt. In ihrer Heimatstadt und in Berlin studierte sie Rechtswissenschaften. Zu Beginn der 1930er Jahre übte sie in Frankfurt eine juristische Tätigkeit in der „Städtischen Rechtsauskunftsstelle“ aus und arbeitete als Richterin an den Landgerichten Frankfurt und Dortmund. Im Frühjahr 1933 wurde sie ihres Amtes enthoben. Zwangsweise beschäftigungslos, verfasste Schwarzhaupt eine Dissertation, auf deren Grundlage sie 1935 promoviert wurde. Der Nationalsozialismus zerstörte nicht nur die berufliche Karriere, sondern auch das private Glück. Ihr Verlobter, ein jüdischer Arzt, flüchtete in das US-amerikanische Exil. Schwarzhaupt ging nach Berlin, wo 1936 ihre 17 Jahre währende Tätigkeit für die Evangelische Kirche begann. Sie blieb zeitlebens unverheiratet.
Ende 1953 trat sie der CDU bei und saß von diesem Jahr an bis 1969 als Abgeordnete für den Wahlkreis Wiesbaden im Deutschen Bundestag. Ihr Hauptwirkungsfeld war die Ausschussarbeit; dort profilierte sich die Juristin vornehmlich in ehe- und familienrechtlichen Fragen. Im November 1961 wurde sie als Gesundheitsministerin in das vierte Kabinett Adenauers geholt; das Ressort leitete sie fünf Jahre. 1969 zog sich die fast 70-Jährige von der Bonner Bühne zurück, blieb jedoch weiterhin in Frauenverbänden und dem CDU-Stadtbezirksverband Frankfurt-Eschersheim tätig. Elisabeth Schwarzhaupt starb am 29. Oktober 1986 im Alter von 85 Jahren in Frankfurt am Main.
Engagiert gegen die Nazis
„Die Angst hatte mich so mutig gemacht.“ Heute weniger bekannt ist Schwarzhaupts aktives politisches Engagement gegen den Nationalsozialismus vor 1933. Während der Weimarer Zeit hatten gerade in Frankfurt am Main die Akzente städtischer Politik auf Weltoffenheit, Moderne und Vielfalt gelegen. „Die Grenzen zwischen Bürgern und Arbeitern, Christen und Juden, Reichen und Armen waren durchlässiger als anderswo“, erinnerte sich Elisabeth Schwarzhaupt an die 1920er Jahre. Nach dem 30. Januar 1933 führten Reglementierungen und vor allem die völkisch-rassistische Ideologie der Nationalsozialisten zur Zerstörung dieser gewachsenen Identität.
Wie überall in der Republik erlebten die Frankfurterinnen und Frankfurter den politischen Wechsel nicht über Nacht. Auf den Straßen Frankfurts tobte regelmäßig der Mob. Besonders an Wochenenden gab es – verstärkt seit der Weltwirtschaftskrise 1929 – Schlägereien zwischen „Braunhemden“ und Kommunisten, Sturmabteilung (SA) und der linken Schutzorganisation Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold. Der politische Hass forderte Verletzte und Todesopfer.
In dieser nicht ungefährlichen Zeit zu Beginn der 1930er Jahre entdeckte Elisabeth Schwarzhaupt ihr Interesse für die Politik. Auslöser waren die tägliche Konfrontation mit dem sozialen Elend ihrer weiblichen Klientel in der „Städtischen Rechtsauskunftsstelle“ sowie die bewusste geistige Auseinandersetzung mit den Schriften „Mein Kampf“ von Adolf Hitler und „Mythus des 20. Jahrhunderts“ von Alfred Rosenberg, dem Chefideologen der Nationalsozialisten. Damit gehörte sie zu dem kleinen Personenkreis, der diese Bücher überhaupt kritisch zur Kenntnis nahm. Nach der Lektüre fragte sie sich entsetzt, was aus Deutschland werden solle, wenn Menschen die Politik beherrschten, die eine pseudowissenschaftliche, halbwahre, inhumane Ideologie verträten und diese auch noch auf Stammtischniveau verbreiteten. Ausgrenzung der Juden, Eroberung von Lebensraum im Osten – sprich Krieg, Verdrängung der Frauen aus ihren Berufen, dies alles zählte zum Programm der Nationalsozialisten, das Elisabeth Schwarzhaupt nicht gewillt war, passiv hinzunehmen. So engagierte sie sich vor allem im Wahljahr 1932 für die Deutsche Volkspartei (DVP), die Partei ihres Vaters Wilhelm Schwarzhaupt. Nackte Angst trieb sie nach eigenem Bekunden, die ihr auch half, die Scheu vor öffentlichen Auftritten abzulegen.
Bereits nach dem Ersten Weltkrieg hatte die Schülerin für zwei oder drei Jahre als Angehörige der DVP-Jugend einen kurzen Ausflug in die Parteipolitik unternommen. Aber den Beitritt schuldete sie damals wohl eher einem Wunsch ihres Vaters. Geistige Heimat und Möglichkeiten der Entfaltung hatte sie dort nicht gefunden, da die Mutterpartei ihrem Nachwuchs in autoritärer Manier kaum Rechte auf Eigenständigkeit und Selbstbestimmung einräumte. In dieser Jugendgruppe habe sie sich nicht zuhause gefühlt, resümierte sie später knapp. Angesichts der Tatsache, dass DVP-Reichsjugendführer Pfarrer Paul Luther damals bereits im sechsten Lebensjahrzehnt stand, verwundert die reservierte Haltung kaum. In der Organisation zugelassen waren bereits Jugendliche unter 18 Jahren; in diesem Alter konnten sie, als über 20-Jährige mussten sie in die Partei eintreten. Elisabeth Schwarzhaupt entschied sich vor ihrem 20. Geburtstag gegen die DVP und wurde niemals ordentliches Mitglied.
Dennoch blieb sie der Partei bis zu deren erzwungener Auflösung im Juli 1933 solidarisch verbunden, da schließlich ihr Vater seit der Wahl vom 20. Februar 1921 als DVP-Abgeordneter für den Wahlkreis Hessen-Nassau im Preußischen Landtag saß. Wilhelm Schwarzhaupt war glühender Anhänger der Politik Gustav Stresemanns, des Gründers und ersten Vorsitzenden der DVP. Stresemanns Name stand in der Öffentlichkeit unter anderem für die Stabilisierung der Währung durch Einführung der Rentenmark, die Festigung der Verfassung und Optimierung der Verhandlungen über die Reparationsfragen. Wilhelm Schwarzhaupt versuchte regelmäßig, in der Presse und an der Basis für diese Politik zu werben. Und als Stresemann am 3. Oktober 1929 nach schwerer Krankheit starb, würdigte ihn sein Parteikollege mit einem sehr persönlichen Nachruf in den „Frankfurter Nachrichten“.
Tochter Elisabeth Schwarzhaupt hatte ihren Vater oft auf Wahlveranstaltungen begleitet und kannte das Parteiprogramm genau. Im „Super“-Wahljahr 1932 schließlich wurde sie selbst aktiv. Inzwischen galt die politische Situation bekanntlich als äußerst instabil; schon bald würde die DVP zu den bedeutungslosen Splitterparteien zählen. Nach nur 14 Jahren stand das Ende der Weimarer Republik unmittelbar bevor.
Was hat die deutsche Frau vom Nationalsozialismus zu erwarten?
Ihre Ausführungen auf Wahlveranstaltungen und in Broschüren der DVP konzentrierte Elisabeth Schwarzhaupt auf die eine Frage: Was hat die deutsche Frau vom Nationalsozialismus zu erwarten? Bescheiden berichtete sie später, es hätte sich ohne ihr Zutun ergeben, dass sie immer wieder gebeten wurde, in Marburg, Bad Homburg, Kassel oder Frankfurt zu sprechen. Jedoch war der Bekanntheitsgrad der jungen Juristin im April 1932 bereits so groß, dass sogar der Wahlkreisverband Westfalen-Süd im Vorfeld der preußischen Landtagswahl an die Assessorin herantrat, um sie für Vortragsabende in Bochum und Dortmund zu gewinnen.
Über die öffentlichen Auftritte Elisabeth Schwarzhaupts existieren nur spärliche Informationen. Eine Veranstaltung der NSDAP-Kreisleitung des Main-Taunus-Kreises, zu der Schwarzhaupt als „Gegenrednerin“ geladen wurde, löste jedoch in den rechtsliberalen „Frankfurter Nachrichten“ empörte Reaktionen aus, verfasst von der Journalistin und damaligen Leiterin der Frauenbeilage Helli Knoll. Sie vermitteln noch heute ein bezeichnendes Bild von der Stimmung jener Tage. Unter dem mutigen Titel „Und dennoch: die Wahrheit siegt“ deckte Knoll zunächst die unlauteren Machenschaften auf, mit denen die Rednerin überhaupt zu der Veranstaltung am 18. März 1932 gelockt worden war. Danach soll Schwarzhaupt die Einladung erhalten haben, auf einer Frauenversammlung der NSDAP in Höchst mit weiblichem Publikum zu diskutieren. Sie sagte zu. In Wahrheit handelte es sich jedoch um eine große Partei-Kundgebung für Frauen und Männer im Saal des Volksbildungsheims. Als Hauptredner trat dort ein gewisser Becker (NSDAP) auf. Sein zweistündiges Referat, das die „Frauenfrage“ marginalisierte, hatte nach Auffassung Helli Knolls nur ein Ziel, nämlich „die Versammlungsteilnehmer mürbe zu machen resp[ektive] ihr Interesse für die Gegenrednerin, Frau Schwarzhaupt, lahmzulegen“. Diese Strategie sollte jedoch gänzlich scheitern. Unter gespannter Aufmerksamkeit gelang es Elisabeth Schwarzhaupt trotz fortgeschrittener Stunde, sowohl die Plattitüden Beckers zu entkräften als auch die frauenfeindliche Einstellung des Nationalsozialismus prägnant auf den Punkt zu bringen. Sie führte dem Publikum vor Augen, dass sich unter den 107 Reichstagsabgeordneten der NSDAP keine einzige Frau befände. An den Vorredner gewandt konterte sie unter großem Beifall: „Solange von einer Parteistelle amtlich nicht erklärt wird, wir sind für die Gleichberechtigung der Frau im Berufsleben, im Staatsleben, kann ich den Äußerungen des Herrn Becker nicht viel Glauben schenken.“ Und weiter legte sie dar: „Wir Frauen haben allen Grund für unsere Stellung, die wir heute haben, nämlich die grundsätzliche Gleichberechtigung, zu kämpfen. Das ist nicht nur eine Sache der Frauen, das geht unsere ganze Kultur an, welche Stellung wir Frauen in dem Staat haben. Es ist doch für den Mann nicht gleich, ob er eine Frau hat, die Magd und Dienerin ist, wie sie Gottfried Feder [„Programmatiker der Bewegung“] verlangt, ob sie die gleiche Bildung hat und auf dem selben Niveau ist wie er und ob sie Lebenskameradin sein kann oder nicht. Um den Glauben daran, daß sich die Gleichberechtigung der Frau im Staat, im Beruf und in der Politik erhält, müssen wir kämpfen.“
Es ist bemerkenswert, dass Elisabeth Schwarzhaupt weder bei diesem Vortrag noch in einem 1932 unter den verschiedenen Titeln „Die Stellung der Frau im Nationalsozialismus“ und „Was hat die deutsche Frau vom Nationalsozialismus zu erwarten?“ veröffentlichten Beitrag der NS-Ideologie frauenpolitische Konzepte der DVP entgegen setzte, obgleich die Partei doch neben der Berliner Gesellschaft „Deutsche Erneuerung. Zeitungs- und Buchverlag“ als Herausgeberin der Schrift verantwortlich zeichnete. Offenkundig schien es ihr in dieser politisch gefährlichen Situation wichtiger, als anerkanntermaßen Unparteiische effektvoll auf ein Problem aufmerksam machen und die NS-Ideologie enttarnen zu können. Für diese These spräche die um Neutralität bemühte Vorbemerkung der Herausgeber beider Schriften: „Die nachfolgende Stellungnahme von Assessor Elisabeth Schwarzhaupt … dürfte besonderes Interesse wecken, da hier eine Frau spricht, die der jungen Generation angehört, und die bisher parteipolitisch nicht hervorgetreten ist.“
Warnungen vor dem Nationalsozialismus, gleich denen von Elisabeth Schwarzhaupt, wurden in jener Zeit häufiger formuliert, auch wenn dieser Sachverhalt heute kaum mehr bekannt ist. Gerade Frauen wehrten sich engagiert gegen die NS-Programmatik. Waren sie es doch, denen nach 1933 lang erkämpfte Rechte abgesprochen und die auf eine bestimmte Frauenrolle – Mutter und Kameradin des Ehemannes – reduziert werden sollten. Durch ihre couragierten Auftritte hatte Elisabeth Schwarzhaupt in Frankfurt am Main und der Region Bekanntheit erlangt. Seit 1933 fühlte sie sich deshalb von den Nationalsozialisten bedroht und zog sich in das Privatleben zurück.
In dem deprimierenden Bewusstsein, dass ihre damaligen Warnungen an die Frauen weitgehend ungehört verhallt waren, sollte Elisabeth Schwarzhaupt nach dem Zweiten Weltkrieg umso intensiver Aufklärungsarbeit leisten. Als eines ihrer Lieblingsthemen reflektierte sie dabei immer wieder die Stellung der Frau in der jungen Demokratie. Noch 1953 musste sie allerdings skeptisch einräumen, dass die meisten Frauen, was demagogische Appelle anginge, die letzte politische Bewährungsprobe des Gefeitseins noch vor sich hätten.
Prägende politische Erfahrungen
Elisabeth Schwarzhaupt gehörte einer Generation an, die mehrere tiefgreifende politische Zäsuren erlebte: 1918 das Ende des Ersten Weltkrieges, die Flucht des deutschen Kaisers und die Ausrufung der Republik, 1933 die „Machtübernahme“ Adolf Hitlers, 1939 den Beginn eines verbrecherischen Angriffskrieges, 1945 die Befreiung vom Nationalsozialismus durch die Alliierten und 1949 die Gründung der Bundesrepublik Deutschland. Das Scheitern des Weimarer Staates, in den sie als junge Frau so große Hoffnungen gesetzt hatte, und vor allem die das Recht mit Füßen tretenden Nationalsozialisten waren – in beruflicher wie privater Hinsicht – erschütternde Erfahrungen für die Juristin. Sie motivierten nach 1945 ihr eindeutiges Bekenntnis zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie ihr politisches Engagement für die Bundesrepublik.
Literatur:
Elisabeth, Schwarzhaupt, Was hat die deutsche Frau vom Nationalsozialismus zu erwarten?, Berlin 1932 (5. Auflage).
Dies., Die Stellung der Frau im Nationalsozialismus, o. O. 1932.
Dies., Die Frau als Wählerin, in: Hulda Zarnack (Hg.): Wir Frauen im Staat, Gelnhausen/Berlin 1953, S. 42-45.
Dies., Meine Welt brach zusammen, in: Als Hitler kam. 50 Jahre nach dem 30. Januar 1933. Erinnerungen prominenter Augenzeugen, Freiburg i. Br. 1982, S. 162-168.
Deutscher Bundestag (Hg.), Abgeordnete des Deutschen Bundestags. Aufzeichnungen und Erinnerungen, Bde. 2 und 3, Boppard am Rhein 1983 und 1985.
Edith Dörken, Berühmte Frankfurter Frauen, Frankfurt am Main 2008.
Heike Drummer/Jutta Zwilling, Elisabeth Schwarzhaupt. Einen Biografie, in: Die Hessische Landesregierung (Hg.), Elisabeth Schwarzhaupt. Porträt einer streitbaren Politikerin und Christin, Freiburg 2001, S. 113-156.
Angela Keller-Kühne, Frauen im demokratischen Aufbruch. Die Gründungsgeschichte der CDU in Hessen, in: Historisch-politische Mitteilungen. Archiv für Christlich-Demokratische Politik, 4. Jg., 1997, S. 19-34.
Hanna-Renate Laurien, Elisabeth Schwarzhaupt (1901-1986), in: Hans Sarkowicz (Hg.), Sie prägten Deutschland. Eine Geschichte der Bundesrepublik in politischen Porträts, München 1999, S. 69-83.
Elisabeth Schwarzhaupt, geboren 1901 in Frankfurt am Main, studierte Rechtswissenschaften und arbeitete anschließend unter anderem als Richterin. Vom NS-Regime aus dem Amt entlassen, erwarb sie zunächst den Doktortitel und wurde 1936 in Berlin von der Evangelischen Kirche angestellt. Als Mitglied der CDU wurde sie 1953 Bundestagsabgordnete und spezialisierte sich politisch auf ehe- und familienrechtliche Fragen. Von 1961 bis 1966 war sie Gesundheitsministerin im Bundeskabinett. Sie starb 1986.