Die Stiftungsuniversität

Vertrag über die Gründung einer Universität in Frankfurt am Main 1912

Neubauten des Senckenbergischen Naturmuseums und der Senckenbergischen Bibliothek (rechts) an der heutigen Senckenberganlage, Fotografie 1907

Der 1908 eröffnete Neubau des Physikalischen Vereins in der Robert-Mayer-Straße, Fotografie um 1930

Der Neubau der Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, Fotografie 1907

Blick auf das Klinikum der Universität, Fotografie um 1930

Blick auf die Bockenheimer Universität, Fotografie um 1930

Die 1914 eröffnete Frankfurter Universität ist die einzige Stiftungsuniversität in der deutschen Geschichte.

1912 schlossen die Stadt Frankfurt am Main, die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften, die Carl Christian Jügel Stiftung, die Stiftung Theodor Sternsches Medizinisches Institut, das Institut für Gemeinwohl, die Georg und Franziska Speyersche Studienstiftung, Physikalischer Verein, die Dr. Senckenbergische Stiftung, die Senkenbergische Naturforschende Gesellschaft (SNG), die Stiftung Carolinum und das Neurologische Institut den Vertrag zur Gründung einer Universität in Frankfurt am Main. Im Juni 1914 genehmigte Wilhelm II. die Universität, am 10. Oktober, wenige Wochen nach Beginn des 1. Weltkriegs, begann mit einer schlichten Eröffnungsfeier das erste Semester. Die einzige Stiftungsuniversität in der deutschen Geschichte erhielt nicht, wie sonst üblich, den Namen des königlichen Landesherrn. Sie blieb vorerst namenlos, erst 1932 wird sie nach Goethe benannt. Zahllose Spenden und Stiftungen, weit über den Kreis der Stifter von 1912 hinaus, nicht nur, aber vor allem durch das jüdische Bürgertum der Stadt, machten die neue Johann Wolfgang Goethe-Universität nach der staatlich subventionierten Berliner Universität zur bestausgestatteten Hochschule im Kaiserreich.

Die Stadt, deren Oberbürgermeister Franz Adickes die Universitätsgründung über fast zehn Jahre gegen politische Vorbehalte zielstrebig verfolgt und durchgesetzt hatte, brachte vor allem die modern ausgestatteten Städtischen Krankenhäuser in die zukünftige Medizinische Fakultät ein. Senckenbergische Stiftung, Senckenbergische Naturforschende Gesellschaft und Physikalischer Verein stifteten eine fast komplette Naturwissenschaftliche Fakultät, zugleich die erste selbstständige naturwissenschaftliche Fakultät der deutschen Universitätsgeschichte. Die Akademie für Sozial- und Handelswissenschaften ging in der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät auf, der ersten an einer deutschen Universität überhaupt.

Juristische und Philosophische Fakultät komplettierten die Gründung, die trotz heftiger Kritik von außen auf eine Theologische Fakultät verzichtete. Auch das war ein für viele unerhörtes Novum.

Neben Franz Adickes gehörte Wilhelm Merton zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Universitätsgründung. Bei Bekanntwerden der Frankfurter Pläne wurden massive Vorbehalte in Berlin deutlich. Die Politische Kultur der Stadt galt als linkslastig. Nach weithin herrschender Auffassung konnte nur der Staat Garant der Wissenschaftsfreiheit sein. Großer Rat und Kuratorium waren die beiden Gremien, in denen Stiftungen und Stifter vertreten waren. Ende 1932 hatte der Große Rat 44 Mitglieder, 20 von ihnen waren gleichzeitig Mitglieder des Kuratoriums. Paragraf vier des Stiftungsvertrages schrieb die religiöse Toleranz fest: Erstmals in Preußen setzte der Erwerb eines Ordinariats nicht mehr die christliche Taufe voraus. Damit entfiel an der Frankfurter Universität die in Preußen traditionelle Diskriminierung jüdischer Wissenschaftler.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg erhielt die Universität im deutschnationalen und antisemitischen Lager den Ruf einer von Juden beherrschten Universität. Der Weltkrieg, der schon die Eröffnung überschattet hatte, zerrüttete das Stiftungsvermögen. 1924 schloss die Stadt mit dem Land Preußen einen Vertrag über die anteilige Subventionierung der durch das Stiftungsvermögen nicht gedeckten Kosten der Universität.

Die 1914 eröffnete Frankfurter Universität ist die einzige Stiftungsuniversität in der deutschen Geschichte.



Autor/in: Janine Burnicki/ Jürgen Steen
erstellt am 01.01.2003
 

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