Das Rote Kreuz unter dem Hakenkreuz

Die DRK-Kreisgeschäftsstelle in der Josef-Haydn-Straße (Mendelssohnstraße) 78, 1939

Rotkreuz-Helferinnen verpflegen in den Frankfurter Bahnhöfen Truppentransporte und Lazarettzüge, 1940

Rotkreuz-Helferinnen verpflegen in den Frankfurter Bahnhöfen Truppentransporte und Lazarettzüge, 1940

Vereidigung von DRK-Helferinnen und -Helfern im Saalbau am 29. März 1940

Schon bald nach der Machtübernahme arrangierte sich das Rote Kreuz in Frankfurt mit den neuen Machtverhältnissen. Die endgültige Beseitigung der organisatorischen Eigenständigkeit 1937 durch ein Reichsgesetz war nur noch eine Formsache.

Das Frankfurter Deutsche Rote Kreuz (DRK) arrangierte sich nach 1933 mit den neuen Machtverhältnissen, beteiligte sich nach wie vor am städtischen Rettungsdienst, stellte „Fliegende Wachen“ bei Großveranstaltungen und bot Ausbildungskurse in Erster Hilfe an. Die neuen DRK-Statuten vom 24. Dezember 1937 beschränkten die Aufgaben der Organisation auf den amtlichen Sanitätsdienst der Wehrmacht und den behördlichen Luftschutz. Lediglich unterstützende Mitwirkung wurde dem DRK bei öffentlichen Notständen, in der Gesundheitspflege und bei der Kriegsgefangenenfürsorge zugedacht. Das DRK-Signet wurde nationalsozialistischen Vorstellungen angepasst: Das Rote Kreuz umklammern die Fänge eines Adlers, der auf der Brust ein Hakenkreuz trägt. Die hierarchische Gliederung des DRK in Landesstellen erfolgte konform zu den 15 Wehrkreisen der Wehrmacht. Frankfurt am Main zählte zur Landesstelle IX, die Hessen, Hessen-Nassau, Hannover und Westfalen verwaltete. Mit den politischen Verwaltungsgrenzen deckten sich die den Landesstellen untergeordneten Kreisstellen.

Die vermeintliche Normalität des Rotkreuz-Alltages kollidierte mit dem Vorgehen der Nationalsozialisten. Albert Ettlinger, der Vorsitzende der Frankfurter „Rettungsgesellschaft vom Roten Kreuz“ seit 1925, stammte aus einer orthodox-jüdischen Familie. Im Vorstand der Israelitischen Gemeinde leitete der Chirurg die jüdische Wohlfahrtspflege. Ende 1938 musste Ettlinger mit seiner Familie nach Holland emigrieren, von wo er nach Auschwitz verschleppt wurde und dort ums Leben kam. Vertraulich ersuchte Oberbürgermeister Krebs am 3. Februar 1937 den Leiter des Stadtgesundheitsamtes, Stadtrat Werner Fischer-Defoy, um Auskunft, wie die Ablösung des seit 1932 amtierenden DRK-Kreisführers Willi Gründer zu betreiben wäre. Krebs erwog, einen Angehörigen der Stadtverwaltung an die DRK-Spitze zu entsenden, um so das Rote Kreuz enger an die Kommune zu binden. Ein Jahr später wurde DRK-Kreisführer Gründer durch den unbesoldeten Stadtrat Heinrich Bickendorf ersetzt.

Heinrich Bickendorf, geboren am 24. Juni 1907, führte als Student der Rechtswissenschaften 1926 eine nationalsozialistische Studentengruppe an der Frankfurter Universität, trat am 12. Februar 1927 der NSDAP bei. Nach dem Referendarexamen begann Bickendorf eine politische Laufbahn. Erst Gaugeschäftsführer, dann Leiter des Gauorganisationsamtes, stieg Bickendorf auf bis zum Gauinspekteur, im Mai 1933 wurde er zum unbesoldeten Stadtrat ernannt. DRK-Landesführer Ortlepp ernannte Bickendorf mit Schreiben vom 4. April 1938 zum Kreisführer des DRK-Frankfurt.

Das DRK mobilisierte in erster Linie Schwestern und Helferinnen, um den amtlichen Sanitätsdienst zu ergänzen. Seit Kriegsbeginn unterrichteten DRK-Ärzte in den Räumen der Kreisgeschäftsstelle mit Hochdruck freiwillige Helferinnen und Helfer in Erster Hilfe. Während Helferinnen vornehmlich im Bahnhofsdienst oder in Nähstuben zum Anfertigen von Verbandstoffen und Lazarettbedarf Verwendung fanden, blieb die Krankenpflege in Lazaretten zunächst den DRK-Schwestern vorbehalten. Das DRK entfaltete seine humanitäre Wirkung auf den klassischen Gebieten der Krankenpflege, der Kriegsgefangenenbetreuung und der Bahnhofsdienste. Tag und Nacht verpflegten Rotkreuz-Bereitschaften auf den Haupt-, Ost- und Südbahnhöfen die Soldatentransporte mit warmen Mahlzeiten. Helfer des DRK entluden Lazarettzüge an der Rampe des Südbahnhofs und transportierten die verwundeten oder erkrankten Soldaten in die Frankfurter Lazarette.

Nach Luftangriffen beteiligte sich die DRK-Kreisstelle am Rettungsdienst, an der Evakuierung von Krankenhausinsassen und stellte das Pflegepersonal für kurzfristig in Betrieb genommene Hilfskrankenhäuser. In der Nacht vom 12. auf den 13. September 1944 griffen feindliche Bomberverbände das westliche Industriegebiet, den Hauptbahnhof und Bockenheim an. Am Tag danach schrieb Stadtrat Fischer-Defoy im Lagebericht des Fürsorgeamtes: „Die Hauptbefehlsstelle des Roten Kreuzes, eine wesentliche Stütze unserer Unterbringungsarbeit für Obdachlose, Kranke, Sieche usw. ist durch Vollschaden ausgefallen.“ In dem letzten erhaltenen Schriftstück der DRK-Kreisstelle berichtet der Kreisführer Gauamtsleiter Mörchen am 8. Februar 1945 über den die Krankenbeförderung gefährdenden Treibstoffmangel. Wegen des Spritmangels waren ersatzweise fahrbare Tragbahren und im Stadtteil Sachenhausen sowie in den Vororten Höchst und Fechenheim Pferdefuhrwerke im Einsatz. Der auf Generatorenbetrieb umgerüstete „DRK-Großeinsatzwagen“ besorgte Sammeltransporte in Frankfurter und auswärtige Krankenhäuser.

 

 

Literatur::

Thomas Bauer: „... die Hauptthätigkeit doch eine soziale ist.“ 125 Jahre Rotes Kreuz in Frankfurt am Main 1866-1991, hrsg. vom DRK-Bezirksverband, Frankfurt a. M. 1991

Schon bald nach der Machtübernahme arrangierte sich das Rote Kreuz in Frankfurt mit den neuen Machtverhältnissen. Die endgültige Beseitigung der organisatorischen Eigenständigkeit 1937 durch ein Reichsgesetz war nur noch eine Formsache.



Autor/in: Thomas Bauer
erstellt am 01.01.2005
 

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