Das Museum für Kunsthandwerk im Dritten Reich

Blick ins Museum für Kunsthandwerk, Raum V

Saal der Regence-Zeit in der Bockenheimer Landstraße 10, dem Wohnhaus Max von Goldschmidt-Rothschilds. Seit 1938 Dependance des Museums für Kunsthandwerk.

Walter Mannowsky (1881-1958)

Das 1937 in „Museum für Kunsthandwerk“ umbenannte Kunstgewerbemuseum passte sich bei der Themenwahl für Sonderausstellungen der NS-Kulturpolitik an. Ideologisch eingefärbte Ausstellungsprojekte widmeten sich der „Schönen deutschen Schrift“ oder dem „Einfachen Handwerksgut“. Nach dem Novemberpogrom 1938 profitierte das Museum für Kunsthandwerk vom erzwungenen Verkauf der Kunstsammlung Max von Goldschmidt-Rothschilds an die Stadt Frankfurt. Bei den schweren Luftangriffen im März 1944 wurde das Museumsgebäude in der Neuen Mainzer Straße 47/49 zerstört.

 

Das Kunstgewerbemuseum war 1877 aus der ursprünglichen Idee einer Art Lehrmittelsammlung auf Initiative des Mitteldeutschen Kunstgewerbe-Vereins entstanden. Nach der 1921 erfolgten Übernahme des bis dahin vom Verein betriebenen und unterhaltenen Museums durch die Stadt Frankfurt blieb eine enge Verbindung zwischen Museum und Mitteldeutschem Kunstgewerbe-Verein bestehen. Der Verein, der das Museum durch die Überlassung von Kunstwerken weiter förderte, erlitt nach 1933 durch den Austritt der jüdischen Mitglieder einen empfindlichen Bedeutungsverlust.

Im Kunstgewerbemuseum kam es im Dritten Reich zu nachhaltigen Veränderungen. Die auf den ersten Blick erkennbare und zugleich auf eine programmatische Kursänderung hindeutende Neuerung betraf die 1937 vollzogene Umbenennung des Kunstgewerbemuseums in „Museum für Kunsthandwerk“. Ein Zusammenhang mit dem 1935 der Stadt Frankfurt zuerkannten Beinamen „Stadt des deutschen Handwerks“ ist, trotz des zeitlichen Abstands zwischen den beiden Ereignissen und obwohl in den Akten kleine klaren Hinweise zu finden sind, naheliegend. Dass die „Stadt des deutschen Handwerks“ bei dem betreffenden Museum eine Entsprechung im Namen wünschte, scheint auf der Hand zu liegen. Der Begriff „Kunsthandwerk“ mutet volkstümlicher an als der Begriff „Kunstgewerbe“. In diesem Sinne argumentierte 1936 zumindest Museumsdirektor Adolf Feulner in Richard Oehlers „Führer durch die kulturellen Einrichtungen der Stadt Frankfurt am Main“. Die Bestände des Museums, die vom einfachen Hausrat bis zur anspruchsvollen Goldschmiedearbeit alles in sich vereinten, stünden der Allgemeinheit näher „als die reinen Kunstsammlungen“ und seien deshalb leichter zugänglich und verständlich. „Alle Schranken“, so Feulner, „von Stand, Beruf, Klasse und Bildung, auch von Wissen und Erziehung sind ausgeschaltet.“ Der Museumsdirektor schlug einen Bogen vom Handwerk zum Kunsthandwerk: „Vom einfachen Kunsthandwerk der alten Zeit zum vorbildlichen Kunsthandwerk unserer Zeit geht eine gerade Linie. […] Es hat in älteren Zeiten nie einen Unterschied gegeben zwischen Handwerk und Kunsthandwerk. Das meisterhafte Handwerk war von selbst ein Kunstwerk, und es wurde in der Schätzung den Werken der Bildhauerei und Malerei gleichgestellt. Dieser Unterschied zwischen Kunst und Kunstgewerbe wird auch beim vorbildlichen Kunsthandwerk unserer Zeit wieder verschwinden müssen.“1

Datiert diese deutlichste, weil äußerliche Veränderung erst ins Jahr 1937, sind programmatische Änderungen seit 1933 festzustellen. Auffälligerweise betrafen sie weniger die Dauerausstellung, die abgesehen von Umstellungen in ihrer Substanz weitgehend unberührt blieb, sondern sie zeigten sich in einer Vielzahl von Sonder- und Wechselausstellungen. Diese waren deutlich ideologischer und können als bewusstes Mittel interpretiert werden, das Museum im Sinne des Nationalsozialismus zu instrumentalisieren. Statt „abgehobenen“ kunstgewerblichen Gegenständen präsentierte man betont einfache, volksverbundene Ausstellungen, die das deutsche Handwerk in allen seinen Bereichen befördern und dem Besucher wieder ins Bewusstsein rufen sollten. Beispielhaft hierfür war die am 5. Mai 1934 vom Reichshandwerksmeister, dem Wiesbadener Spenglermeister Wilhelm Georg Schmidt, eröffnete Ausstellung „Farbe und Raum“. Auf der Eröffnungsveranstaltung erklärte Direktor Feulner: „Gerade das Kunstgewerbemuseum sei als Bewahrer alter handwerklicher Kunst berufen, Ausstellungen, die den Geist neuer Zeit atmen, zu zeigen.“2 Diese Äußerung wies den in den Folgejahren durchgeführten Sonderausstellungen die Richtung.

Im Herbst 1933 hatte die Abteilung Schrifttum des „Kampfbundes für deutsche Kultur“ in den Räumen des Museums eine Ausstellung über die „schöne deutsche Schrift“ veranstaltet. Neben einem historischen Überblick über die Entwicklung der Frakturschrift kam insbesondere die „neue deutsche Schriftkunst seit 1900 zur Darstellung“, welche die „praktische Verwendbarkeit der deutschen Schrift für Handel, Industrie und Reklame betonen“ wollte: „Sinn und Zweck der Ausstellung ist, zu zeigen, daß die Schrift, neben einem starken Formenreichtum, das sinngemäße Kleid der deutschen Sprache ist.“3 Jeweils zu den jährlich in Frankfurt stattfindenden Reichshandwerkertagen veranstaltete das Museum nun eine passende Ausstellung, die „einen Ueberblick über das zeitgenössische Schaffen eines Zweiges des deutschen Kunsthandwerks vermitteln“ sollte, wie Vita von Lieres, die Kustodin des Museums, 1937 in der „Frankfurter Wochenschau“ schrieb.4

Selbst eigentlich unverfänglich erscheinende Themen konnten für propagandistische Absichten genutzt werden. Unverhüllt ideologisch zeigte sich das Geleitwort des Ministerialrats Friedrich Ringshausen zur Ausstellung „Stickerei und Spitzen“, die vom 7. März bis 1. April 1935 im Kunstgewerbemuseum stattfand: „Das deutsche Volk irrte in der Fremde umher, politisch, kulturell; es wurde fremd in seiner Heimat, fremd im eigenen Haus. […] Nun ist Deutschland wieder heimgekehrt. Der Führer hat ihm den Weg gezeigt und erkämpft, und von nun an ist es unserer Aufgabe, dem wiedererstandenen deutschen Volke die köstlichen Schätze seiner Heimat und Vergangenheit zu zeigen. […] Die Verbindung vom einfachen Menschen in unserem Volke zur Kunst muß aber hergestellt werden. Ein Volk das in sich organisch verbunden ist, kann niemals vom Wahnwitz des Bolschewismus erfaßt werden.“5 Zur Ausstellung selbst bemerkte Ringshausen: „Die Ausstellung, die hier vereinigt ist, ist ein Teil wahrhaft deutschen Schaffens. Die Schau soll aber nicht Museum sein, sondern Anregung zur Nacheiferung in der Handarbeit. […] Was hier die Großmütter konnten, muß das Enkelkind wieder lernen, wenn es nicht versagen will. Die häusliche Einrichtung soll wieder Werke der fraulichen Handarbeit bergen.“6

Weitere Ausstellungsthemen in den Jahren bis 1939 waren „Neuzeitliche Deutsche Edelschmiedekunst“, „Einfaches Handwerksgut der Deutschen Vergangenheit“, „Finnische Volkskunst“, „Japanisches Gebrauchsgerät“, „Pommersche Fischerteppiche“ oder „Handwerkliche Töpfereien aus Hessen-Nassau, der Bayrischen Ostmark und Baden“. Dieses Konzept häufig wechselnder und stark ideologisch geprägter Sonderausstellungen blieb auch durch den Wechsel in der Museumsleitung unberührt. 1938 hatte der aus Danzig kommende Walter Mannowsky die Nachfolge des nach Köln scheidenden Adolf Feulner angetreten. Der neue Direktor konnte sogleich bedeutende Sammlungszuwächse für das Museum verzeichnen. Die Museen profitierten von den durch die Geschehnisse der Pogromnacht maßgeblich beeinflussten Eigentumsübertragungen großer jüdischer Kunstsammlungen, wie der Sammlungen Max von Goldschmidt-Rothschilds oder Arthur von Weinbergs. Gegenüber Auslandseinkäufen zeigte sich Mannowsky sehr aufgeschlossen, besonders im besetzten Paris mit dem künstlich niedrig gehaltenen Wechselkurs wurde der Museumsdirektor fündig. Im Dezember 1940 reiste Mannowsky erstmals zusammen mit seinem Kollegen Ernstotto Solms-Laubach vom Stadtgeschichtlichen Museum nach Paris und konnte Positives berichten: „Es ergab sich, dass die Verhältnisse dort zur Zeit gerade umgekehrt liegen wie in Deutschland. […] In Paris besteht bei den kleinen und mittleren Händlern […] Überfluss an Waare [sic!], der durch Verkäufe aus Privatbesitz noch dauernd wächst. […] Erwerbungen lassen sich heute zu sehr günstigen Bedingungen machen.“7

Auf mehreren Reisen in den Folgejahren konnten Mannowsky und seine Kollegen wertvolle Werke erwerben und so die Sammlungen ergänzen. Selbst im vorletzten Kriegsjahr weilte Mannowsky noch einmal in Paris. Obwohl sein Aufenthalt eigentlich der Bereitstellung von Möbeln und Haushaltsgeräten für die ausgebombte Frankfurter Bevölkerung diente, notierte er über den Kunsthandel: „Das Angebot hochwertigen Kunstguts ist eher grösser geworden. […] Immerhin sind die Preise keinesfalls höher als auf dem deutschen Kunstmarkt. Die Qualität des Angebotenen übersteigt aber bei weitem das, was auf dem Deutschen Kunstmarkt z. Zt. zum Verkauf steht. Recht störend wird leider die Umständlichkeit und Langwierigkeit der Devisenbewilligungen empfunden.“8

Einigermaßen grotesk mutet dieser Bericht angesichts der Tatsache an, dass etwa zur gleichen Zeit, im März 1944, das Museum für Kunsthandwerk bei alliierten Luftangriffen auf Frankfurt am Main zerstört wurde. Die Bestände waren in den Jahren 1942 und 1943 rechtzeitig ausgelagert worden. Walter Mannowsky wurde 1945 aufgrund seiner Parteimitgliedschaft entlassen und von der Spruchkammer in die Gruppe 2 der Belasteten eingereiht. In einem Berufungsverfahren gelang es Mannowsky, das Gericht von einer Minderbelastung zu überzeugen. Nunmehr als Mitläufer in die Gruppe 4 eingereiht, konnte er am 1. August 1946 wieder auf seine alte Position zurückkehren. Zwei Jahre später trat Mannowsky mit Erreichen des 65. Lebensjahres in den Ruhestand.

 

Anmerkungen

 

1 Adolf Feulner, S. 16

2 Zitiert nach: Frankfurt Volksblatt vom 5. Mai 1934

3 Frankfurter Zeitung (Stadtblatt) vom 5. November 1933

4 Frankfurter Wochenschau, Heft 22, 30. Mai bis 5. Juni 1937, S. 267

5 Frankfurter Wochenschau, Heft 10, 1935, S. 1

6 Ebd.

7 Reisebericht Mannowsky vom 27. Dezember 1940, ISG, Museum für Kunsthandwerk 76

8 Bericht Mannowsky vom 13. März 1944, ISG, Magistratsakten 2367

 

Literatur

 

Thomas Bauer, „Mit lebhaftem Bedauern und aufrichtigem Dank“. Der Mitteldeutsche Kunstgewerbe-Verein in der Zeit des Nationalsozialismus, hrsg. vom Kunstgewerbeverein in Frankfurt am Main e. V., Frankfurt am Main 2016

Sebastian Farnung, Kulturpolitik im Dritten Reich am Beispiel Frankfurter Museen, hrsg. von Evelyn Brockhoff, Frankfurt a. M. 2016 (Studien zur Frankfurter Geschichte, Bd. 63)

Adolf Feulner, Das Museum für Kunsthandwerk, aus: Richard Oehler (Hg.), Führer durch die kulturellen Einrichtungen der Stadt Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1936

Das 1937 in „Museum für Kunsthandwerk“ umbenannte Kunstgewerbemuseum passte sich bei der Themenwahl für Sonderausstellungen der NS-Kulturpolitik an. Ideologisch eingefärbte Ausstellungsprojekte widmeten sich der „Schönen deutschen Schrift“ oder dem „Einfachen Handwerksgut“. Nach dem Novemberpogrom 1938 profitierte das Museum für Kunsthandwerk vom erzwungenen Verkauf der Kunstsammlung Max von Goldschmidt-Rothschilds an die Stadt Frankfurt. Bei den schweren Luftangriffen im März 1944 wurde das Museumsgebäude in der Neuen Mainzer Straße 47/49 zerstört.



Autor/in: Sebastian Farnung
 

Verwandte Personen

Freiherr von Goldschmidt-Rothschild, Maximilian


Graf zu Solms-Laubach, Ernstotto


Mannowsky, Walter


von Weinberg, Arthur

Verwandte Begriffe

Kampfbund für deutsche Kultur


Spruchkammerverfahren


Stadt des deutschen Handwerks

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