Victory Park – das beschlagnahmte Stadion 1945-1950

Zum ersten Mal nach Kriegsende gab am 13. Juli 1946 die amerikanische Militärregierung das Waldstadion für ein Sportfest der „Eintracht“ frei.

Amerikanische GIs unter den Zuschauern beim Sportfest am 13. Juli 1946

Nach Kriegsende sollte Frankfurt am Main Sitz des europäischen Hauptquartiers der US-Army werden. Dazu bedurfte es nicht nur der Beschlagnahme von Bürogebäuden wie die des IG Farben-Hauses oder der von Wohnungen wie beispielsweise in der Römerstadt. Benötigt wurde auch eine geeignete Sport- und Freizeitstätte für das zivile und militärische Personal. Kaum ein anderer Ort in Frankfurt war dafür besser geeignet als das Waldstadion.

 

Die amerikanischen Streitkräfte richteten sich nach Kriegsende in Frankfurt, das sie zum Sitz ihres europäischen Hauptquartiers bestimmt hatten, häuslich ein. Dazu gehörte auch die Beschlagnahmung des „Sportfelds“ am 1. Mai 1945. Das „Sportfeld“ wurde amerikanisiert und in Victory Park umbenannt. Die Hauptkampfbahn hieß fortan Victory Stadium, das Schwimmbad Victory Pool. Die Wintersporthalle diente im Sommer 1945 der Truppenbetreuung. GIs schwangen hier mit ihren „Frolleins“ das Tanzbein. Inmitten von Hunger, Wohnungsnot und Flüchtlingselend erlebte der Sport eine glanzvolle Zeit. Der Frankfurter Journalist Richard Kirn schrieb in einer Glosse zu diesem scheinbaren Widerspruch im März 1947: „Noch leben wir in Wüsten. Zu den Oasen gehört der Sport.“ Für die Dauer von zwei Halbzeiten, zehn Boxrunden oder einem Steherrennen waren die Sorgen um das tägliche Brot vergessen. Der gesellschaftliche Stellenwert des Sports kann daher für die Notjahre zwischen 1945 und 1948 gar nicht hoch genug eingeschätzt werden.

 

Die Special Service Section der Militärregierung gab das Victory Stadium am 13. Juli 1946 zum ersten Mal für ein von der Frankfurter Sportgemeinde Eintracht unter dem Motto „Tag der Eintracht“ veranstaltetes Sportfest frei. Dass der Verein von einem Captain der US-Armee geleitet wurde, hatte den Militärs die Entscheidung über den Antrag auf Nutzung des Stadions gewiss erleichtert. Captain Günther Reis, ein Neffe des ehemaligen Eintracht-Schatzmeisters Hugo Reiß, der 1933 als Jude sein Ehrenamt aufgeben musste und in die Vereinigten Staaten emigriert war, stand der Eintracht seit dem 15. Juni 1946 vor. Die Sportschau der Judokas, Ringer, Radrennfahrer, Turner, Leichtathleten und Fußballer geriet vor fast 40.000 Zuschauern zum ersten interzonalen sportlichen Großereignis im Nachkriegs-Deutschland. In seinem unnachahmlichen Schreibstil kommentierte Kirn das Ereignis: „Sport ist etwas Magisches. Da kommt ein Mann im Juli aus Braunschweig gefahren, um elf Sekunden über eine Bahn zu rennen. Heutzutage aus Braunschweig – Und aus München. Und aus Augsburg. Und aus Bonn. Und. Und. Und. Das ist der Sport, das ist seine Magie.“

 

Frankfurt empfahl sich in der Nachkriegszeit aufgrund des intakten Stadions und der günstigen Verkehrslage als Austragungsort für deutsche Meisterschaften und andere große Wettkämpfe. Zudem verhielten sich die amerikanischen Militärbehörden in sportlichen Angelegenheiten äußerst kooperativ und gaben die Einrichtungen des Victory Parks in der Regel anstandslos frei. Leichtathleten und Schwimmer veranstalteten im Victory Park 1946 und 1947 jeweils ihre ersten deutschen Meisterschaften nach dem Krieg, 1948 fand im Stadtwald das Deutsche Turnfest statt. Auch der Frankfurter Bahnradsport erlebte in den Nachkriegsjahren seine große Zeit. Den Höhepunkt in der Geschichte der Radrennbahn im Stadion bildeten am 15. August 1948 die Deutschen Stehermeisterschaften der Profis über 100 Kilometer. 23.000 Zuschauer fieberten in der wegen Überfüllung geschlossenen Radrennbahn der Entscheidung entgegen und sahen eine Triumphfahrt des Bochumers Walter Lohmann.

 

Im Frankfurter Oberbürgermeister Walter Kolb hatte der Sport seit 1946 einen verlässlichen Anwalt. Hartnäckig bemühte sich Kolb bei der amerikanischen Militärregierung um die Freigabe des Stadions. Doch die Militärs ließen sich zunächst weder durch die Behauptung, das Schwimmbad diene der „Seuchenbekämpfung“ noch durch das Argument, das Stadion leiste einen unverzichtbaren Beitrag zur Erziehung der Jugend, zum Abzug aus dem Stadtwald bewegen. Erst als die Special Service Section am 1. Oktober 1948 den Victory Park der Rhein-Main Air Base zur Nutzung überließ, wurde zumindest die Beschlagnahmung der Radrennbahn, der Tennisanlage, der Stadion-Gaststätte und des Waldtheaters aufgehoben. Im Laufe dieses Rückzugs auf Raten kam die Stadion GmbH als nächstes in den Besitz der Wintersporthalle. Gründlich renoviert konnte die Sporthalle am 23. Oktober 1949 wieder eröffnet werden. Am längsten zögerten die amerikanischen Stellen mit der Rückgabe der Hauptkampfbahn und des Schwimmbads. Nachdem der kommandierende General der Rhein-Main Air Base, Edward H. Alexander, im Februar 1950 Oberbürgermeister Kolb die Bereitschaft zum Verzicht signalisiert hatte, willigte am 15. Juni 1950 auch die „Special Service Section des Frankfurt Military Post“ ein, der Stadt Frankfurt den Victory Park endgültig zurückzugeben. Walter Kolb, selbst ein passionierter Schwimmer, konnte am 1. Juli 1950 im Stadion die Badesaison eröffnen. Der „Freigabeschein“ für die Hauptkampfbahn wurde der Stadion GmbH im Sommer 1950 ausgehändigt – aus dem Victory Park wurde jetzt das Frankfurter Waldstadion.

Nach Kriegsende sollte Frankfurt am Main Sitz des europäischen Hauptquartiers der US-Army werden. Dazu bedurfte es nicht nur der Beschlagnahme von Bürogebäuden wie die des IG Farben-Hauses oder der von Wohnungen wie beispielsweise in der Römerstadt. Benötigt wurde auch eine geeignete Sport- und Freizeitstätte für das zivile und militärische Personal. Kaum ein anderer Ort in Frankfurt war dafür besser geeignet als das Waldstadion.



Autor/in: Thomas Bauer
erstellt am 01.01.2005
 

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