Die Stadt Frankfurt musste nach Kriegsende die Folgen des Bombenkrieges bewältigen. Um die riesige Trümmermenge zunächst aus der Stadt zu schaffen und dann wieder aufzuarbeiten, wurde von der Stadt und Industriefirmen eigens die Trümmerverwertungsgesellschaft gegründet. Sie konnte mit innovativen technischen Verfahren den Aufräum- und Wiederaufbauprozess erheblich beschleunigen. Nach Erledigung ihrer Aufgaben wurde sie 1963 aufgelöst.
Nach der totalen Niederlage 1945 zeigte sich in Frankfurt am Main der ganze Schrecken des Krieges auch an den sich in der Stadt hoch auftürmenden Trümmerbergen. Von den ersten Flieger- und Bomberangriffen 1940 und den massiven Angriffen auf die Mainmetropole ab 1942/43 häufte sich bis zum Kriegsende in der Stadt die unglaubliche Trümmerlast von 13 Millionen Kubikmetern auf. Über 30.000 Gebäude der Stadt waren mehr oder weniger stark beschädigt, lediglich rund 8.600 blieben unversehrt. Die Trümmermenge, die es zu beseitigen galt, kann man sich gut an folgendem Beispiel veranschaulichen: „Als Maß der gesamten Trümmermenge mag dienen, daß sie gleich ist einem um den Domturm bis zu seiner Spitze (100m) geschütteten Kegel, der mit seinem Fuß bis zum Paulsplatz, fast zum Liebfrauenberg, dem Börneplatz und noch über die Maininsel hinüber auf das andere Mainufer reicht.“ (Blaum/Jordan S. 6).
Für die Beseitigung der Trümmerberge und Schutthalden und deren Wiederverwertung für den Bau von Wohnraum wurde in Frankfurt am Main eine spezielle Einrichtung ins Leben gerufen: die Trümmerverwertungsgesellschaft (TVG), eine gemeinnützige Unternehmensgründung (gGmbH) der Stadt Frankfurt und der Privatunternehmen Philipp Holzmann AG, Wayss & Freytag AG, der Metallgesellschaft und ihrer Tochterfirma Lurgi – Gesellschaft für Chemie und Hüttenwesen m.b.H. Die Stadt hielt 51 Prozent der am 16. Oktober 1945 gegründeten TVG, deren Aufgaben Oberbürgermeister Kurt Blaum im Jahr 1946 so zusammenfasste:
„1. Planung und Forschung für die Verwertung der Trümmer im Bezirk der Stadt Frankfurt a. M.
2. Einheitliche Lenkung und Gewinnung der Trümmer mit Zubehör, des Transports derselben außerhalb der Aufbereitungsanlagen und ihrer Verwertung in solchen Anlagen, sowie die endgültige Ablagerung des nicht verwendungsfähigen Schuttes.
3. Den Bau und den Betrieb einer ersten Aufbereitungsanlage und einer Betonwarenfabrik.
4. Den Verkauf der Produkte von Aufbereitungsanlagen und Betonwarenfabriken sowie des in den Gewinnungsstätten und in den Anlagen anfallenden Altmaterials.“ (Ebd., S.14)
Um Planung und Forschung, den Transport der Trümmer, seine Durchforstung nach brauchbaren Rückständen und schließlich seine Verwertung durchführen zu können, bedurfte es nach der Gründung der TVG weiterer Schritte. Oberbürgermeister Blaum schuf mit der „Trümmer-Beschlagnahmeanordnung“ vom 20. Dezember 1945 die rechtlichen Voraussetzungen. Die Trümmerberge gingen juristisch in den Besitz der Stadt über, eine vor allem bei ehemaligen Grundstücks- und Haus- sowie Geschäftseigentümern umstrittene Maßnahme. Ab 1946 begann zuerst noch unter Oberbürgermeister Blaum, dann unter Walter Kolb die Freiräumung der Straßen und Plätze, um Raum für den Verkehr zu schaffen. Unter Einsatz vieler tausender Frankfurter Bürger ging man zunächst mit Hacke und Schaufel an die Beseitigung der Trümmer. Effektiver war dann später der Einsatz von Großgerät. Die Errichtung eines Trümmerberges, des im Volksmund so genannten „Monte Scherbelino“ am Fuße des Bornheimer Hangs, war sichtbares Zeichen der Anstrengungen von TVG und Bevölkerung.
Der Transport zwischen den Gebieten der Trümmerbeseitigung und der Schutthalde wurde von Lastwagen und Lorenzügen unterstützt, auch genannt „Trümmerexpress“ oder „Adolf Hitler Gedächtnisbahn“. Zwischen 1946 und 1948 verkehrten die von einer Lokomotive gezogenen Kipploren zwischen dem Scheffeleck und dem Gelände des ehemaligen Stadions am Riederwald in der Nähe des Ostparks.
Die Trümmerverwertung, die einen weiteren wesentlichen Zweck der neu gegründeten Gesellschaft darstellte, lief bald nach Aufnahme der Trümmerräumung an. Ab 1949 wurde auf dem Gelände des ehemaligen Eintracht-Stadions am Riederwald Deutschlands größte Aufbereitungs- und Verwertungsanlage für Trümmerschutt, inklusive einer Betonanlage für die Herstellung eines neuartigen Baumaterials (Sinterbims), errichtet. Diese von der Firma Lurgi geplante und fertiggestellte Anlage stellte aus den Gebäudetrümmern nach der Sichtung und Aussortierung von Metall, Glas und anderen wertvollen Rohstoffen Dachziegel, Betonsteine und Mauersteine her, die für den Neubau von Wohnungen verwendet wurden.
Die Leistung dieser Anlage war bemerkenswert: Bis 1950 lieferte sie bereits 30 Millionen Voll- und Hohlblocksteine. 1.500 Kubikmeter Trümmerschutt wurden täglich für seine Weiterverarbeitung durchforstet und gesiebt. Daraus entstanden täglich 850 bis 900 Kubikmeter verdichteter Beton bzw. eine durchschnittliche Jahresleistung von mehr als 200.000 Kubikmetern Ziegelsplittbeton, der von der Bauwirtschaft dank seiner Eigenschaften bevorzugt verarbeitet wurde. Durch diese Aktivitäten konnten bis zu 100.000 Wohnungen errichtet, nahezu 20.000 Tonnen Schrott geborgen und 120 Millionen Ziegelsteine produziert werden. Die gesamte Menge des abtransportierten Trümmerschutts betrug bis zum Ende der TVG an die 10 Millionen Kubikmeter (vgl. Wedler/Hummel).
Der rasch sich vollziehende Wiederaufbau und die Wiederherstellung sowie der Neubau von Wohnungen wurde durch die Arbeit der TVG maßgeblich gefördert. Sie war nicht nur wegen der geglückten Zusammenführung von Trümmerbeseitigung, Transport, Aussortierung, Aufbereitung, sondern auch aufgrund ihres privat- und gemeinwirtschaftlichen Mischcharakters ein Vorbild für andere Städte. Mit der fortschreitenden Enttrümmerung entledigte sie sich ihrer eigentlichen Aufgabe immer mehr. Endgültig aufgelöst wurde die TVG am 29. April 1963 durch einen Beschluss der beteiligten Körperschaften, ihre Arbeit stellte sie 1964 ein, und der Schornstein der Wiederaufbereitungsanlage wurde ein Jahr später gesprengt.
Literatur und Quellen::
Frolinde Balser, Geschichte der Stadt Frankfurt am Main 1945-1989. Sigmaringen 1995.
Werner Bendix, Phoenix aus der Asche. Frankfurts Aufstieg zur „Wirtschaftshauptstadt 1945-1956“, in: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst, Bd. 67, 2001, S. 61-100.
Bernhard Wedler/Alfred Hummel, Trümmerverwertung. Technische Möglichkeiten und wirtschaftliche Bedeutung, Berlin 1947.
Kurt Blaum/Paul Jordan, Wiederaufbau zerstörter Städte. Trümmerbeseitigung Trümmerverwertung in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 1946.
Magistrat der Stadt Frankfurt (Hg.), Frankfurt im Wiederaufbau 1945-1948, Frankfurt am Main 1948.
Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main, W 1-23 167 und 368; Magistratsakten 6.555.
Die Stadt Frankfurt musste nach Kriegsende die Folgen des Bombenkrieges bewältigen. Um die riesige Trümmermenge zunächst aus der Stadt zu schaffen und dann wieder aufzuarbeiten, wurde von der Stadt und Industriefirmen eigens die Trümmerverwertungsgesellschaft gegründet. Sie konnte mit innovativen technischen Verfahren den Aufräum- und Wiederaufbauprozess erheblich beschleunigen. Nach Erledigung ihrer Aufgaben wurde sie 1963 aufgelöst.