Wie kam es zum Auschwitz-Prozess?

Vorgeschichte des Zustandekommens des Auschwitz-Prozesses und die Zuständigkeit der Frankfurter Staatsanwaltschaft für die Ahndung der in Auschwitz begangenen Verbrechen.

 

Im Frühjahr 1958 saß in der Strafanstalt Bruchsal ein ehemaliger Auschwitz-Häftling ein, der straffällig geworden war. Er erstattete Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft in Stuttgart gegen einen seiner ehemaligen Peiniger in Auschwitz, Wilhelm Boger, der in der Region Stuttgart unbehelligt lebte. Gleichzeitig unterrichtete er das Internationale Auschwitz-Komitee in Wien, eine Organisation ehemaliger Auschwitz-Häftlinge. Hermann Langbein, ihr Generalsekretär, wandte sich daraufhin an die Staatsanwaltschaft, die jedoch mehrere Monate nicht auf diese Anzeige reagierte. Schließlich konnte er erreichen, dass Boger endlich verhaftet wurde. Hermann Langbein nannte weitere Namen von Mitgliedern der Lager-Gestapo in Auschwitz. Inzwischen war auch die „Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung nationalsozialistischer Gewaltverbrechen“ in Ludwigsburg eingerichtet worden, die Ermittlungen zu Verbrechen, die außerhalb der Bundesrepublik begangen worden waren, vorbereitete und koordinierte. Hermann Langbein erklärte sich bereit, weitere Hinweise zur Verfügung zu stellen. Der Journalist Thomas Gnielka sah Anfang 1959 bei einem Interview mit einem ehemaligen Verfolgten Listen mit den Namen von angeblich in Auschwitz „auf der Flucht erschossenen“ Menschen mit den Namen ihrer Mörder. Er erkannte sofort die Brisanz dieser Dokumente und bat den Mann, diese Dokumente an eine Ermittlungsstelle weitergeben zu dürfen und wandte sich an den hessischen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer in Frankfurt am Main.

 

Fritz Bauer beantragte beim Bundesgerichtshof, dass die Zuständigkeit für die Verfolgung aller in Auschwitz begangenen Verbrechen bei einem Gericht festgelegt würde. Bis dahin hatte sich keine deutsche Staatsanwaltschaft und kein deutsches Gericht für die Verfolgung der nationalsozialistischen Staatsverbrechen in Auschwitz, das nach 1945 zu Polen gehörte, zuständig erklärt. Der Bundesgerichtshof entschied im April 1959 im Sinne Fritz Bauers, der trotz einiger Vorbehalte in der Frankfurter Staatsanwaltschaft auch von der hessischen Landesregierung unterstützt wurde. Fritz Bauer legte die Ermittlungen zum „Komplex Auschwitz“ in die Hände von jüngeren, von der NS-Zeit unbelasteten Staatsanwälten, seiner „jungen Garde“, wie die Presse sie nannte.

 

Leicht gekürzter Text aus: Monica Kingreen, Der Auschwitz-Prozess 1963–1965. Geschichte, Bedeutung und Wirkung, (Pädagogische Materialien Nr. 8, Fritz Bauer Institut), Frankfurt am Main, 2004, S.10-11

 

Vorgeschichte des Zustandekommens des Auschwitz-Prozesses und die Zuständigkeit der Frankfurter Staatsanwaltschaft für die Ahndung der in Auschwitz begangenen Verbrechen.



Autor/in: Monica Kingreen
erstellt am 01.01.2006
 

Verwandte Personen

Bauer, Fritz

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Auschwitz-Prozess

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Auschwitz


Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung [...]

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