Die Frankfurter Messe in der NS-Zeit

Blick in die Süddeutsche Möbelmesse 1934, zeitgenössische Fotografie

Blick in die Ausstellung „Die Rhein-Mainische Wirtschaft“ 1935, zeitgenössische Fotografie

Blick in die „Rhein-Mainische Braune Messe“ 1934, zeitgenössische Fotografie

Musterhof auf der Reichsnährstandschau 1936

Die Organisatoren der Reichsnährstandschau 1936 waren sich der propagandistischen Wirkung bewusst: Die Festhalle im Fahnenschmuck.

Die zerstörte Festhalle 1945/46

Bereits durch die Wirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre erlebte die traditionsreiche Frankfurter Messe einen Einschnitt. Die restriktive nationalsozialistische Wirtschaftspolitik und der Bombenkrieg führten zum vorübergehenden völligen Niedergang.

 

Die Frankfurter Messe hatte seit dem 18. Jahrhundert ihre ehemals führende Stellung gegenüber Leipzig eingebüßt. In der Weimarer Zeit gab es Ansätze, sie wieder zu beleben und Frankfurt als Messestandort zu reaktivieren. Die Nationalsozialisten knüpften an diese Bestrebungen an. Dies geschah unter teilweise sehr veränderten Bedingungen und Kontexten. Vor allem zwei Merkmale stechen für die Messepolitik zur Zeit des Nationalsozialismus hervor. Zum einen wurde der Propagandaeffekt zugunsten der Handelsfunktionen gestärkt: Messen nahmen immer mehr den Charakter von Ausstellungen an, auf denen die wirtschaftspolitischen Ziele des Regimes dargestellt wurden. Zum anderen ging die Initiative in der Messepolitik von den städtisch-lokalen auf überregionale, teils staatliche, teils parteiamtliche Stellen über. Auf Frankfurter Ebene gab es gleichermaßen Bruch und Kontinuität: Oberbürgermeister Krebs ließ 1933 ein Dutzend Mitglieder des Aufsichtsrates der Messegesellschaft – meist Stadträte und Stadtverordnete der verschiedenen demokratischen Parteien – entfernen und durch Parteileute ersetzten. Andererseits blieben die führenden Vertreter der Messegesellschaft im Amt: die Geschäftsführer Julius Schnorr (hauptamtlich), August Wiederspahn (ehrenamtlich) und Wirtschaftsdezernent Robert Lingnau. Alte und neue Repräsentanten arbeiteten hier zusammen; die Amtszeit von Geschäftsführer Schnorr reichte sogar bis über 1945 hinaus. Er ging erst Ende der 1950er Jahre in Pension.

 

Doch das Messegeschehen wurde stark von Berliner Zentralstellen bestimmt. Hauptakteur war hier nicht etwa das Wirtschafts-, sondern das Propagandaministerium. In Berlin wurde im September 1933 mit dem „Werberat der deutschen Wirtschaft“ als Körperschaft des öffentlichen Rechts ein neues Gremium geschaffen. Der Werberat hatte die Aufgabe, zwecks „einheitlicher und wirksamer Gestaltung“ das Werbungs-, Anzeigen-, und Reklamewesen sowie in diesem Zusammenhang nun auch die gesamte Messe- und Ausstellungstätigkeit unter die Aufsicht des Reiches zu stellen. Der Werberat stand so nicht nur unter der Aufsicht des Propagandaministeriums, sondern berief auch im Einvernehmen mit anderen zuständigen Fachministerien seine Mitglieder. Dieses Gremium kontrollierte und ordnete nun die Messe- und Ausstellungslandschaft im Reich. Sämtliche Messen und Ausstellungen (ausgenommen Kunstausstellungen) mussten vom Werberat genehmigt werden. Die Aussteller hatten die volkwirtschaftliche, kulturelle oder politische Bedeutung ihres Vorhabens nachzuweisen. Dabei handhabte der Werberat seine Zustimmung sehr restriktiv: Zwischen 1934 und 1939 ging die Zahl der einschlägigen Veranstaltungen von 634 auf 117, also auf ein weniger als ein Fünftel, zurück. Im Lauf des Krieges ordnete Goebbels sogar die Einstellung aller Ausstellungstätigkeiten an.

 

Der Werberat unterschied streng zwischen den Begriffen „Messe“ und „Ausstellung“: Erstere dienten dem Warenabsatz, letztere der „Belehrung, Aufklärung und Propaganda“. Der Titel Messe wurde vergeben entweder für die jeweils landesweit stattfindenden Reichsfachmessen oder für die „Braunen Messen“, die von der NS-Hago (Nationalsozialistischen Handwerks-, Handels-, und Gewerbe-Organisation) veranstaltet wurden. Andererseits erhielt ein kleiner ausgesuchter Kreis von Städten, nämlich Leipzig, Königsberg, Köln und Frankfurt, die Erlaubnis, eigene Messen zu veranstalten. Dank seiner hergebrachten starken Stellung war Leipzig der klare Favorit des Regimes, seine Veranstaltungen sollten mit internationalem Engagement zu den „größten Mustermessen der Welt“ aufgebaut werden, während die anderen Städte ihr Geschäft mehr im lokalen Rahmen halten sollten.

 

Frankfurt hatte damit die Möglichkeit, seine 1929 eingestellten „Frankfurter Messen“ wieder zu beleben. Die erfolgreichste Produktgruppe dieser Veranstaltung waren dabei Möbel, wodurch Frankfurt in Konkurrenz zu Köln geriet, das ebenfalls auf diese Sparte setzte. Der Werberat wollte diese Veranstaltung daher im Zweijahresrhythmus zwischen beiden Städten wechseln lassen, was die Frankfurter Messen ohne Möbelausstellung weniger attraktiv werden ließ. Letztlich wanderte die Möbelmesse ganz nach Köln, so dass Frankfurt 1937 sein Privileg als Messestadt wieder verlor.

 

Neben der Frankfurter Messegesellschaft führte eine Reihe anderer Träger und Organisationen auf dem Messegelände Veranstaltungen durch. Die bereits erwähnte NS-Hago zeigte 1933 und 1934 jeweils eine „Braune Messe“, wo sich – mit entsprechendem Propagandaaufwand – vor allem das Handwerk und andere mittelständische Branchen präsentieren konnten. Kurz darauf verlieh Hitler Frankfurt den Titel der „Stadt des Deutschen Handwerks“. Als Sitz der IG-Farbenindustrie war sie tatsächlich eher eine „Stadt der Chemie“, was sich auch auf dem Messegelände zeigte, als 1937 die Deutsche Gesellschaft für chemisches Apparatewesen (DECHEMA) mit großem Erfolg die ACHEMA (Ausstellung für chemisches Apparatewesen) veranstaltete. Beabsichtigt war, diese Fachmesse im Dreijahresabstand dauerhaft in Frankfurt zu etablieren. Regelmäßig fand in Frankfurt die Internationale Kochkunstausstellung statt, dazu 1935 die große Rhein-Mainische Wirtschaftsausstellung und die Südwestdeutsche Büroausstellung. Im Jahr 1936 zeigte der „Reichsnährstand“ eine große Ausstellung, um die weltanschaulichen und politischen Ziele seiner Agrarpolitik auch unter städtischem Publikum zu propagieren.

 

Mit großem Aufwand wurde 1938 die Bau- und Siedlungsausstellung begangen, die komplette ländliche Mustersiedlungen in Originalgröße zeigte und so die „Lebensraum“-Problematik bewusst zu machen versuchte. Zur Propagierung der Autarkiepolitik wurde ein Haus aus „rein deutschen Werkstoffen“ präsentiert. Bei solchen Ausstellungen ging die sachliche Information über technische Innovationen immer in eins mit einem entschieden politisch-propagandistischen Effekt: die Ausstellungshallen und das Gelände waren reichhaltig mit NS-Emblemen, Bildern von Hitler und anderen NS-Größen bestückt.

 

Vielfach wurden die Festhalle und das Messegelände als Aufzugsgebiet für Kundgebungen oder Gauparteitagen genutzt. Auch große politische Vorgänge und Ereignisse fanden ihren Niederschlag in den Messehallen. Nach dem 9./10. November 1938, der so genannten „Reichskristallnacht“, wurde in der Festhalle eine große Zahl von jüdischen Frankfurtern zusammengetrieben und drangsaliert, bevor man sie in Konzentrationslager verbrachte. Und auch der Krieg hinterließ tiefe Spuren. Schon zwei Monate vor dem Überfall auf Polen wurde die Festhalle für die Einlagerung von Getreide beschlagnahmt. Nur kurze Zeit später beanspruchte die Wehrmacht sie als Bekleidungsdepot, das infolge Fahrlässigkeit am 18. Dezember 1940 abbrannte. Die Festhalle wurde dadurch so schwer beschädigt, dass sie nicht mehr benutzt werden konnte. Zwar gab es Initiativen für ihren baldigen Wiederaufbau, doch machten die Bombenangriffe, die die Halle weiter bis auf die Grundmauern beschädigten, alle Bemühungen zunichte. Als Messestadt war Frankfurt bereits vor dem Krieg untergegangen.

 

 

 

Literatur::

Rudolf Haake: Das städtische Messe- und Ausstellungswesen, Stuttgart/Berlin 1940

Andreas Hansert: Die Frankfurter Messe im Nationalsozialismus, in: Brücke zwischen den Völkern - Zur Geschichte der Frankfurter Messe, hg. v. Rainer Koch, Frankfurt 1991, Bd. 2, S. 402-410 und in Bd. 3 die Kapitel III.9 bis III.12, S. 445-457

„Die Synagogen brennen…!“ Die Zerstörung Frankfurts als jüdische Lebenswelt, Historisches Museum Frankfurt, Frankfurt a. M. 1988, S. 171ff.

Bereits durch die Wirtschaftskrise Ende der zwanziger Jahre erlebte die traditionsreiche Frankfurter Messe einen Einschnitt. Die restriktive nationalsozialistische Wirtschaftspolitik und der Bombenkrieg führten zum vorübergehenden völligen Niedergang.



Autor/in: Andreas Hansert
erstellt am 01.01.2008
 

Verwandte Personen

Goebbels, Joseph


Krebs, Friedrich


Lingnau, August

Verwandte Begriffe

ACHEMA


Braune Messe


Internationale Kochkunstausstellung


Reichsnährstand


Rhein-Mainische Wirtschaftsausstellung


Stadt des deutschen Handwerks


Werberat der deutschen Wirtschaft

Verwandte Orte

DECHEMA


I.G. Farbenindustrie AG Hauptverwaltung


NS-Hago

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