Die „Gleichschaltung“ des Zentralverbandes der Angestellten (ZdA) im Deutschen Handlungsgehilfen-Verband (DHV) am 2. Mai 1933 betrifft auch die Frankfurter Jugendgruppe, die noch im April öffentlich gegen den Nationalsozialismus aufgetreten war.
Der ZdA, die größte freie Angestelltengewerkschaft mit 1930 deutschlandweit etwa 200.000 Mitgliedern, organisierte Beschäftigte mit kleinen Einkommen in kommunalen Betrieben, Sozialversicherungen und Behörden. Über den AfA war der ZdA Mitglied des ADGB. In der Jugendgruppe der unter 18-jährigen und der 1930 gegründeten Jungangestelltengruppe der Frankfurter Ortsgruppe des ZdA mit gemeinsam etwa 300 Mitgliedern werden im Frühjahr 1933 Möglichkeiten und Perspektiven des Widerstands diskutiert.
Die Bezirkskonferenz der freien Angestellten-Jugend im März 1933 im Verbandshaus in der Bethmannstraße steht unter dem Motto: „Lernt siegen!“. Bildliche Darstellungen auf dem Plakat über dem Vorstandstisch veranschaulichen die Bereiche, in denen das Siegen zu erlernen ist: Beruf, Wissen, sportlicher Wettkampf und Politik. Das Motto interpretiert die Schlusssätze des zeitgenössisch viel gelesenen Romans „Fabian“ von Erich Kästner. Der Held des Romans springt ins Wasser, um einen Ertrinkenden zu retten. Der Roman schließt: „Fabian ertrank. Er konnte leider nicht schwimmen.“ Der Schluss, dass vergleichbar nur siegen kann, wer das Siegen gelernt hat, kritisiert den Anpassungskurs des ADGB gegenüber Hitler und Nationalsozialismus, der dem nationalsozialistischen Willen zum Sieg nichts entgegenzusetzen hat.
Im April 1933 veranstaltet die ZdA-Jugend wie jedes Jahr ihren „Werbeabend“ für Lehrlinge. Im trotz 900 Sitzplätzen überfüllten Großen Saal des Volksbildungsheims wird das Bauernkriegs-Drama „Der arme Konrad“ von Friedrich Wolff aufgeführt, allerdings umbenannt in „Conz“, den Namen des Helden, und ohne Nennung des Autoren. Conz wird gefangen und gefoltert, er widerruft nicht und stirbt. Seine Schlussworte: „ (...) es war doch eine große Sach‘, die wir taten, (...) sie ward nicht widerrufen, (...) einmal wird sie wiederkommen!“, stellen die aktuelle Situation in den Zusammenhang historischer Freiheitskämpfe.
Am Abend des 1. Mai 1933 führen mehr als 100 Gewerkschaftsjugendliche eine eigene Maifeier an einer einsamen Stelle des Stadtwaldes bei Gravenbruch durch. Die Sturmfahne wird in einer zugelöteten Thermoskanne vergraben. Am 2. Mai 1933, zeitgleich zur Besetzung des Gewerkschaftshauses, erscheint ein Funktionär der NSBO in Begleitung zweier SA-Männer, erklärt anwesende Sekretäre für verhaftet, interessiert sich zuerst und vor allem für die Gewerkschaftskasse und führt die Gleichschaltung in den DHV durch. Bei der „Gleichschaltung“ der Angestelltengewerkschaften bedienen sich die Nationalsozialisten der nationaldeutschen und antisemitischen Gewerkschaft, die sich in „Deutsche Angestelltengewerkschaft“ umbenennen darf. Damit hat sie die ihr zugedachten Aufgaben erfüllt und geht wenige Wochen später in der DAF auf.
Der für die Jugend- und Bildungsarbeit zuständige Sekretär Paul Müller nimmt nach Diskussion mit vertrauten und zum Widerstand entschlossenen Genossen das Angebot einer Kassiererstelle im DHV an. Funktionäre der Jugendgruppe stellen sich dem DHV zur Verfügung. Die Jugendgruppe des ZdA wird als Gruppe durch die Fahrenden Gesellen übernommen. Teile der Bibliothek, Schreibmaschinen, Vervielfältigungsapparat, Radiogeräte, unverzichtbar für Schulung und „illegale“ Tätigkeit, bleiben in der Verfügung der Gruppe. Im Juni 1933 erfolgt die Übernahme durch die HJ. Diese Taktik des Trojanischen Pferdes, Mitgliedschaft und Mitarbeit in nationalsozialistischen Organisationen als Mittel der Verschleierung und zugleich Voraussetzung der Widerstandsarbeit, bleibt im Frankfurter Widerstand einmalig.
Die „Gleichschaltung“ des Zentralverbandes der Angestellten (ZdA) im Deutschen Handlungsgehilfen-Verband (DHV) am 2. Mai 1933 betrifft auch die Frankfurter Jugendgruppe, die noch im April öffentlich gegen den Nationalsozialismus aufgetreten war.