Max Ludwig Cahn verlor seine Zulassung als Anwalt 1938. Die Nationalsozialisten ließen ihn als Konsulenten bis 1945 weiterarbeiten.
Max Ludwig Cahn wurde am 23. Mai 1889 in Mainz geboren, studierte in Freiburg, Berlin und Marburg Rechtswissenschaften. Die Vorbereitung für die Berufslaufbahn wurde durch den Ersten Weltkrieg unterbrochen, in dem Cahn Kriegsteilnehmer und Frontkämpfer war. 1917 legte er das 2. juristische Staatsexamen ab und wurde 1919 in Frankfurt zum Rechtsanwalt beim Amtsgericht zugelassen, am 10. April 1923 erhielt er die Zulassung beim Landgericht und 1924 das Notariat. Letzteres wurde ihm 1935 entzogen. Von 1928 bis zur „Säuberung“ 1933 wirkte er im Vorstand des Frankfurter Anwaltsvereins.
Am 16. April 1933 notierte er in seinem Tagebuch: „Ich werde als deutscher Staatsbürger (wenn und soweit ich es in Zukunft noch sein darf und – muß) meine Pflicht thun, Ruhe und Ordnung halten, meine Steuern zahlen u.s.w. Im übrigen aber fühle ich mich außerhalb der Volksgemeinschaft gestellt.“ Die Boykotthetze der vergangenen Wochen hatte ihn – wie viele national gesinnte Juden – besonders getroffen und in seiner Ehre verletzt. Er trat aus der Staatspartei, in deren Vorstand er tätig gewesen war, aus. Er konnte nach dem Gesetz vom 7. April 1933 nur aufgrund der Ausnahmebestimmung betreffend Kriegsteilnehmer seine Tätigkeit weiterführen, notierte aber kritisch: „Ich könnte nicht (wie es manche Kollegen jetzt bei Gericht tun) meine Kriegsehrenzeichen wieder anlegen. Ich will sie überhaupt nicht mehr tragen, jedenfalls nicht, solange Deutschland so zu seinen Juden steht.“
Aus der Liste der Rechtsanwälte am Landgericht Frankfurt wurde er (zusammen mit weiteren 83 jüdischen Anwälten im Oberlandesgerichtsbezirk) aufgrund der 5. Verordnung zum Reichsbürgergesetz zum 1. Dezember 1938 gelöscht. Im November 1938 kam er in das Lager Buchenwald, wurde aber auf Intervention des britischen Generalkonsulats nach wenigen Wochen entlassen, welches seine Beratungstätigkeit für britische Firmen ins Feld führte. Er gehörte dann zu den wenigen Exanwälten, die als „jüdische Konsulenten“ in bestimmten Umfang weiter tätig sein durften. Auch diese Tätigkeit stand aber unter dem Vorbehalt jederzeitigen Widerrufs und war durch sehr kurze – jedoch mehrmals verlängerte – Befristungen gekennzeichnet. Durch eine solche Tätigkeit „auf Widerruf“ wurden die wenigen noch zugelassenen „Konsulenten“ weiter diskriminiert.
Als jüdischer Konsulent hatte Max Ludwig Cahn vor allem die Angelegenheiten ausreisewilliger Juden zu regeln, ihre Interessen bei Devisenbeschaffung, Verkaufsverhandlungen etc. zu vertreten. Büroschild und Briefkopf lauteten so: „Max L. Cahn. Konsulent zugelassen nur zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden“. Von Juli 1943 bis Februar 1944 fungierte er auch – gegen seinen Willen – als Vertrauensmann der Reichsvereinigung der Juden (Berlin) in Frankfurt. Jede Zahlung musste über sie laufen, obwohl dieser Umweg über Berlin die Möglichkeit, den ausgebombten Juden Unterkunft in einem Heim zu schaffen, erheblich verzögerte. Cahn hatte sich als Konsulent auch um diese Vermittlung zu kümmern. Auch die Einziehung ausstehender Kostenforderungen ausgeschiedener Konsulenten und die Weiterleitung an die Ausgleichsstelle der RRAK in Berlin, woraus u.a. Unterhaltszuschüsse an frühere jüdische Anwälte und Konsulenten gezahlt wurden, gehörte zu seinen Aufgaben. Sein Nachfolger als Vertrauensmann war Karl Oppenheimer.
Er war der letzte jüdische Konsulent, der – noch bis zum Beginn des Jahres 1945 – im Oberlandesgerichtsbezirk Frankfurt tätig sein konnte. Am 7. Februar 1945 wandte er sich mit einem Schreiben an den Landgerichtspräsidenten, da er für einen „auswärtigen Arbeitseinsatz“ vorgesehen sei; er beantragte damit eine Zurückstellung, da er der einzige Konsulent für die Oberlandesgerichtsbezirke Frankfurt, Kassel und Darmstadt sei und daneben zahlreiche Pflegschaften, Testamentsvollstreckungen und Vermögensverwaltungen (vor allem für ausgewanderte Juden) führe und außerdem die Akten ausgeschiedener Kollegen abwickeln müsse. Die Gerichtsbehörden setzten sich für ihn ein; aber als er die Aufforderung erhielt, sich „Mittwoch, den 14.2.1945, nachmittags 14 Uhr am Ostbahnhof (…) einzufinden“, tauchte er in Kelkheim unter, wo es ihm gelang, das Kriegsende zu erleben.
In dem Nachruf, den 1967 Rechtsanwalt Wedesweiler Max Ludwig Cahn widmete, charakterisierte er seine Haltung in der NS-Zeit und nach dem Krieg: „Max L. Cahn hat den Kelch der Demütigung und Verfolgung, denen die jüdischen Anwälte von 1933 bis 1945 in steigendem Maße ausgesetzt waren, bis zur Neige geleert, ohne die Befreiung als gebrochener Mensch zu erleben. Seine große Seele, sein tapferes Herz und seine bewundernswerte Gattin ließen ihn das bittere Los nicht nur ertragen, sondern auch jegliches Ressentiment – das man ihm wahrlich nicht hätte verübeln können – überwinden.“ Bereits 1945 war Cahn wieder als Rechtsanwalt und Notar in Frankfurt tätig. In der ersten Nachkriegs-Anwaltsliste figuriert auch Max L. Cahn, mit der Adresse Opernplatz 6. Er wurde schon im Sommer 1945 in den Vorstand der wieder errichteten Rechtsanwaltskammer gewählt. Max L. Cahn war auch einer der Mitbegründer der neuen Jüdischen Gemeinde; von 1945 bis 1954 war er Mitglied im Gemeindevorstand, von 1955 bis 1963 Vorsitzender des Gemeinderats.
Literatur::
Vollständiger Text in: Barbara Dölemeyer, „Die Frankfurter Anwaltschaft zwischen 1933 und 1945“ in: Rechtsanwälte und ihre Selbstverwaltung 1878 bis 1998, hg. v. der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, Wiesbaden 1998, S. 59–129.
Max Ludwig Cahn verlor seine Zulassung als Anwalt 1938. Die Nationalsozialisten ließen ihn als Konsulenten bis 1945 weiterarbeiten.