Zwangsarbeiter in Einrichtungen der Katholischen Kirche

Das Marienkrankenhaus in der Brahmsstraße beschäftigte Fremd- und Zwangsarbeiterinnen aus Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Polen und der Slowakei. Weil das Hausstandsbuch nicht überliefert ist, konnten bisher nur 6 ehemalige Fremdarbeiter namentlich ermittelt werden.

In vielen katholischen Einrichtungen des Bistums Limburg wurden Fremd- und Zwangsarbeiter eingesetzt. Der Beitrag beschreibt die Quellenlage und den Forschungsstand zum Fremdarbeitereinsatz in Frankfurt am Main.

 

Der Frankfurter Dompfarrer Jakob Herr gehörte nach Kriegsende 1945 zu den wenigen Geistlichen, die etwas über das Leid der Zwangsarbeiter zu Protokoll gaben. In der Domchronik schrieb er: „Diese Ausländer wollen und sollen nicht mehr deutsche ‚Arbeitssklaven‘ sein. Der Nationalsozialismus hatte sie zu Tausenden, zu Millionen nach Deutschland geschleppt.“ Was der Prälat nicht thematisierte: Auch kirchliche Einrichtungen waren in das System des „Ausländereinsatzes“ einbezogen. In Frankfurt profitierten vor allem die kirchlichen Krankenhäuser von zugeteilten Arbeitskräften – die Beschäftigungszahlen freilich sind im Vergleich zu den Industrie-, Gewerbe- und Kommunalbetrieben marginal.

 

Auf den Stationen und in der Hauswirtschaft des Marienkrankenhauses an der Brahmsstraße – mit 350 Betten das größte kirchliche Hospital der Stadt, geführt von den Armen Dienstmägden Jesu Christi und im Krieg als Luftschutzlazarett beansprucht – arbeiteten insgesamt elf „Zivilarbeiter“ aus westeuropäischen Staaten. Zwei junge Polinnen aus dem Marienkrankenhaus waren zeitweilig auch für das Städtische Krankenhaus Höchst in der Gotenstraße tätig, wo ebenfalls Dernbacher Schwestern den Pflegebetrieb leiteten und weitere 26 Ausländer aus sechs Nationen über die Kriegsjahre verteilt tätig waren. Nach Beginn des Bombenkrieges wurden „Fremdarbeiter“ auch zu Aufräumarbeiten herangezogen: Von Juli bis November 1944 halfen Russen aus dem Lager Schwanheim bei der notdürftigen Instandsetzung des Klosters Maria vom Siege der Dernbacher Schwestern in Griesheim, dem ein kleines Altersheim angeschlossen war. Und das Kriegsschädenamt der Stadt setzte im Mai 1944 Zwangsarbeiter bei der Sicherung der äußeren Gewölbe der St. Leonhardskirche ein.

 

Der Schwerpunkt in der Beziehung der katholischen Kirche zum „Ausländereinsatz“ liegt in Frankfurt allerdings auf den Aspekten „Unterbringung“ und „Seelsorge“. Einige Pfarrheime und die größeren Wohneinrichtungen der Kirche wurden in Beschlag genommen und zu Quartieren für hunderte Zwangsarbeiter umfunktioniert, die in Fabriken und Betrieben im Stadtgebiet eingesetzt waren, so unter anderem das heute nicht mehr bestehende Karlshaus des Katholischen Gesellenvereins in der Seilerstraße, das vom Katholischen Kaufmännischen Verein erst 1929 gegründete Kaufmanns- und Studentenheim in der Hochstraße – das auch als Treffpunkt für französische Munitionsarbeiter diente – und der Festsaal der Pfarrei St. Joseph-Bornheim. Auf dem Gelände der Kirchengemeinde St. Gallus befand sich das als Bleibe für Ausländer eingerichtete „Lager Mainzer Landstraße 299“. Ein weiteres Zivilarbeiterlager für nahezu 100 Internierte bestand zwischen 1943 und 1945 auf einer Gartenfläche in der Kostheimer Straße in unmittelbarer Nachbarschaft des Monikaheimes, einer Einrichtung für gefährdete junge Mädchen in Trägerschaft des Katholischen Fürsorgevereins.

 

Über die Arbeits- und Lebensbedingungen der „kirchlichen“ Zwangsarbeiter in Frankfurt ist aufgrund der schlechten Quellenlage wenig bekannt: Namen geben nur die im Institut für Stadtgeschichte verwahrten unvollständigen Hausstandsbücher der Polizeireviere und die Vorortakten Höchst wieder. Personalunterlagen fehlen fast völlig, nur noch wenige Zeitzeugen erinnern sich, Hauschroniken sind in den Kriegswirren verloren gegangen oder schweigen. Selten sind zeitgenössische Tätigkeitsberichte wie der des Pfarrers Wilhelm Nicolay, der 1941 im Schwesternhaus der Franziskanerinnen in der Innenstadt die seelsorgliche Betreuung dort wohnender französischer Mädchen übernahm. Der bereits pensionierte Geistliche, der von einer sprachgewandten Dame aus Koblenz unterstützt wurde, hielt den jungen Frauen religiös-erbauliche Vorträge, besorgte Gebetbücher und französische Literatur oder unternahm mit ihnen Besichtigungsfahrten zur Saalburg.

 

Weitaus risikoreicher waren Kontakte zu den rassistisch diskriminierten „Ostarbeitern“ oder den Polen. Letztere, zumeist römisch-katholischer Konfession, durften aufgrund einer Verordnung von „Gauleiter“ Sprenger in den Frankfurter Pfarrkirchen nicht einmal zum Gottesdienst erscheinen. Wer von den deutschen Pfarrern, wie in Zeilsheim geschehen, dennoch „Polengottesdienste“ hielt, fand sich schnell im Visier der Gestapo. Auf dem Gelände der Adler-Werke hingegen feierte der französische Priester und Zwangsarbeiter Robert Adolphe mit Erlaubnis der Lagerleitung Messen mit Beteiligung von bis zu 250 Belgiern, Franzosen, Polen und Italienern. Er taufte sogar die unter unglücklichen Umständen dort geborenen Kinder von polnischen und russischen Frauen.

 

Das seelsorgliche Wirken von Abbé Adolphe koordinierte die 1944 vom Sicherheitsdienst (SD) gewaltsam zerschlagene „Action catholique en Allemagne“, ein vom französischen Episkopat aufgebautes geheimes Seelsorge-Netzwerk für die im Deutschen Reich eingesetzten französischen Zwangsarbeiter. Im ganzen Rhein-Main-Gebiet organisierte Abbé René Fraysse aus dem Rhône-Bistum Viviers, getarnt als Bohrarbeiter im Presswerk bei VDM in Heddernheim und gedeckt vom Bischöflichen Ordinariat in Limburg, Gottesdienste in Lagerkellern und auf dem Feldberg, Krankenbesuche, Bildungsvorträge und Freizeitprogramme. In Frankfurt erhielt er elementare Unterstützung durch Pfarrer Georg Bleutge in Heddernheim, von einem deutschen Studierendenkreis in der St. Antonius-Pfarrei im Westend und von den Kapuzinern in Liebfrauen – für Abbé Fraysse, der seinen Mut, freiwillig nach Deutschland zu kommen, mit schwerer KZ-Haft bezahlte, ein Saatkorn der Versöhnung. Dankbar schrieb er am 12. Juli 1946 an eine Frankfurter Bekannte: „Les catholiques allemands méritent l’admiration du monde et l’Église d’Allemagne a écrit ces dernières années une des plus belles pages de son histoire“.

 

 

Literatur::

Joachim Rotberg, Barbara Wieland, Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene in katholischen Einrichtungen im Bereich der Diözese Limburg. Ein Werkstattbericht, in: Limburger Texte 25, Limburg 2001

In vielen katholischen Einrichtungen des Bistums Limburg wurden Fremd- und Zwangsarbeiter eingesetzt. Der Beitrag beschreibt die Quellenlage und den Forschungsstand zum Fremdarbeitereinsatz in Frankfurt am Main.



Autor/in: Joachim Rotberg
erstellt am 18.09.2003
 

Verwandte Begriffe

Katholische Kirche


Zwangsarbeit


Zwangslager

Verwandte Orte

Gotenstraße


Marienkrankenhaus

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