Max Beckmann

Abschrift des Kündigungsschreibens an Max Beckmann vom 31. März 1933

Max Beckmann, Kreuzabnahme, 1917, ehemals Städtische Galerie, Museum of Modern Art, New York

Max Beckmann, Kreuzabnahme, 1917, beschlagnahmt aus der Städtischen Galerie, in der Ausstellung „Entartete Kunst“ 1937, daneben Beckmanns „Christus und die Ehebrecherin“, 1917, zeitgenössische Fotografie

Max Beckmann, Die Synagoge in Frankfurt am Main, 1919, Städtische Galerie im Städelschen Kunstinstitut, Frankfurt am Main

Dem nationalsozialistischen kommissarischen Direktor der Städelschule ist Max Beckmann als „Judenknecht“ verhasst, der „Kunsthurerei“ betreibe und seine Lehrtätigkeit vernachlässige. Weil sich keine sachlichen Gründe für seine Entlassung finden, wird am 15. April 1933 einer der renommiertesten zeitgenössischen Künstler mit dem Argument entlassen, man müsse Personalmittel sparen.

Als Max Beckmann 1925 Leiter des Meisterateliers an der Städelschule wurde, war er bereits ein international anerkannter Maler und Grafiker. Allein bis zum Beginn der 1930er Jahre erhielt er zahlreiche nationale und internationale Kunstpreise. Nahezu jährliche Einzelausstellungen in ganz Europa würdigten seine Arbeiten. 1932 richtete die Berliner Nationalgalerie gar einen ganzen Beckmann-Raum ein.

Zum Zeitpunkt seiner Berufung an die Städelschule lebte Beckmann bereits seit zehn Jahren in Frankfurt. Hier entwickelte der Künstler, der sich in seinem Frühwerk mit sehr eigenständigen impressionistischen Gemälden einen Namen gemacht hatte, eine veränderte Formensprache. Verursacht durch die persönlichen Erfahrungen im Weltkrieg, wurden seine Arbeiten nun radikaler: kantige Formen, überlängte Körperproportionen, die Auflösung traditioneller Raumkonstruktion sowie (zunächst) eine reduzierte Farbigkeit und eine Überfülle an Figuren. Diese modifizierte Ausdrucksweise machte sich vor allem in Beckmanns grafischen Arbeiten bemerkbar, die in Frankfurt einen ersten Schwerpunkt darstellten. Ab Mitte der 1920er Jahre wurden die Formen und Kompositionen klarer und farbiger, die Themen änderten sich: Bildnisse, Landschaften und Stadtansichten, Stilleben und Interieurs sowie Alltagsszenen dominierten. Religiöse Themen hingegen bearbeitete Beckmann jahrelang kaum mehr.

Um Beckmann für die Städelschule zu gewinnen, hatte deren Direktor Fritz Wichert ihm besondere Arbeitsbedingungen eingeräumt. Der Künstler, dem auch Angebote anderer Kunstschulen vorlagen, erhielt das erste Meisteratelier zur Förderung weniger, besonders begabter Schüler. Er bekam zudem ein hohes Gehalt ausgezahlt, an dem sich ein Frankfurter Mäzen beteiligte. Von 1929 an wurde Beckmann zudem ein Wohnsitz in Paris gewährt, von wo aus er zeitweise nur einmal im Monat nach Frankfurt kam. Die Sonderkonditionen Beckmanns wurden aus den Reihen des Magistrats sowie der Kollegen zum Teil heftig kritisiert. Anhaltende Vorwürfe, Beckmann vernachlässige die Betreuung seiner Studenten, veranlassten den Künstler im Oktober 1931, seinen Vertrag zu kündigen. Fritz Wichert, Georg Swarzenski und Ludwig Landmann konnten Beckmann jedoch zur weiteren Lehrtätigkeit überreden.

Die besondere Stellung Beckmanns an der Städelschule endet mit der so genannten Machtergreifung und der schnellen Gleichschaltung der Schule. Der kommissarisch eingesetzte Direktor, Karl Berthold, spricht die Entlassung aller unerwünschten Dozenten der Städelschule am 15. April 1933 aus, um die Kunstschule „nach dem Grundsatz einer deutschen, in dem Handwerk wurzelnden Kunst umbauen zu können“. Da es für Beckmanns Entlassung keine Argumente gibt, wird ein altes Gesetz, die Preußische Sparverordnung vom 12. September 1931, hervorgeholt: „Zum Zwecke der unumgänglichen Ersparnis an Personalausgaben“ entlässt Oberbürgermeister Friedrich Krebs einen der bekanntesten zeitgenössischen Künstler. Berthold formuliert seine tatsächlichen Vorwürfe an Beckmann in einem neunseitigen Hetzschreiben vom 20. April 1933, in dem er vorrangig die Beurlaubung Wicherts „begründet“. Darin heißt es, Beckmann sei ein „Judenknecht“, der „Kunsthurerei“ betreibe. Zudem habe er seine Lehrtätigkeit vernachlässigt. Ausser Beckmann müssen zudem Willi Baumeister, Josef Hartwig, Jacob Nußbaum, Richard Scheibe und Franz Schuster die Schule verlassen, Margarethe Klimt wird beurlaubt.

Es folgt die Auflösung von Beckmanns Meisteratelier sowie Sanktionen gegen die „beckmännisch“ arbeitenden Schüler, z. B. Friedrich Wilhelm Meyer und Leo Maillet. Die Nationalsozialisten behindern damit die künstlerische Entwicklung vielversprechender Künstler der Folgegeneration. Max Beckmanns Arbeiten werden reichsweit aus allen Museen entfernt, darunter auch fünf seiner Gemälde in der Städtischen Galerie. Ein Teil der enteigneten Bilder ist ab 1937 in der Ausstellung „Entartete Kunst“ zu sehen. Einige Gemälde werden am 30. Juni 1939 in der Galerie Fischer in Luzern versteigert. Viele dieser Arbeiten Beckmanns sowie anderer bedeutender Künstler der Moderne konnten bis heute nicht zurückerworben werden und blieben für deutsche Museen verloren. Lediglich zwei der geplünderten Beckmann-Gemälde, „Stilleben mit Saxophonen“ und „Zwei Frauen“, konnten 1962 für die Städtische Galerie zurückerworben werden.

 

 

Literatur::

Hans-Jürgen Fittkau, Karl Tratt, Friedrich Wilhelm Meyer und ihre Kommilitonen, Frankfurt am Main 2000

Klaus Gallwitz (Hg.), Max Beckmann. Gemälde 1905 - 1950, Stuttgart 1990

Ders. (Hg.), Max Beckmann in Frankfurt, Frankfurt am Main 1984

Karin von Maur (Hg.), Max Beckmann. Meisterwerke 1907 - 1950, Stuttgart 1994

Rudolf Pillep, Max Beckmann. Leben und Werk - neue Forschungen, Habil. Halle 1993

Dieter Rebentisch, Max Beckmann und Frankfurt am Main. In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 69 (2003), S. 127–157

Hans-Jürgen Fittkau, Leben und Werk des Frankfurter Beckmann-Schülers Karl Tratt (1900–1937). In: Archiv für Frankfurts Geschichte und Kunst 69 (2003), S. 159–176

Akten im Institut für Stadtgeschichte Frankfurt am Main: S2/209; Personalakte 1630 (Fritz Wichert)

Dem nationalsozialistischen kommissarischen Direktor der Städelschule ist Max Beckmann als „Judenknecht“ verhasst, der „Kunsthurerei“ betreibe und seine Lehrtätigkeit vernachlässige. Weil sich keine sachlichen Gründe für seine Entlassung finden, wird am 15. April 1933 einer der renommiertesten zeitgenössischen Künstler mit dem Argument entlassen, man müsse Personalmittel sparen.



Autor/in: Janine Burnicki
erstellt am 01.01.2003
 

Verwandte Personen

Baumeister, Willi


Beckmann, Max


Berthold, Karl


Hartwig, Josef


Klimt, Margarethe


Krebs, Friedrich


Landmann, Ludwig


Nussbaum, Jakob


Scheibe, Richard


Swarzenski, Georg


Wichert, Fritz

Verwandte Ereignisse

Entlassung Max Beckmanns von der Frankfurter Städelschule


„Gleichschaltung“ der Frankfurter Städelschule

Verwandte Begriffe

Gleichschaltung


Machtergreifung

Verwandte Orte

Ausstellung „Entartete Kunst“


Galerie Fischer


Städelschule


Städelschule, Sitz Dürerstraße 12


Städtische Galerie


Wohnung und Atelier Max Beckmanns

Top