Der Schriftsteller Ernst von Salomon, 1902 in Kiel geboren, verbrachte zwar nur wenige Jahre in seiner frühesten Jugend in Frankfurt am Main; seine späteren Verstrickungen in politische Ränke und Mordkomplotte der zwanziger Jahre weisen jedoch nach Frankfurt am Main und das mittlere Hessen.
Ernst von Salomon wurde 1902 als zweiter Sohn des Kriminalbeamten Felix von Salomon in Kiel geboren. Die Familie stammte eigentlich aus Venedig, war durch die Zeitläufte aber an den Niederrhein verschlagen worden. Zwei Jahre zuvor war sein älterer Bruder Bruno geboren worden, später folgten Horst und Günther. 1909 zog die Familie nach Frankfurt am Main. Der Vater war als einer der jüngsten preußischen Kriminalkommissare von Kiel nach Frankfurt am Main versetzt worden, er sollte relativ rasch Leiter der Kriminalpolizei des gesamten Bezirkes werden. In seinem „Fragebogen“ schilderte Ernst von Salomon auf wenigen Seiten die idyllische Kinderzeit in der Rothschildallee, wo die Salomons wohnten. Salomon besuchte von 1909 bis 1912 die Musterschule. An sie, die als vorbildliche und moderne Bildungsinstitution in der Mainstadt galt, erinnerte er sich später kaum noch, nur daran, wie der Direktor hieß, Max Walter, und dass er die Schüler einmal aus dem Unterricht rief, um ihnen mitzuteilen, dass dem Kaiser ein weiteres Enkelkind geboren sei: „Nun ist unsere stolze Dynastie für Generationen gesichert!“ Salomon sollte etwas „Ordentliches lernen“, um „später den Erfordernissen des Lebens gewachsen zu sein“ und um einen „anständigen Beruf auszufüllen.“
Zu Ostern 1912 kam er in das Lessing-Gymnasium in der Hansa-Allee; Salomon war ein stilles und scheues Kind, das bis auf Latein gute schulische Leistungen zeigte. Mehr als das Schülerleben blieb dem aus gutbürgerlichem Hause stammenden Knaben die nachmittäglichen Straßenschlachten mit den Kindern aus den Arbeitervierteln rund um die Rothschildallee in Erinnerung: „War aber der Krieg erklärt, verbissen sich die Haufen mit Latten, Steinen, Schläuchen, Schleudern und Flitzebogen bewaffnet, ineinander, dann war es so, dass sich die Erwachsenen scheuten, den Kampfplatz zu überqueren.“ (Der Fragebogen, S. 145) Und in Erinnerung blieb seine Jugendfreundin Liselotte „Lilo“ Wölbert, die Ernst von Salomons erste Frau wurde, als Salomon seine Haft 1928 wegen der Beteiligung an der Ermordung Walther Rathenaus und dem Mordversuch an einem Gesinnungsgenossen abgesessen hatte. Ernsts älterer Bruder Bruno von Salomon hatte seine schulische Ausbildung im Kadettenvorkorps in Karlsruhe erlebt. 1913, als sich aus den schlechten Latein-Noten ein schulisches Drama anbahnte, wurde Ernst von Salomon von der Lessing-Schule genommen und ebenfalls nach Karlsruhe geschickt. Mit Erreichen der 9. Klasse wechselte er ins Hauptkadettenkorps nach Berlin-Lichterfelde. Seine Zeit dort und die Prägung zum preußischen Offizier hat er in dem Buch „Die Kadetten“ 1933 geschildert. Das Ende des Ersten Weltkriegs war auch das Ende des zukünftigen preußischen Offiziers: „Zweifellos empfand ich bei der Revolution von 1918 sehr bitter das Entschwinden meiner bevorrechtigten Stellung. Aber ich war zu jung, um in ihr verwurzelt zu sein, und jung genug, um überall eine Chance zu wittern.“ (Der Fragebogen, S. 326)
Im Januar 1919 trat der Siebzehnjährige als einer der ersten Kadetten unmittelbar nach dem Aufruf Gustav Noskes zur Bildung von Freiwilligenverbänden im Januar 1919 ins Freiwillige Landesjägerkorps „General Maercker“ ein. Dieses Freikorps war von Noske zum Schutz der Nationalversammlung in Weimar und zur allgemeinen Wiederherstellung der Ordnung im Bürgerkriegs-Deutschland aufgestellt worden. Doch bald lockte ein ganz besonderes Abenteuer: Mit dem Hamburger Freikorps Bahrenfeld zog der Siebzehnjährige ins Baltikum, wo deutsche Freikorps zunächst im Auftrag der Reichswehr, später in eigener Sache und im Dienste der lettischen Regierung Ulmanis gegen die Truppen des revolutionären Russland kämpften. Als die deutsche Regierung unter Druck der Alliierten die deutschen Freikorps schließlich zurückbeorderte, kam ein politisch radikalisiertes Gefahrenpotential ins Reich zurück, das in den Folgejahren in fast jedem Geheimbund und jeder rechten Partei aktiv werden sollte. Beim Kapp-Putsch waren sie wie die 2. Marinebrigade, nach ihrem Kommandeur „Brigade Ehrhardt“ genannt, in vorderster Front der Gegenrevolution zu finden und stellten dann eine der zuverlässigsten Kader auch der so genannten „Organisation Consul“ (OC), dem gefährlichsten Geheimbund der Rechten. Der OC gehörten neben den Frankfurtern Friedrich Wilhelm Heinz und Ernst von Salomon, der spätere IHK-Präsident von Frankfurt, Carl Lüer, der Gauwirtschaftsberater des Gaus Hessen-Nassau, Wilhelm Avieny, der Sicherheitspolizist Otto Schroeder, der Hamburger Gauleiter Karl Kaufmann und der sächsische Ministerpräsident und SA-Führer Manfred von Killinger an.
Nach der Auflösung seines Freikorps war Ehrhardt mit dem harten Kern seiner Truppe nach Bayern gegangen, wo er unter dem Schutz der dortigen Regierung und der Reichswehr ein konterrevolutionäres Netzwerk aufzog. Getarnt als „Bayerische Holzverwertungsgesellschaft“ wurde hier die geheime Wiederaufrüstung betrieben, Attentate und Anschläge auf demokratische Politiker vorbereitet und durchgeführt und Spionageaufgaben der Reichswehr übernommen. Anlässlich der Gründungsversammlung des Frankfurter Jungdeutschen Ordens im Juni 1920 waren der Ehrhardt-Brigadier und spätere Rathenau-Attentäter Erwin Kern und der aus der Reichswehr ausgeschiedene Leutnant Friedrich Wilhelm Heinz mit dem nach Frankfurt zurückgekehrten Ernst von Salomon zusammengetroffen. Vermutlich verschaffte Heinzens Halbbruder Hermann Schilling, Leiter der Frankfurter Commerzbank, Salomon einen Job in einer Wechselstube der Bank am Frankfurter Hauptbahnhof. Auch Horst von Salomon fand Arbeit bei der Commerzbank, die in Börsenkreisen wegen ihrer völkischen Sympathien ein schlechtes Image hatte. Doch nicht die bürgerliche Karriere des Polizistensohnes stand im Vordergrund, Hauptbeschäftigung der jungen Männer war die Sammlung von Waffen und Rekrutierung einer schlagkräftigen Truppe in Vorbereitung von Umsturzversuchen. Mit dem „Turnverein Jahn“ entstand der Nucleus für eine spätere „National-Armee“. Der erste Rückschlag war die Verhaftungswelle, die nach dem Attentat der OC auf Matthias Erzberger einsetzte. In Frankfurt wurde zunächst nur Friedrich Wilhelm Heinz verhaftet, dem aber nichts nachzuweisen war. Als die Münchner OC-Zentrale, die sich dank der Protektion durch die bayerische Regierung des Gustav Ritter von Kahr schnell reorganisieren konnte, noch den Bruder des Erzberger Attentäter Heinrich Tillessen, Karl Tillessen und Hartmut Plaas nach Frankfurt schickte, war innerhalb kürzester Zeit eine kleine zu allem entschlossene Terrorgruppe handlungsbereit. Während Heinz in erster Linie nachrichtendienstliche Aufgaben übernahm, gründeten Tillessen und Plaas die erste Frankfurter Ortsgruppe der NSDAP. Ernst von Salomon fungierte als Kurier und „junger Mann für alles“. Mit seinen Wechselgeschäften besorgte er nach eigenen Angaben auch einen Teil des von der Frankfurter OC benötigten Geldes. Im Frühjahr 1922 gingen die Vorbereitungen auf die Attentate auf Philipp Scheidemann, zu dieser Zeit Oberbürgermeister von Kassel, und Außenminister Walther Rathenau in die Endphase. Als ein Mitkämpfer mit Verrat der Pläne drohte, verübten Kern und Salomon im Bad Nauheimer Kurpark Anfang März 1922 einen Mordanschlag auf den ehemaligen Gesinnungsgenossen. Paragraf elf der OC lautete nicht umsonst: „Verräter verfallen der Feme.“ Das Opfer überlebte schwerverletzt und tauchte unter. Fünf Jahre später sollte Ernst von Salomon zusammen mit einem dritten Tatbeteiligten und Friedrich Wilhelm Heinz in Gießen vor Gericht stehen.
Das Attentat auf Scheidemann an Pfingsten 1922 scheiterte. In Berlin leitete Kern zusammen mit Hermann Fischer die Vorbereitungen für das Attentat auf Rathenau. Ein Wagen samt Chauffeur musste besorgt werden, denn Kern wollte den Reichsaußenminister bei einer Autofahrt erschießen. Dazu wurde nun Ernst von Salomon abkommandiert. Nach dem Attentat am 24. Juni 1922 wurde man fast aller Tatbeteiligten habhaft. Die beiden eigentlichen Attentäter, Kern und Fischer, kamen nach mehrwöchiger Verfolgungsjagd dabei ums Leben. Ernst von Salomon, der sich von Berlin nach München abgesetzt hatte, um von Ehrhardt weitere Direktiven zu bekommen, fasste die Polizei einige Wochen später. Heinz, Tillessen, Otto Schroeder und Plaas wurden in Frankfurt bzw. Kiel verhaftet. Während Plaas wie Tillessen wegen „Nichtanzeigen eines Verbrechens“ angeklagt wurde, ließ man Heinz und Schroeder überraschend wieder frei.
Allen anderen Tatbeteiligten standen ab Oktober vor dem neu gegründeten „Staatsgerichtshof zum Schutz der Republik“ in Leipzig vor Gericht. Außer Karl Tillessen, Plaas, Ernst von Salomon und den Brüdern Techow waren dies vorwiegend die Helfershelfer aus der zweiten und dritten Reihe, beteiligt an der Beschaffung der Mordwerkzeuge und anderen Hilfeleistungen, die sich wegen Beihilfe, Begünstigung oder Mitwisserschaft zu verantworten hatten. Alle Angeklagten kamen mit mehr oder minder langen Haftstrafen davon. Salomon wurde zu fünf Jahren Zuchthaus und 1927 nochmals wegen Beteiligung an dem versuchten Fememord in Bad Nauheim zu insgesamt sieben Jahren verurteilt. Seine Strafe saß er in Striegau und in Butzbach ab. Aufgrund einer Amnestie kam er jedoch Ende 1927 bereits wieder auf freien Fuß. Nach der Haft kam Salomon offenbar ins Trudeln. In seinem „Fragebogen“ deutete er an, wegen Alkoholismus in einem Sanatorium untergebracht worden zu sein, auch die kurze Ehe mit Lilo Wölbert scheint seinem Leben nicht den gewünschten Halt gegeben zu haben. Ernst von Salomon suchte und fand ein neues politisches Engagement, das so ganz zu seinem bisherigen Leben passte. Sein älterer Bruder Bruno von Salomon, der sich nach dem Kapp-Putsch verschiedenen rechten Gruppierungen angeschlossen hatte, unter anderem auch der NSDAP, war Ende der zwanziger Jahre zur schleswig-holsteinischen Landvolkbewegung gestoßen, einer Protestbewegung der norddeutschen Bauern um Claus Heim und Wilhelm Hamkens. Ernst von Salomon unterstützte seinen Bruder bei der Herausgabe der Zeitung „Das Landvolk“. Erneut in Haft nach einem versuchten Attentat von Mitgliedern der Landvolkbewegung auf den Berliner Reichstag begann er 1929 seinen ersten Roman „Die Geächteten“ zu schreiben. Diese Autobiographie, 1930 bei Rowohlt erschienen, erregte nationale Aufmerksamkeit. Es folgte Anfang 1933 von Salomons zweiter großer Erfolg „Die Kadetten“. In den dreißiger Jahren arbeitete er als Lektor im Rowohlt Verlag und war Hauptschriftleiter der Freikorpszeitschrift Reiter gen Osten.
Zum neuen nationalsozialistischen Regime hatte er trotz ideologischer Nähe ein zwiespältiges Verhältnis. Als Drehbuchautor für die UFA lebte er mit seiner jüdischen Lebensgefährtin Ille Gotthelft während der Jahre bis 1945 sehr zurückgezogen, verweigerte sich auch seinen politischen Freunden von früher wie Hartmut Plaas, Franz Liedig und Friedrich Wilhelm Heinz, die an den Attentatsplänen auf Hitler beteiligt waren. Aufgrund seiner persönlichen Kontakte zu politischen Gegnern des Nationalsozialismus wie Bodo Uhse und Harro Schulze-Boysen („Rote Kapelle“) stand er unter polizeilicher Beobachtung; sein Bruder Bruno war Anfang der dreißiger Jahre der KPD beigetreten und engagierte sich in der französischen Widerstandsbewegung. Trotz der Distanz zum NS-Regime waren seine Drehbücher für die UFA gleichwohl nicht ideologiefrei, die Filme „Carl Peters“ (1941) und „Kautschuk“ (1938) beispielsweise glorifizierten deutschen Kolonialistengeist, „Menschen ohne Vaterland“ (1937) thematisierte die Freikorpskämpfe im Baltikum 1918/1919. Von Mai 1945 bis September 1946 war Salomon in einem amerikanischen Internierungslager in Haft. 1951 gelang es Ernst von Salomon mit seinem Werk „Der Fragebogen“ erneut große Aufmerksamkeit zu erregen. In autobiografischer Form beabsichtigte er damit, die 131 Fragen des Entnazifizierungsbogens ad absurdum zu führen und traf mit seiner, in ironischem, leichthändigem Stil gehaltenen Kritik an der Entnazifizierung den restaurativen Zeitgeist. Dieses Buch sollte der erste Bestseller der jungen Bundesrepublik werden. Bis zu seinem Tode veröffentlichte Salomon noch weitere Romane und schrieb Drehbücher, zumeist für gängige Unterhaltungsfilme. Am bekanntesten allerdings ist sicher die Filmtrilogie „08/15“ (1954/55), nach den Romanen des Berufssoldaten Hans Hellmut Kirst. Politisch engagierte Salomon sich in den sechziger Jahren überraschend in der „Deutschen Friedensunion“ und nahm 1961 an der „Weltkonferenz gegen die Atombombe“ in Tokio teil.
Ernst von Salomon starb am 9. August 1972 in Winsen an der Luhe.
Literatur::
Ernst von Salomon, Der Frageborgen, Reinbek ,17. Auflage 2003
Ernst von Salomon, Die Geächteten, Berlin 1930
Ernst von Salomon, Die Kadetten, Berlin 1933
Markus Josef Klein, Ernst von Salomon. Eine politische Biographie. Mit einer vollständigen Bibliographie, Limburg a. d. Lahn 1994
Martin Sabrow, Der Rathenaumord. Rekonstruktion einer Verschwörung gegen die Republik von Weimar, München 1984
Carl Zuckmayer, Geheimreport, Göttingen 2002
Der Schriftsteller Ernst von Salomon, 1902 in Kiel geboren, verbrachte zwar nur wenige Jahre in seiner frühesten Jugend in Frankfurt am Main; seine späteren Verstrickungen in politische Ränke und Mordkomplotte der zwanziger Jahre weisen jedoch nach Frankfurt am Main und das mittlere Hessen.