Die Diskriminierung der Juristin im Nationalsozialismus

Seit 1922 hatten auch Frauen nach bestandenem Assessorexamen Anspruch auf Zulassung zur Anwaltschaft; de facto wurden Frauen aber seit der nationalsozialistischen Machtübernahme nicht mehr zugelassen.

 

Seit 1922 hatten auch Frauen nach bestandenem Assessorexamen Anspruch auf Zulassung zur Anwaltschaft. Weder das Anwaltsgesetz vom 7. April 1933 noch das Gesetz zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich vom 16. Februar 1934 änderten daran formell etwas; auch die nationalsozialistische Neufassung, die 1936 in Kraft trat, die Reichs-Rechtsanwaltsordnung, enthält keine Regelung, welche Frauen vom Anwaltsberuf ausschließt. Die Realität sah aber – auch in Frankfurt – durchaus anders aus. Tatsächlich wurden seit dem Inkrafttreten der neuen Reichs-Rechtsanwaltsordnung 1936 Frauen einfach nicht mehr zugelassen. Die stille Diskriminierung setzte eine Stufe vor der Zulassung ein: Die Frauen wurden von dem notwendigen anwaltlichen Probedienst ausgeschlossen. Über die Zulassung zu diesem hatte nämlich der Reichsjustizminister zu entscheiden und er gab seine Zustimmung – unter Berufung auf den Willen des Führers – prinzipiell nicht.

 

Gegen das seit 1933 verstärkte Bestreben, die Frauen aus juristischen Berufen auszuschließen, argumentieren die Juristinnen, die sich gegen diese Benachteiligung zur Wehr setzten, durchaus systemkonform im Rahmen der NS-Ideologie: Die intuitiven Kräfte und Gefühlswerte der Frau wurden besonders für ihre Tätigkeit in familienrechtlichen, sozialrechtlichen, fürsorgerechtlichen Angelegenheiten als wertvoll bezeichnet. Die Beauftragte für Rechtswahrerinnen Eben-Servaes gehörte – ebenso wie die Reichsfrauenführerin Scholtz-Klink – der Akademie für Deutsches Recht an und sie arbeiteten dort in den als „weiblich“ qualifizierten Bereichen wie eben Familien-, Jugend-, Wohlfahrts- und Fürsorgerecht mit.

 

Gegen das oberste Gesetz, den Willen des Führers, hatten aber auch diese Bemühungen keine Chance. Hitler entschied am 24. August 1936, nachdem die Partei ihm die Frage vorgetragen hatte, „daß Frauen weder Richter noch Anwalt werden sollen. Juristinnen können deshalb im Staatsdienst nur in der Verwaltung verwandt werden“. Diese Entscheidung muß ziemlich schnell publik geworden sein, denn bereits einen Tag später fragte der Frankfurter Oberlandesgerichtspräsident beim Reichsjustizministerium an, wie es sich mit den Anträgen von Assessorinnen auf Zulassung zum Probedienst verhalte. Er hatte sich darüber mit dem Gauführer des BNSDJ besprochen. In einem Schreiben vom 16. September 1936 teilte der Reichsjustizminister daraufhin dem Frankfurter Oberlandesgerichtspräsidenten knapp und lapidar mit, der Führer und Reichskanzler habe entschieden, „daß in Zukunft Frauen zum Richteramt und zum Anwaltsberuf nicht mehr Zugang finden sollen“ (HHStAW Abt. 458, Nr. 968).

 

Es gab keine Rechtsgrundlage dafür; man hielt es nicht einmal für nötig die Rechtsanwaltsordnung zu ändern. Die Anträge auf Zulassung zum anwaltlichen Probedienst wurden schlicht und einfach abgelehnt. Hatte man für die übrigen Beschränkungen und Diskriminierungen in der Berufsausübung („Nichtarier“, Kommunisten) immer noch den Anschein einer gewissen Legalität zu wahren gesucht, so machte man sich für die Diskriminierung der Frauen nicht einmal mehr diese Mühe. Der Wille des Führers als „Gesetz“ reichte aus. Es gab keine Möglichkeit, sich gegen eine solche Behandlung zu wehren, keine Rechtsmittel, keine Kontrolle. Unter den zahlreichen Diskriminierungen, die der NS-Staat vornahm, war die der berufstätigen Frauen gekennzeichnet durch besondere Konsequenz. Selbst als die Personallage bei den Behörden mit Fortschreiten des Krieges immer schwieriger wurde, kam es nur zögernd zu Lockerungen. Für den Oberlandesgerichtsbezirk Frankfurt bedeuteten die Diskriminierungsmaßnahmen, daß ab 1936 keine Frau mehr zum Probedienst zugelassen wurde. So diente auch eine Liste von zwölf Anwältinnen, die im Kammerbezirk Frankfurt am Main zugelassen waren, dazu, alle weiteren Anträge von Assessorinnen für die Zulassung zum Probedienst abzulehnen. Die bereits vor den Diskriminierungsmaßnahmen zugelassenen Rechtsanwältinnen (die letzte Zulassung dürfte die von Agnes Meise 1935 gewesen sein) hielten durch (fünf von ihnen konnten ihre Anwaltstätigkeit bis zum Kriegsende aufrechterhalten): In der ersten Anwaltsliste nach dem Krieg für den Oberlandesgerichtsbezirk Frankfurt, die vom 14. August 1945 datiert und 60 Namen enthält, finden sich wieder Helene Crummenauer, Hildegard Dillmann, Martha Eberhard, Emmy Engel-Hansen, Agnes Küzel-Meise, Melanie Mehne, Anna Maria Saalwächter, Maria Schminck-Spoer und Emma Stechert.

 

Literatur

 

Vollständiger Text in: Barbara Dölemeyer, „Die Frankfurter Anwaltschaft zwischen 1933 und 1945“ in: Rechtsanwälte und ihre Selbstverwaltung 1878 bis 1998, hg. v. der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main, Wiesbaden 1998, S. 59–129.

Seit 1922 hatten auch Frauen nach bestandenem Assessorexamen Anspruch auf Zulassung zur Anwaltschaft; de facto wurden Frauen aber seit der nationalsozialistischen Machtübernahme nicht mehr zugelassen.



Autor/in: Barbara Dölemeyer
erstellt am 01.01.2003
 
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