Die Sammlung Julius Heyman

Julius Heyman, "Gotik und Renaissance in meinem Hause Palmstraße 16", Gotische Bibliothek, undatiert

Julius Heyman wurde 1863 geboren in Diez an der Lahn als Sohn des Bankiers Wolf Heyman und dessen Ehefrau Mina geb. Seckel. Als Julius Heyman 11 Jahre alt war zog die Familie nach Frankfurt in die Palmstraße 16. Nach dem Schulabschluss am Philantropin absolvierte Heyman eine Banklehre und war anschließend als Bankier tätig. Ab 1894 begann er, erste Gemälde zu erwerben von damals zeitgenössischen Künstlern wie Anton Burger, Carl Peter Burnitz, Jakob Nussbaum oder Hans Thoma. Bald erweiterte er sein Interesse auch für Kunstwerke älterer Epochen und anderer Gattungen. Als es ihm finanziell möglich war, gab er seinen Beruf auf und widmete sich ganz der Kunst.

 

Julius Heyman verstarb 1925 im Alter von 72 Jahren. Zuvor hatte er testamentarisch festgelegt, dass die Sammlung nach seinem Tod als Stiftung in den Besitz der Stadt Frankfurt übergehen sollte. Zu diesem Zeitpunkt umfasste die Kollektion mehrere hundert Objekte, neben Gemälden auch Fayencen, Porzellane, Steingutarbeiten, mittelalterliche Plastiken, Schweizer Glasmalereien, Möbel und Kunsthandwerk. Die Kollektion wurde zum Zeitpunkt der Stiftung auf einen Wert zwischen 500.000 und 1.000.000 Mark geschätzt. Am dritten Todestag des Sammlers, am 17.10.1928, wurde das Julius-Heyman-Museum im ehemaligen Wohnhaus des Stifters eröffnet. Die Stadt kam dabei dem Stifterwillen nach, einen Teil der Palmstraße in Julius-Heyman-Straße umzubenennen. Weiterhin hatte Heyman testamentarisch verfügt, dass seine Sammlung auf hundert Jahre unangetastet erhalten bleiben und der Öffentlichkeit in seinem in Julius-Heyman-Museum umgewidmeten Wohnhaus zugänglich sein sollte.

 

Tatsächlich wurden die vertraglich festgehaltenen Vereinbarungen und die 100jährige Laufzeit derselben nach nicht einmal zwanzig Jahren gebrochen. Bereits 1931 wurde erstmals die Frage aufgeworfen, ob in Sachen Museum Julius Heyman „durch größere Propaganda oder anderweitige Verwendung der Museumsgegenstände eine stärke Nutzbarmachung für Bildungszwecke durchgeführt“ werden könne. Allerdings kam man nach Prüfung zur Erkenntnis, „das Testament [verbiete] leider eine Aufteilung der Sammlungsgegenstände an die anderen Museen.“ 1937 hieß es in einem Vermerk zur Geschäftsprüfung des Stadtgeschichtlichen Museums, wie das heutige Historische Museum während des Nationalsozialismus hieß, die Sammlung Heyman liege „viel zu weit ab vom allgemeinen Fremdenverkehr“, sie sei schwach besucht, alles befände sich in „schlecht geputztem Zustand“ und man bat zu prüfen, ob nicht doch „eine Möglichkeit [bestünde], diese wertvollen Bestände, wenn auch als geschlossene Sammlung, in einem würdigeren [...] Gebäude unterzubringen.“

 

1938 sah die Stadt sich schließlich in der Lage, weiterführende Schritte zu unternehmen. Im August des Jahres wurden einige Straßennamen zur Umbenennung vorgeschlagen, u. a. die Paul-Ehrlich-Straße in Ludwig-Rehn-Straße, die Merton-Straße in Universitätsstraße, die Cassella-Straße und die Leo-Gans-Straße in Friedrichshafener Straße, die Hahn-Straße in Kesselbergstraße und die Julius-Heyman-Straße in Palmstraße, der erste Verstoß gegen den testamentarischen Willen. Auch der vertraglich vereinbarte Aspekt, die Sammlung „geschlossen“ zu erhalten – 1937 hatte man diesen noch berücksichtigt – wurde immer stärker angegriffen; im Dezember 1938 hatte man neben sinkenden Besucherzahlen oder verkehrsungünstiger Lage dann ein neues, schlagkräftiges Argument: „Im Hinblick auf die Neuaufrollung der Judenfrage“ plante das Kulturamt der Stadt, die Julius-Heyman-Sammlung gänzlich aufzulösen. Man wolle sich diesbezüglich mit dem Testamentsvollstrecker Heymans sowie seiner Adoptivtochter Maria Heyman-Wagner ins Benehmen zu setzen. Seiner Adoptivtochter hatte Heyman nämlich testamentarisch ein lebenslanges Wohn- und Nutzungsrecht eines Teils des Hauses in der Julius-Heyman-Straße zugesichert.

 

Der Ausbruch des Krieges 1939 und die damit einhergehenden Folgen wie bspw. ein sich ausbreitender Personalmangel durch zum Heeresdienst berufene Männer aus dem Kulturamt wie aus den Frankfurter Museen führten zu Verzögerungen der angestrebten Auflösung. Dennoch konnte das Kulturamt dem Oberbürgermeister Siegfried Krebs schließlich im Oktober 1940 berichten: „Die Julius Heyman Sammlung ist nunmehr aufgelöst.“ Alle Gegenstände aus dem ehemaligen Wohnhaus des Stifters waren entfernt worden. Diejenigen Objekte aus der Heyman‘schen Sammlung, die dem Sammlungsprofil der sonstigen städtischen Sammlungen entsprachen, wurden dorthin überwiesen. So erhielt die Städtische Galerie im Städel Museum 30 Gemälde, 24 Aquarelle sowie 22 Skulpturen und Bildwerke. Das Museum für Kunsthandwerk (heute: Museum für Angewandte Kunst) bekam 40 weitere Gegenstände zugewiesen. Auch das Stadtgeschichtliche Museum erhielt Objekte aus der Sammlung Heyman. Diejenigen Gegenstände, für die man in keinem der Frankfurter städtischen Sammlungen eine sinnvolle Verwendung sah, wurden in den Kunsthandel gegeben, um vom Verkaufserlös neue Objekte für die städtischen Sammlungen zu erwerben. Beauftragt wurde dazu u. a. der Frankfurter Kunsthändler Wilhelm Henrich.

 

Die auf Wunsch des Stifters im Garten des Anwesens in der Julius-Heyman-Straße bzw. Palmstraße beigesetzte Urne mit den sterblichen Überresten Heymans wurde ausgegraben und auf dem Jüdischen Friedhof an der Rat-Beil-Straße erneut beigesetzt. Die Adoptivtochter Maria Heyman-Wagner, der lebenslanges Wohnrecht eingeräumt worden war, erhielt von der Stadt alternativen Wohnraum zugewiesen. Auch nach der Aufteilung der Sammlung Heyman unter den Museen bzw. dem Verkauf der nicht erwünschten Objekte ging die Zerstreuung innerhalb der Stadt weiter, so tauschte das Stadtgeschichtliche Museum sieben Werke von Otto Scholderer, Anton Burger, Carl Peter Burnitz, Philipp Rumpf und Hans Thoma gegen ein Gemälde von Anton Radl beim Frankfurter Kunsthändler Wilhelm Schumann. Weitere Objekte der Heyman‘schen Sammlung wurden selbst nach 1945 noch in den Handel gegeben, um im Gegenzug neue Kunstwerke zu erhalten. So tauschte die Städtische Galerie 1954 vier Werke aus der Sammlung Heyman ein, abermals bei Wilhelm Henrich, um im Gegenzug eine sumerische Plastik zu erhalten.

 

Das Wohnhaus bzw. das Julius-Heyman-Museum wurde im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört. Erst 1948 wurde der nordöstliche Teil der Palmstraße wieder in Julius-Heyman-Straße rückbenannt. Seit 2012 widmet das Historische Museum Frankfurt dem Stifter, Sammler und Mäzen Julius Heyman einen Raum in seiner Dauerausstellung. Die Kunstsammlung Julius Heymans jedoch bleibt – in großen Teilen unerkannt – in aller Welt verstreut.

 

 

Literatur und Quellen

 

Esther Tisa Francini, Anja Heuss, Georg Kreis: Fluchtgut-Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933-1945 und die Frage der Restitution, Zürich 2001, S. 186f.

Ursula Kern, Verkauft und vergessen. Das Privatmuseum des jüdischen Sammlers Julius Heyman (1863-1925), in: Jan Gerchow (Hrsg.), Frankfurter Sammler und Stifter, Frankfurt am Main 2012, S. 191-207

Historisches Museum Frankfurt, B1797

ISG, Best. A.02.01, Nr. 8079

ISG, Best. A.45.01., Nr. 49

Der Frankfurter jüdische Kunstsammler Julius Heyman (1863-1925) trug über mehrere Dekaden hinweg eine umfassende Kunstsammlung zusammen, welche er in seinem Testament der Stadt Frankfurt zugedachte. Die Stadt, welche die Stiftung 1925 inklusive der daran geknüpften Bedingungen mit Freude entgegennahm, wurde im Laufe der 1930er Jahre vertragsbrüchig, die Stiftung und die Sammlung Heyman wurden aufgelöst.



Autor/in: Maike Brüggen
erstellt am 10.04.2023
 

Verwandte Personen

Heyman, Julius

Verwandte Beiträge

Das Historische Museum im Dritten Reich


Das Museum für Kunsthandwerk im Dritten Reich


Die Umbenennung von Straßen und Plätzen

Top