Der braune Magistrat – ein Überblick

Stadtverordnete im Braunhemd (links). In der Mitte der Magistratsbank stehend Oberbürgermeister Krebs (rechts.) Die Aufnahme entstand ca. 1934.

Sieben haupt-, acht ehrenamtliche Stadträte und 36 Ratsherren bildeten im „Dritten Reich“ den Frankfurter Magistrat. In der Mehrzahl erst nach 1933 berufen und fast durchgängig mit Nationalsozialisten besetzt, unterstanden sie dem „Führer der Gemeinde“, dem Oberbürgermeister Friedrich Krebs. Dieser tolerierte jedoch auch fünf hauptamtliche Stadträte, die bereits während der Weimarer Republik gewählt worden waren und der nationalsozialistischen Politik durchaus kritisch gegenüberstanden.

Die gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Frankfurter Magistrats bildete seit Dezember 1933 das Preußische Gemeindeverfassungsgesetz (GVG), das 1935 abgelöst wurde von der Deutschen Gemeindeordnung (DGO). Bereits im GVG war das sogenannte „Führerprinzip“ verankert, das heißt der Oberbürgermeister zum „Führer der Gemeinde“ erklärt worden. Von diesem Zeitpunkt an war er der alleinige Verantwortliche für Verwaltung und Politik der Stadt. Die früher je nach Kommunalverfassung gleichgestellten oder zumindest in ihrem Dezernat selbständig agierenden Stadträte wurden zu untergeordneten Beratern. In der Weimarer Republik hatten sie die Verwaltung einer Gemeinde noch als Kollegialorgan geführt. Wie diese Neuordnung sich jeweils auf die Politik einer Kommune auswirkte, war allerdings stark abhängig von der personellen Zusammensetzung des Magistrats.

In Frankfurt erlangte ein Umstand wesentliche Bedeutung: Die Stadt war „Gauhauptstadt“ des Gaus Hessen-Nassau. Dementsprechend spielte Gauleiter Jakob Sprenger eine kaum zu überschätzende Rolle in der Frankfurter Kommunalpolitik. Mit Hilfe der Kompetenzen des sogenannten „Beauftragten der NSDAP“ hatte er sich eine zentrale Position gesichert, er steuerte damit praktisch die gesamte Personalpolitik der Stadt. Dieser Einfluss machte sich vor allem bei der Ernennung der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder bemerkbar. Deren beide Gruppen – ehrenamtliche Stadträte und Ratsherren – können umstandslos zur Entourage des Gauleiters gezählt werden. Sprenger setzte dabei auf das nationalsozialistische Prinzip von Führung und Gefolgschaft, das parallel zur herkömmlichen disziplinären Unterstellung in der Verwaltung ein neues, davon unbeeinflußtes Abhängigkeits- und Sanktionsverhältnis etablierte, auf das die Verwaltung keinen Zugriff hatte. Im Gegensatz zum Dienstverhältnis der Beamten basierte es auf einem unmittelbaren persönlichen Treue- und Befehlsverhältnis, das jenseits herkömmlicher Rechtsnormen existierte, und im Frankfurter Fall dem Gauleiter einen unmittelbaren Zugriff auf eigentlich der Stadt unterstellte Ehrenbeamte sicherte.

Der Einfluss der ehrenamtlichen Magistratsmitglieder war institutionell kaum verankert, er herrschte dafür aber informell, durch Ausüben von Druck, durch politischer Kontrolle, durch die reine Präsenz als Vertreter des Partei- und Terrorapparats des NS-Regimes. Ihre Bedeutung und Brisanz liegt in der Kombination von Partei- und Verwaltungsamt. Im Gegensatz dazu funktionierte die Gleichschaltung der hauptamtlichen Stadträte, sehr zum Ärger Sprengers, nicht reibungslos. Zwar waren 1933 auch hier an strategisch wichtigen Stellen NSDAP-Mitglieder eingezogen (Personal-, Gesundheitsamt), doch ein radikaler Austausch des politischen Personals fand nicht statt. Der hauptamtliche Magistrat setzte sich zum einen zusammen aus Kommunalbeamten aus dem traditionellen Berufsbeamtentum, mit ähnlichem sozialen Hintergrund, ähnlich verlaufener Karriere und einer zumindest ambivalenten Haltung zum Nationalsozialismus. Zum anderen aus vier überzeugten Nationalsozialisten, bei denen weniger die Eignung für das Amt entscheidend war als vielmehr die Akzeptanz durch den Gauleiter und ihr erhoffter Nutzen für die Partei. Insbesondere die hauptamtlichen Stadträte Friedrich Lehmann, August Lingnau und Rudolf Keller, die noch unter Oberbürgermeister Landmann während der Weimarer Republik in den Frankfurter Magistrat gewählt worden waren, hatten einen schweren Stand und verdankten ihre lange Amtsdauer bis 1945 wohl vor allem der Unterstützung durch den Oberbürgermeister. Die Stadträte bzw. ein funktionierender Verwaltungsapparat waren für Krebs unentberlich und verdienten seine größtmögliche Unterstützung, wollte er sich gegen den Gauleiter behaupten.

Diese spezielle personelle Konstellation hatte Auswirkungen auf die Frankfurter Politik. Generell ist festzustellen, dass die Zusammenarbeit im Magistrat – vor allem im hauptamtlichen – erstaunlich gut funktionierte. In der Regel hatte sich zwischen Friedrich Krebs und seinen hauptamtlichen Stadträten ein nüchternes Arbeitsverhältnis etabliert. Grund dafür sind sicherlich die geregelten Arbeitsabläufe, die eine Verwaltung auszeichnen und die auch während der Jahre von 1933 bis 1945 nicht außer Kraft gesetzt wurden. Der Oberbürgermeister trug seinen Teil dazu bei, indem er darauf bestand, dass die Verwaltung nach diesen Normen und Vorgaben arbeitete. Nicht zuletzt aber sorgte die hohe Anpassungsbereitschaft der Stadträte für das Funktionieren der Frankfurter Kommunalverwaltung. Zu Konflikten kam es vor allem zwischen haupt- und ehrenamtlichen Magistratsmitgliedern – vielfach verschärft durch den Umstand, dass einige der Ratsherren oder ehrenamtlichen Stadträte als Ortsgruppenleiter o. Ä. tätig waren und in dieser Funktion hauptamtliche Stadträte kontrollierten, bespitzelten oder denunzierten.

Die Arbeit des Frankfurter Magistrats von 1933 bis 1945 war gekennzeichnet durch die ständige Gratwanderung zwischen einerseits pragmatischem, legalem oder auch legalistischem Verwahltungshandeln, und andererseits dem Abdriften in nationalsozialistisches Fahrwasser.
Die Übergänge waren fließend. Oftmals hatte die Verwaltung dem Drängen der Parteifunktionäre nur kurzzeitig etwas entgegenzusetzen. Diese Kompromittierbarkeit der traditionellen Bürokratie trug wesentlich dazu bei, das System zu stabilisieren. Oftmals waren städtische und nationalsozialistische Interessen aber auch gar nicht klar zu trennen oder identisch. So wurden auch diejenigen Mitglieder des Magistrats, die nationalsozialistische Politik ablehnten, durch ihre tägliche Arbeit, durch das Ausführen von Gesetzen oder Verwaltungsvorschriften, zum Teil des Unrechtsregimes.

 

 

Literatur::

Bettina Tüffers, Der Braune Magistrat. Personalstruktur und Machtverhältnisse in der Frankfurter Stadtregierung 1933-1945 (Studien zur Frankfurter Geschichte 54), Frankfurt am Main 2004

Sieben haupt-, acht ehrenamtliche Stadträte und 36 Ratsherren bildeten im „Dritten Reich“ den Frankfurter Magistrat. In der Mehrzahl erst nach 1933 berufen und fast durchgängig mit Nationalsozialisten besetzt, unterstanden sie dem „Führer der Gemeinde“, dem Oberbürgermeister Friedrich Krebs. Dieser tolerierte jedoch auch fünf hauptamtliche Stadträte, die bereits während der Weimarer Republik gewählt worden waren und der nationalsozialistischen Politik durchaus kritisch gegenüberstanden.



Autor/in: Bettina Tüffers
erstellt am 01.01.2005
 

Verwandte Personen

Keller, Rudolf


Krebs, Friedrich


Lehmann, Friedrich


Lingnau, August


Sprenger, Jakob

Verwandte Orte

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